Tabea Wolf mit Vito und Nero
Das ist so eine spannende Zeit - und ich hab das Gefühl, diese Reise hat gerade erst begonnen

Verliebt, verlobt, verheiratet. Und das alles im Schnelldurchlauf und mit gerade mal 30 Jahren. Kurz danach kommen die beiden Söhne Vito und Nero auf die Welt. Tabea und ihr Mann Jeremias fackeln nicht lange, sondern entscheiden meist super spontan aus dem Bauch. Genau so wie bei ihrem gemeinsamen Projekt – Kinderbücher schreiben. Aus einer spontanen Idee wurde ein richtiges Business, das sie im Alleingang aus Berlin-Lichterfelde führen. Und das zwischen Spaziergängen im Grünen und gemeinsamen lustigen und kreativen Nachmittagen… eine wahnsinnig sympathische Familie mit ganz viel Liebe. Bleibt eigentlich nur noch die Frage wann ich bei euch einziehen darf, liebe Tabea?

Ihr beiden habt euch auf der Arbeit kennengelernt. Natürlich bin ich neugierig – hat es gleich gefunkt?

Gefunkt ja, nur bis das Feuer so richtig gebrannt hat, ist echt noch eine ganze Weile vergangen. Jeremias hatte gemeinsam mit Freunden die “Factory Berlin” gegründet, das ist ein Startup Campus für junge Unternehmen. Ich habe nach dem Abi an der Universität der Künste in Berlin studiert und danach noch meinen Master in England drangehangen. Als ich aus England zurück nach Berlin kam, war ich eigentlich schon wieder auf dem Sprung und wollte nach New York ziehen, aber dann kam alles anders. Ich habe angefangen, in der Factory Berlin zu arbeiten und da Jeremias kennengelernt. Wie gut – jetzt so im Rückblick, dass ich damals meine New York Pläne über Bord geworfen habe.

Wie gut, dass ich damals meine New York Pläne über Bord geworfen habe!

Wie ging’s dann weiter mit euch?

Ungefähr ein Jahr haben wir dann zusammengearbeitet und uns gleichzeitig immer öfter abends oder am Wochenende zu zweit getroffen. Als wir dann beide aus der Firma ausgestiegen sind, sind wir so ein richtig offizielles Paar geworden. Und dann ging alles ganz schnell.

Und wie! Sechs Monate später habt ihr dann auch direkt geheiratet. Wow! Kurz danach bist du dann mit deinem ersten Sohn Vito schwanger geworden. Überraschung oder war der Wunsch nach einer jungen Familie schon immer da?

Ich wusste schon immer irgendwie, dass ich mal eine eigene Familie haben möchte, aber wann und wie das genau aussehen sollte, darüber hab ich mir keinen Gedanken gemacht. Deshalb war es eigentlich perfekt, dass ich mit Vito eher überraschend schwanger geworden bin. Es war genau der richtige Moment. Aber ja, es ging echt alles Schlag auf Schlag, “BOOOM – vom Kreuzberger Single-Girl zur zweifach Mama” mit eigenem Business und Wohnung im Grünen. Ich weiß auch nicht, bei uns ist immer “peng peng peng“. Deshalb genieße ich auch so sehr die Ruhe hier in unserem neuen Zuhause.

Ihr seid dann relativ bald aus Berlin-Kreuzberg raus nach Lichterfelde gezogen. Wie kam es zu der Entscheidung?

Das ist das Haus, in dem ich groß geworden bin und meine komplette Kindheit verbracht habe. Irgendwann haben wir mitbekommen, dass die Wohnung, in der wir jetzt wohnen, zum Verkauf stand. Anfangs kam es für mich aber erstmal überhaupt nicht in Frage, wieder hierhin zurück zuziehen. Dann hat es fast ein Jahr gedauert, bis wir plötzlich gemerkt haben, dass wir richtig Lust darauf haben, etwas ruhiger, grüner und entspannter zu wohnen.
Und wie bisher so oft in unserer Beziehung, haben wir dann gar nicht lange überlegt und es einfach gemacht. Wir haben dann noch mal alles komplett renoviert und wohnen jetzt seit 1,5 Jahren hier und sind super glücklich.

Gab es Momente, wo ihr das trubelige Kreuzberg-Leben vermisst habt?

Am Anfang schon. Da bin ich immer mit dem Kinderwagen spazieren gegangen und hab nach hübschen Hipster-Cafés gesucht. Und auch wenn sich hier, im Vergleich zu früher, schon viel verändert hat, gibt es das in der Form wie in Kreuzberg natürlich nicht. Vito war aber auch schon ein Jahr alt als wir hergezogen sind und unser Leben hatte sich eh schon verändert. Spontan feiern gehen oder jeden Abend in einem anderen Restaurant essen, gab es nicht mehr und so haben wir hier in unserer neuen Hood schnell die Vorzüge für uns entdeckt. Die langen Spaziergänge im Grünen, im Sommer fahren wir jeden Tag zum See und baden und trotzdem sind wir mit dem Auto auch super schnell in Kreuzberg. So richtig sind wir hier dann eigentlich dieses Jahr während des ersten Lockdowns angekommen.

Wir fühlen uns so pudelwohl hier und wollen nicht mehr weg.

Du und Jeremias, ihr schreibt zusammen Kinderbücher. Das klingt so wahnsinnig schön – wie seid ihr darauf gekommen?

Das war eine total spontane Idee. Ich habe schon immer gerne gezeichnet und Jeremias gerne geschrieben. Wir haben uns dann an einem Herbst-Sonntag einfach hingesetzt und zusammen eine Geschichte geschrieben. Danach ist dann nochmal ein Jahr vergangen, als wir beide aus unseren alten Jobs raus waren und zusammen was Neues gründen wollten, haben wir dann beschlossen, dass jetzt die perfekte Zeit ist, um unser erstes Kinderbuch zu schreiben.

Wie lange habt ihr an eurem ersten Buch gesessen?

Das ging alles ganz schnell, im August vor drei Jahren haben wir das erste Buch fertig gestellt, das ging im September in den Druck und kam im November raus. Daraufhin haben wir total tolles Feedback bekommen und das Buch hat sich so gut verkauft, dass wir dann beschlossen haben, direkt noch ein weiteres Buch zu schreiben. Und so hat sich dann alles entwickelt und jetzt leben wir davon.

Wie fühlt sich euer Arbeiten im Vergleich zu früher an?

Wir hatten beide immer tolle Jobs, aber wir waren noch nie so frei und so kreativ in unserem Arbeiten wie jetzt. Dadurch, dass wir nicht mit einem Verlag zusammenarbeiten, sondern von Druck bis Online Shop alles selber machen, können wir auch alles selbst gestalten und bestimmen und uns komplett frei einteilen, was auch für unser Familienleben super praktische ist. Wir arbeiten wann, wie und wo wir wollen. Und unsere Arbeit ist, Geschichten für Kinder zu erzählen – ich kann mich echt nichts Schöneres vorstellen.

Wie kann ich mir euren Alltag vorstellen? Habt ihr feste Strukturen?

Ehrlich gesagt, definieren wir gefühlt alle 3 Monate neue Strukturen, weil sich unser Leben irgendwie ständig verändert. Momentan machen wir es so, dass es „Mama“ und „Papa“ – Tage gibt, also entweder ich oder Jeremias kümmern sich um die Kids und der andere hat Zeit, an unseren Projekten zu arbeiten. Wir starten meistens so gegen 8h in den Tag, essen zusammen Porridge mit Blaubeeren, dann bringt Jeremias Vito in den Kindergarten und ich räume die Wohnung auf, während Nero sie wieder verwüstet. Wenn ich arbeite, ziehe ich mich dann meistens zum Zeichnen in mein Atelier zurück oder ich gehe drei Etagen weiter unten in unser Büro im Erdgeschoss und arbeite meine viel zu langen To Do Listen ab. Ich habe irgendwie immer viel zu viele Ideen und viel zu wenig Zeit, alles umzusetzen.
Am Nachmittag so gegen fünf, kommen wir dann alle wieder in der Wohnung zusammen, spielen, essen und quatschen. Und ab acht sind die Kinder im Bett, manchmal arbeiten wir dann noch mal, manchmal chillen wir einfach nur.

Das heißt ihr lebt komplett nach dem 50/50 Modell oder?

Eigentlich schon. Die Zeit mit den Kindern, den Haushalt und die Arbeitszeit teilen wir gut auf.
Was toll ist, weil ich finde immer, wenn man viel arbeitet, vermisst man seine Kinder total und wenn man viel die Kinder betreut, dann wünscht man sich mal Ruhe und Zeit zum Arbeiten. Wir haben eigentlich eine perfekte Mischung gefunden für meinen Geschmack.
Nur wenn wir ein neues Buch schreiben, ist das anders, dann kümmere ich mich einige Woche allein um Kinder und Haushalt, während Jeremias schreibt. Anschließend, wenn ich mich dann an die Illustrationen setze, übernimmt Jeremias das Familien-Ruder.

Du bist vor neun Monaten zum zweiten Mal Mutter geworden. Bist du dann ganz klassisch in Elternzeit gegangen oder wir habt ihr das gemacht?

Ja genau, ich war in Elternzeit und hab mir gleichzeitig aber, die ersten Monate als Nero noch ganz klein war und viel geschlafen hat, ganz viel Zeit für meine Kunst abseits der Kinderbücher genommen. Und hab ganz viel gemalt und gezeichnet, was total schön war.

Wir haben eigentlich eine perfekte Mischung gefunden für meinen Geschmack.

Hast du dich auf die zweite Schwangerschaft anders vorbereitet als auf die erste?

Ja, komplett anders. Vor der ersten Geburt hab ich mich eigentlich gar nicht vorbereitet oder informiert, meine Taktik war, einfach völlig naiv ran zu gehen. Ich habe gedacht, das wird halt heftig und da muss man einfach durch. So war es dann auch, es gab zwar keine Komplikationen aber die Geburt war einfach lang und super anstrengend. Kurz vor der zweiten Geburt hat mir einen Freundin dann von Hypnobirthing erzählt und ich dachte erst, das ist der nächste Bullshit-Trend aus den USA und musste lachen. Es gibt einfach so unfassbar viele Ratgeber und Ansätze und Theorien zu Schwangerschaft, Geburt, Erziehung. Wir sind gar keine Fans von bestimmten Konzepten, sondern machen einfach unser Ding.
Dann bin ich aber auf den Podcast „Die friedliche Geburt“ von Kristin Graf gestoßen. Den kann ich wirklich weiterempfehlen. Kristin ist schon seit vielen Jahren Mental-Trainerin und hat nach zwei traumatischen Geburten einen neuen Weg zu einer glücklichen Geburt gesucht. Bei der Geburt ihres dritten Kindes hat sie dann ihre eigenen Methoden, eine Mischung aus Meditation, Entspannungsübungen und Hypnose, auch im Kreissaal für sich genutzt und eine ganz ruhige und gute Geburt erlebt. Als ich schwanger war, habe ich mir ihren Podcast oft abends zum Einschlafen angehört und daraus ganz viel für meine zweite Geburt mitgenommen.

Tell me more! Wie genau funktioniert das in der Praxis?

Das ist eigentlich gar nicht kompliziert. Man versucht, sich wie bei einer Meditation bewusst zu entspannen, sich etwas schönes vorzustellen und seinen Körper zu spüren und wahrzunehmen. Eine Geburt ist total gewaltig, das ist klar. Aber man kann versuchen, etwas mehr loszulassen, anstatt zu verkrampfen und die Schmerzen mit zusammengebissenen Zähnen auszuhalten. Und die Wehen für sich nicht von vornherein als Schmerz einzuordnen, sondern vielleicht eher ein heftiges Drücken oder Ziehen. Und sie auch nicht Wehen zu nennen, sondern Wellen oder Kontraktionen. Unser Körper reagiert ja ganz stark darauf, was in unserem Kopf vor sich geht, das kennen wir alle.
Bei meiner ersten Geburt habe ich bei jeder Wehe gedacht “Scheiße, tut das weh!” und nach der Wehe hab ich gedacht “Oh Gott, war das heftig. Und, shit – gleich kommt die nächste!”. Bei meiner zweiten Geburt konnte ich die Wehen eher als etwas positives wahrnehmen, als eine Kraft in mir, eine Art Urgewalt oder auch ganz simpel als eine muskuläre Kontraktion, die dafür sorgt, das mein Baby zur Welt kommt. Und ich muss dabei nichts tun, als es zuzulassen und tief zu atmen. Bei manchen Yoga-Positionen drückt und zieht es auch wie Hölle, aber wir schreien und brüllen nicht, sondern atmen dann noch etwas tiefer, genau in die Stelle hinein und versuchen, loszulassen. Auch wenn eine Geburt natürlich viel viel viel krasser ist, kann das ganz ähnlich funktionieren.

Tabea, was ist für dich die größte Herausforderung am Mutter sein?

Die größte Herausforderung ist es, die Balance zu finden zwischen Mutter sein und Raum für sich behalten. Denn ich weiß, wie wichtig der für mich ist, schließlich bin ich immer noch Tabea und nicht nur Mama. Und wenn ich selbst zu kurz komme, werde ich super schnell launisch und zickig und dann lasse ich dass an anderen aus und das ist wirklich uncool. Deshalb bin ich so dankbar dass ich auch physisch, in unserer Wohnung, einen Raum habe, in dem ich mich zurückziehen kann. Mein eigenes Zimmer, in dem ich kreativ sein kann und völlig ungestört bin.

Und was bringt dir die meiste Freude?

Wenn alle lachen! Das ist einfach so schön, wenn wir alle nach dem Aufwachen noch zusammen im Bett liegen und rumtoben und Quatsch machen. Das Leben ist mit Kindern einfach voller Lachen und Leben und bringt so viel Freude.

Danke, Tabea!

Tabea und Jeremias mit Vito (2,5 Jahre) und Nero (9 Monate), Dezember 2020
Fotos: Lina Grün
Interview: Daniela Wilmer