Nina habe ich vor einigen Jahren auf Instagram entdeckt und seitdem bin ich Fan ihres Accounts und ihrer sympathischen, kleinen Familie. Sie ist eine dieser Personen, die einen ansteckt mit ihrer Energie, inspiriert mit ihrem natürlichen und dennoch immer auch besonderen Style. Vor allem mag ich aber die Art, wie sie das Muttersein lebt. Und dabei keineswegs den Eindruck erweckt, als würde sie nur die Sonnenseiten des Lebens abbilden. Man spürt förmlich die Wärme und Herzlichkeit und sicherlich auch das sehr besondere Band, welches das tolle Trio verbindet. Ein echtes Team eben. Und dann wohnen die Drei auch noch inmitten malerischer Weinberge in Rheinhessen! Traumhaft. Aber seht selbst…
Nina Weinreich mit Henri und ToniWir mögen es alle, gemeinsam Abenteuer zu erleben
Liebe Nina, wo kommst du her und was machst du beruflich?
Ich komme eigentlich aus der Nähe von Stuttgart, schon vor über 15 Jahren (bei der Rechnung bin ich jetzt doch gerade mal erschrocken!) hat es mich aber, ganz grob, an den Rhein verschlagen – zuerst auf die hessische, dann auf die rheinland-pfälzische Seite. Das Mainzer Umland ist jetzt meine neue Heimat und ich mag es sehr! Der Vater Rhein hat tatsächlich auf mich eine therapeutische Wirkung und bindet mich. Beruflich bin ich möglicherweise ein nicht einzuordnendes Phänomen. Ich bin Beraterin im E-Commerce – ganz speziell helfe ich Unternehmen dabei, in Customer Care und After Sales Services besser zu werden. “Gelernt” habe ich aber etwas ganz anderes – studiert habe ich Internationale Weinwirtschaft, dann ein Weingut mit geleitet – von dem habe ich auch den lustigen Namen – bis es mich in die Welt des E-Commerce zog.
Du bist ja mittlerweile alleinerziehend, magst du ein bisschen darüber berichten, welches Modell ihr da lebt und wie das für euch alle funktioniert?
Ja, seit 2015 hat sich unsere Familie verändert. Ich mag es nicht so gerne zu sagen “getrennt”, obwohl es natürlich so ist. Prä-Pandemie war es ein klassisches Modell, jedes zweite Wochenende und einen festen Tag unter der Woche waren die Jungs beim Papa. Mittlerweile passen wir das an die jeweiligen Rahmenbedingungen an, und sind da beide zum Glück auch ziemlich flexibel. Ich bin ganz in der Nähe geblieben, das war mein großer Wunsch für die Kinder, dass es gar nicht weit ist bis zum Papa.
Erzähl doch mal, wie eure Familienkonstellation so ist und wie ein typischer Tag bei euch aussieht…
Ich wohne zusammen mit meinen beiden Söhnen Henri (10) und Toni (8) Und unserem Kater August (2 :)) auf dem Lande. Einen typischen Tagesablauf gibt es bei uns momentan glaube ich gar nicht. Mit zwei verschiedenen Schulen und beständig wechselnden Unterrichtsmodellen und Anwesenheitstagen kann ich das wirklich nicht festmachen. Vielleicht sollte ich es weiterhin durchsetzen, dass alle zumindest ordentlich angezogen sind. Irgendwer arbeitet, irgendwer wird beschult, lernt, kocht, bäckt, beseitigt Chaos, wenn es anfällt, irgendwer muss in eine Schule gebracht werden. Wenn aber etwas für uns typisch ist, dann, dass wir uns automatisch alle in unserer großen Küche zusammenfinden. Die ist, gerade aktuell mehr denn je, das absolute Zentrum unseres Zuhauses. Hier gibt es dann wenigstens eins was Bestand hat: traditionelles Pancake-Frühstück am Wochenende.
Hast du noch andere Unterstützung im Alltag, etwa durch Familie oder Freunde?
Das kann ich nicht wirklich so sagen. Meine Mama wohnt leider über zwei Stunden Fahrtzeit weg, meinen Papa habe ich dazu vor zwei Jahren verloren. Mit “mal schnell die Kinder bei den Großeltern parken” hatte ich es also schon immer schwer. Deshalb sind wir drei aber auch ein wahnsinnig gut eingespieltes Team. Hier in unserer neuen Umgebung habe ich mittlerweile ein kleines, sehr feines Netzwerk an Nachbarn und Freunden, die da sind, wenn meine One-Woman-Show mal zusammenklappt. Da wäre zum einen unsere adoptiere Lieblingsnachbarin, pensionierte Hebamme, eine absolute Granate, was Leben und Wesen angeht, die mich/uns schon oft gerettet hat. Und die uns liebt, als wären wir ihre Familie. Liebe Freunde, auf die ich zählen kann, und sei es “nur” als moralische Unterstützung und Schulter zum Ausheulen, Ratgeber – und, ganz sicher nicht zuletzt, mein Freund, der mir zur Seite steht und unterstützt auf wirklich allen Ebenen.
Genau, du hast ja einen neuen Partner seit einiger Zeit. Wo habt ihr euch kennengelernt und wie funktioniert ihr als Patchworkfamilie?
Ganz klassisch und wenig romantisch haben wir uns auf der Arbeit kennengelernt: wir hatten eine Zeit lang den gleichen Arbeitgeber, bis er sich selbstständig gemacht hat. Bis dahin hatten wir aber noch genug Zeit, eine sehr wertvolle Freundschaft aufzubauen, aus der dann noch so viel mehr wurde. Er ist, so kitschig das auch klingt, mein bester Freund, mein Lover, und übrigens auch mein Chef. Mit unseren zwei kleinen Familien haben wir alles sehr sanft angehen lassen. Uns ganz behutsam genähert – keine Hauruck-Aktion. Unsere Kinder (er hat auch einen sechsjährigen Sohn) haben viel Zeit bekommen sich kennenzulernen, haben sich angefreundet und so sind wir zu einer richtig guten Truppe zusammengewachsen. Dadurch, dass wir nicht zusammen wohnen, fühlt es sich oft mehr an wie große Partys. Oder Jugendherberge. Wenn wir alle auf einem Haufen sind, ist es meistens laut und lustig und es fühlt sich insgesamt sehr wohlig an. Ich bin die Herbergsmutter, die in großen Töpfen rührt und Sonnencreme an alle verteilt. Ganz ohne Sorgenfältchen und Zweifel geht es aber auch hier nicht, fünf Individuen unter einen Hut zu bringen und immer alles perfekt zu machen – das wäre utopisch.
Ihr wohnt ja auf dem Land, genauer gesagt in Rheinhessen, umgeben von malerischen Weinbergen und Natur. Gerade in der Pandemie bestimmt ein totaler Vorteil, oder?
Das muss ich mit einem absoluten JA! beantworten. Wir haben 10 Schritte bis zum Ortsrand, wo herrliche Felder und Wiesen anfangen. Tolle Fahrradwege, die wir ausgesprochen oft und gerne nutzen. Und bis an den Rhein ist es nicht weit. Wir lieben es, an unserem (leider nicht mehr ganz so) geheimen Plätzchen die Nachmittage und Abende am Strand zu verbringen. Magisch und unersetzlich für mich – es ist Freiheit und mein größtes Glück! Meine Kinder wachsen in einem Dorf ohne Ampel und Supermarkt auf, dafür haben wir einen kleinen Dorfladen, in dem ich noch mein WLAN von zuhause nutzen kann, und zumindest zur Grundschule ist es ein kurzer Fußmarsch von knappen 10 Minuten – je nachdem was man alles unterwegs entdeckt. Alles hier ist entzerrt und entschleunigt, man grüßt die wenigen Menschen, die man unterwegs so trifft. Ich kann morgens in unserem großen Garten barfuß Kaffee trinken und abends Rosen schneiden. Das erfüllt mich mit Freude. Ich mag das!
Wie ist das für deine Kinder, die ja beide im Grundschulalter sind? Sind die schon viel auch alleine und selbständig draußen unterwegs?
Henri ist letztes Jahr in die weiterführende Schule gekommen. Ich habe nun also einen Zweit- und einen Fünftklässler zu Hause (fühle mich direkt sehr alt dadurch). Sie sind auch öfter alleine unterwegs, mit Walkie Talkies bewaffnet auf Geheimagenten-Tour in den Feldern. Oder radeln selber zum Tennistraining, gehen alleine zum Bäcker, etc. Sie sind sehr selbstständig und verantwortungsbewusst. Wäre das nicht so, wäre ich schon oft in Schwierigkeiten gekommen! Die Freizeit, das muss ich aber auch sagen, verbringen wir zu einem großen Teil gemeinsam. Wir sind zusätzlich zu Mama/Söhne auch ziemlich beste Freunde. Wir mögen es alle, gemeinsam Abenteuer zu erleben, durch den Wald zu streifen und im Schwimmbad abzuhängen. Ich bin auch eher der Typ Mama, der mit aufs Fünf-Meter-Brett geht, überall draufklettert und die gleichen Sachen gut findet wie ein acht Jahre altes Kind, anstatt bloß die Anstandsdame zu sein.
Das Thema Home Schooling ist ja für die meisten eine echte Herausforderung gewesen. Bei euch sah das zumindest aus der Ferne betrachtet immer so harmonisch und gut funktionierend aus. War das wirklich so, oder mehr der Insta-Filter ?
Ich muss uns auf alle Fälle da einordnen, wo sicher alle stehen und standen. Es ist eine große Herausforderung! Am Anfang, muss ich aber auch sagen, haben wir die dadurch entstandenen Freiheiten und die viele Extrazeit die wir dadurch gewonnen haben, sehr genossen. Es hilft, dass wir, wie vielleicht schon deutlich geworden ist, super gerne Zeit miteinander verbringen. Trotzdem war es eine Herausforderung, einem Erstklässler, der gerade mal ein halbes Jahr “richtig” Schule hatte, den Sinn von “Arbeitsaufträge abarbeiten” nahe zu bringen. Da hat mich oft Henri unterstützt und hat ganz natürlich die Beschulung seines Bruders übernommen. Er war als Viertklässler ja schon ein alter Hase und hatte oft den besseren Zugang. Das habe ich als Benefit für beide gesehen und habe in meiner inneren “Nina-Lern-Liste” Häkchen gesetzt bei Lerneinheiten, die eben nicht auf den Lehrplänen der Schule stehen. Und dadurch war ich oft nicht so streng. Weder zu den Kindern, noch zu mir. Außerdem gab es deutlich mehr Wandertage, als in der normalen Schule. Ein großes Plus. Seit dem Beginn des Homeschoolings letztes Jahr hat sich aber auch so vieles geändert und Henri z.B. wird von der neuen Schule ganz anders betreut, wenn es um Distanzlernen geht. Wir hangeln uns an allem so entlang und versuchen dabei vor allem irgendwie glücklich und unbeschwert zu bleiben. Es ist ein Kraftakt, aber ich glaube, wir schaffen es ok!
Könntest du dir vorstellen, einmal irgendwo ganz anders zu leben? Wenn ja, wo?
Hm, eine gute Frage, über die ich mir nie so richtig Gedanken gemacht habe. Am liebsten vielleicht dahin, wo man ganzjährig keine Socken und Schuhe bräuchte. Ansonsten habe ich aber an so vielen aufregenden Orten der Welt Freunde. Die ich, wenn es irgendwann wieder geht, kaum abwarten kann zu besuchen. Wenn ich mal in Stockholm, Amsterdam, London, oder an der Westküste Amerikas wohnen will, dann mache ich das einfach auf Zeit :)
Wo lässt du dich inspirieren in Sachen Mode, Kreativität, Interieur?
Mode ist für mich eine ausgeglichene Mischung aus Bedürfnis und Gefühl. Ich brauche vor allem Alltagstaugliches, in dem ich mich wohl fühle und bei dem ich ein gutes Gefühl habe, was die Herkunft angeht. Meine größten Inspirationsquellen sind tolle Menschen auf Instagram und dem echten Leben, meine Oma (großes Idol), alte Geo-Zeitschriften aus den 70er und 80er Jahren, meine Phantasie, Flohmärkte, Ikea-Kataloge, meine Umgebung, die ich ganz aufmerksam beobachte.
Was ist für dich die größte Herausforderung beim Thema Mutter sein? Und was das Schönste?
Wahrscheinlich ein und dasselbe. Ich habe bei der ersten Schwangerschaft für mich festgestellt, dass es wohl das letzte große Abenteuer der Menschheit ist, Mama zu werden und zu sein. Das ist etwas, worauf man sich wirklich nicht vorbereiten kann, und das einzige was ich darüber gehört habe, bevor es so war: man versteht es nicht, bis es tatsächlich so ist. Das ist aufregend, schön und manchmal überwältigend. Die Sorgen und schönen Momente wiegen sich doch irgendwie auf, oder?
Liebe Nina, danke für das Gespräch und die Einblicke in euer schönes Zuhause!
Nina Weinrich mit Henri (10) und Toni (8), Juni 2021
Fotos: Marta Sekula
Interview: Hannah Stenke