Vor ein paar Jahren habe ich den Instagram-Account von Kathrin und Can entdeckt und folge ihnen seitdem sehr gerne. Die beiden zeigen kleine, sympathische und ehrliche Einblicke in ihr Familienleben mit drei Kindern. Als sie sich entschlossen haben, ihre große Wohnung aufzugeben und vor einem Jahr zu fünft in eine 40qm große 1 Zimmerwohnung gezogen sind, fand ich das total spannend. Zu fünft auf so engem Raum, wie soll das gehen? Im Interview erzählt Kathrin von den Beweggründen für den Umzug, wir sprechen natürlich auch über Nachhaltigkeit und Minimalismus. Außerdem erzählt sie aus ihrem Familienleben in Frankfurt und über all die positiven Seiten (und auch die Herausforderungen), die das Leben in einem Tiny Flat so mit sich bringt…
Kathrin und Can mit Rosa, Elsa und NuriAls wir die große Wohnung endlich abgegeben haben, ist eine unendliche Last von unseren Schultern gefallen.
Liebe Kathrin, erzähl mal: Kommt ihr aus Frankfurt? Und was macht ihr beruflich?
Ich bin in Frankfurt geboren und aufgewachsen. Bis auf ein paar wenige Jahre, in denen ich in anderen Städten unterwegs war, bin ich der Stadt auch treu geblieben. Can ist in Ankara geboren. Mit fast zwei Jahren kam er mit seiner Familie nach Deutschland. Zum Studium ist er in Frankfurt gelandet, wo wir uns schließlich kennengelernt haben. Mittlerweile bin ich Sozialpädagogin und Can Diplom-Politologe.
Wie ist es in Frankfurt mit Kindern? Was gefällt euch?
Das Schöne an der Stadt ist der Main, unser Fluss. Wir leben auch nur fünf Minuten davon entfernt. Ich finde immer, das macht ganz viel aus. Das Flair und die Stimmung am Wasser. Das schätze ich sehr an Frankfurt. Um den Main herum ist alles grün und an der Promenade ist im Frühling und Sommer total viel los. An der EZB, bei uns um die Ecke, wurde vor ein paar Jahren der Hafenpark eröffnet, ein riesiger Erlebnis-, Sport- und Skatepark. Die Kinder können sich da ganz frei bewegen und für jedes Alter ist etwas dabei: ein Sandkasten, große Schaukeln, ein schönes Café, Sportplätze und und und. Das ist ein total schöner Ort. Das Museum für Kommunikation ist auch ein toller Tipp für die Stadt – zumindest war es das vor Corona. Die Berger Straße in Bornheim ist auch total schön. Da kann man lecker Essen, Kaffee trinken und bummeln. Außerdem mag ich an Frankfurt, dass alles nicht so weit weg ist. Mit dem Rad erreiche ich das Meiste in maximal 20 Minuten.
Ihr lebt ja zu fünft auf 40qm in einem Tiny Flat. Wie lange wohnt ihr schon so und wie habt ihr das ganz praktisch aufgeteilt?
Seit genau einem Jahr leben wir nun in unserem Tiny Flat und sind nach wie vor super happy mit dieser Entscheidung. Auf 40qm muss man natürlich kreativ werden, um allen Bedürfnissen gerecht zu werden. Unseren großen Mädchen haben wir im Flur eine Hochebene über die gesamte Fläche gebaut, so haben beide ihren eigenen Wohnbereich und die Möglichkeit, sich zurückzuziehen. Unser Jüngster hat noch nicht das Bedürfnis nach Rückzug, die meiste Zeit spielt er in unserer Nähe. Das Wohnzimmer ist das größte Zimmer und wird abends zu unserem Schlafzimmer. Tagsüber ist es Dreh- und Angelpunkt der gesamten Familie.
Vorher hattet ihr ja oben im Haus noch die große Wohnung. Wie kam es zu der Entscheidung, euch verkleinern zu wollen?
Lange Zeit war ich innerlich zerrissen. Einerseits spürte ich den starken Wunsch, weniger zu besitzen, andererseits füllten sich unsere Schränke im Alltag immer mehr. Mit der Geburt unseres Jüngsten ergab sich für uns die Möglichkeit, im Erdgeschoss unseres Hauses unsere jetzige 1-Zimmerwohnung zusätzlich anzumieten. Zwei Jahre lang lebten wir mit zwei Wohnungen, in denen wir allerhand Zeug ansammelten. All das machte nicht nur viel Arbeit, sondern kostete auch jede Menge Geld – sodass irgendwann klar war, dass wir etwas ändern mussten. Nach vielen Gesprächen entschieden wir im Dezember 2020 unsere große Wohnung zu kündigen und in das Tiny Flat zu ziehen.
Und wie gehen die Kinder damit um? Fehlt ihnen manchmal ein Rückzugsort?
Als wir mit unseren Kindern den Umzug in das Tiny Flat besprachen, waren sie erstmal skeptisch. Vor allem das Ausmisten hat ihnen (und Can) Sorgen bereitet. Deshalb sind wir jeden Schritt behutsam gegangen und immer mit ihrem Einverständnis. Im Alltag ergeben sich, wie bei allen Heranwachsenden, neue Themen, auf die wir reagieren müssen. Zuletzt wünschte sich unsere Große, ihren Kleiderschrank im Zimmer zu haben. Das auf so engem Raum umzusetzen, war gar nicht so einfach, aber wir haben einen Weg gefunden, mit dem alle zufrieden sind.
Du schreibst auf Instagram auch immer darüber, dass sich euer Familienleben und eure Partnerschaft durch den Umzug verändert hat. Wie?
Viele Menschen aus unserem Umfeld waren besorgt, was den Umzug in das Tiny Flat anging und konnten unsere Beweggründe nicht nachvollziehen. Doch für uns hat sich seither vieles zum Positiven gewendet. Wir leben unseren Alltag bewusster als zuvor und versuchen jeden Moment aktiv zu gestalten. Dadurch gehen wir achtsamer miteinander um, was sich auch positiv auf unsere Paarbeziehung auswirkt. Durch das Ausmisten haben wir zudem jede Menge Ballast losgelassen und dadurch mehr Leichtigkeit gewonnen.
Wie nutzt ihr die dadurch gewonnene Freiheit und Leichtigkeit? Arbeitet ihr auch weniger?
Ursprünglich war das der Plan, ja. Das erste Jahr haben wir jetzt aber erstmal genutzt, um ein bisschen mehr Sicherheit zu haben und die finanziellen Engpässe auszugleichen, die durch die Elternzeiten entstanden sind. Zukünftig wollen wir das Geld, das übrig bleibt, aber noch mehr dafür nutzen, Zeit miteinander verbringen – Ausflüge machen und gemeinsam reisen. Das machen wir jetzt schon ein bisschen. Wir haben aber auch gemerkt, dass sich unsere Vorstellungen und Erwartungen verändert haben. Also von dem, was wir brauchen, um zufrieden zu sein.
Wie sieht ein normaler Tag bei euch aus?
Unser Alltag sieht wahrscheinlich ähnlich aus wie bei anderen Großfamilien. Ein wildes Getümmel am Morgen, bei dem wir mit allen möglichen Stimmungen jonglieren müssen. Nach der Schule bringen die Kinder ihre Freund*innen zum Spielen mit oder wir verbringen gemütliche Familiennachmittage. Ab den ersten wärmeren Temperaturen sind wir immer viel im Garten – unser zweites Wohnzimmer. Die Ruhe dort ist einfach unbezahlbar, obwohl wir mitten in der Stadt leben.
Spannend ist auch, dass sich unser Alltag ganz normal anfühlt. Also wir merken nicht immer bewusst, dass wir in einer kleinen Wohnung leben. Manchmal nerven wir uns, weil wir alle aufeinander hängen, aber das war in der großen Wohnung auch schon so.
Was bedeuten Minimalismus und Nachhaltigkeit für dich?
Minimalismus soll Freude machen und Leichtigkeit in unser Leben bringen. Das Schöne dabei ist, dass es keine Regeln gibt, denn wir legen sie selbst fest. So kann ich meiner Leidenschaft, Blumen zu kaufen nachgehen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben, denn sie geben mir im Alltag ein gutes Gefühl und das ist das, was zählt. Nachhaltigkeit bedeutet für mich: ein bewusster und achtsamer Umgang mit den mir zur Verfügung gestellten Ressourcen. Wir geben jeden Tag unser Bestes, so nachhaltig wie möglich zu leben – doch Ausnahmen bestätigen die Regel. ;)
Warum ist euch das so wichtig? Wie habt ihr damit angefangen?
Wir haben schon immer auf Nachhaltigkeit geachtet. Aber 2020 habe ich mir zum ersten Mal meinen ökologischen Fußabdruck berechnen lassen und war schockiert. Denn der war ziemlich schlecht, obwohl wir uns vegan ernähren, selten fliegen und auf Nachhaltigkeit achten. Daraufhin hat es dann angefangen, dass ich mich ganz bewusst damit auseinander gesetzt habe. Ich habe dann in jedem Raum geschaut, was wir verändern können. Zum Beispiel haben wir im Bad normales Duschgel und Shampoo gegen festes getauscht. Müll war bei uns, als fünfköpfige Familie, auch ein großes Thema. Das konnten wir inzwischen total reduzieren. Weil wir weniger kaufen und Lebensmittel oft unverpackt einkaufen. Letztes Jahr haben wir außerdem unser Auto abgegeben. Bei all unseren Bemühungen haben wir aber auch nicht den Anspruch, perfekt zu sein. Die Kinder bekommen zum Beispiel Taschengeld, über das sie frei verfügen dürfen. Und natürlich kaufen sie damit auch mal absolut nicht nachhaltiges Plastikspielzeug. Das ist total in Ordnung.
Was sind die größten Herausforderungen, wenn man in einem Tiny Flat lebt?
Vor unserem Umzug haben wir mehr als die Hälfte unserer Wertgegenstände und Erinnerungsstücke aussortiert. Der gesamte Prozess hat länger als ein halbes Jahr gedauert und sehr viel Energie gefordert. Als wir die große Wohnung endlich abgegeben hatten, ist eine unendliche Last von unseren Schultern gefallen. Seither ist alles so viel einfacher geworden. Natürlich gibt es Herausforderungen im Alltag, Wäsche trocknen zum Beispiel. Aber das sind Kleinigkeiten, die man mit einer guten Routine ausgleichen kann.
Und was sind die schönen Seiten?
Für uns haben der Umzug und der minimalistische Lebensstil eine wundervolle Veränderung in unser Leben gebracht. Wir sind glücklicher und zufriedener denn je und das ist alles was zählt.
Als ihr euch verkleinert habt, habt ihr auch ziemlich radikal ausgemistet. Vielen fällt das ja schwer. Hast du Tipps, wie man anfangen kann?
Beim Ausmisten macht es Sinn, strukturiert vorzugehen. Zimmer für Zimmer, Schrank für Schrank und Schublade für Schublade. Nicht zu viel auf einmal, sonst entsteht schnell Chaos.
Wir haben in drei Kategorien aussortiert: 1. zu verkaufen 2. zu verschenken 3. Müll.
Könnt ihr euch vorstellen, auch in Zukunft so zu leben, wenn die Kinder größer sind? Oder habt ihr andere Pläne?
Ich mache mir oft Gedanken darüber, wie wir in Zukunft leben werden, denn irgendwann werden die Kinder noch mehr Rückzug einfordern und dann wird unsere jetzige Wohnung zu klein sein. Doch egal, wie unser Leben auch aussehen wird, unseren Minimalismus und die Achtsamkeit werden wir mitnehmen.
Was ist das Herausforderndste am Elternsein? Und was ist das Schönste?
Eltern zu sein ist das Schönste und Herausforderndste zugleich. Niemals im Leben bin ich mehr an meine Grenzen gestoßen. Die Kinder holen jeden Tag das Beste aus mir heraus, fordern mich und lassen mich über mich hinauswachsen. Momentan bestimmen hauptsächlich sie unseren Alltag und das ist vollkommen okay. Doch ich freue mich genauso auf die Zeit ihrer zunehmenden Unabhängigkeit. Dann werde ich die zusätzliche Zeit für mich und unsere gemeinsame Paarzeit genauso genießen, wie jetzt die intensive Zeit als Mutter.
Danke!!
Kathrin und Can mit Rosa (8), Elsa (6) und Nuri (3), April 2022
Fotos: Marta Sekula
Interview: Alicia Metz