Ingrid van Onna mit Jamie und Viggo
Einfach genießen und versuchen, voll im Moment zu sein

Als wir bei Ingrid und Floris ankommen ist die erste Erkenntnis: die beiden haben nicht aufgeräumt, wie sympathisch! Überhaupt: ist das eine tolle Familie. Unprätentiös, echt, lustig. Floris und Ingy haben 2011 Amazingy und HIRO Cosmetics gegründet – wie schafft man das, so entspannt zu bleiben, wenn man nebenbei noch ein Start-up mit vielen Mitarbeitern führt? Flexible Arbeitszeiten, die Prioritäten richtig setzen und eine große Portion Humor, das scheint der Schlüssel zu sein. Und Ingrid, die von allen nur Ingy genannt wird und auch Namensgeberin von “Amazingy” ist, erzählt uns im Interview außerdem eine Menge über Kosmetik, Stillen, die Liebe und die Kinder. Tolle Frau!

Liebe Ingrid, was hat euch nach Berlin geführt?

Ursprünglich die Musik! Wir waren damals noch ein DJ-Duo und wollten eigentlich nur drei Monaten in Berlin bleiben, zum Produzieren und Auflegen. Aber dann waren wir sofort verliebt in die Stadt – und wollten nicht mehr weg.

Ziemlich schnell war klar, dass ihr etwas Neues starten würdet – warum ist es Naturkosmetik geworden?

Ja, nach sieben Jahren Rock’n’Roll- und Partyleben hatten wir tatsächlich das Gefühl, dass es Zeit für ein neues Abenteuer war. Gleichzeitig wurden wir umweltbewusster, achteten mehr darauf, was wir essen, begannen, weniger Verpackungen zu verwenden, und so weiter. Und ich entdeckte, wie viel böses Zeug konventionelle Kosmetik enthält, also habe ich angefangen, natürliche Hautpflege und Make-up zu benutzen. Allerdings habe ich das meiste davon in Großbritannien bestellt und Floris fragte: warum bestellst du nicht in Deutschland? Nun, der Grund dafür war, dass ich einfach nicht die Qualität und die Farben finden konnte, die ich wollte. Zum Beispiel liebe ich hellblauen Eyeliner, den gab es einfach nicht als natürliche Variante. So entstand die Idee für HIRO Cosmetics: eine Naturkosmetikmarke ohne Kompromisse bei Qualität und Farben.

Es war wirklich schwer, einen Namen zu finden, weil fast alle von uns entwickelten Namen bereits registriert waren. Eines Nachts sahen wir uns die Show Heroes an, und einer der Charaktere hieß Hiro. Und wir sagten – F*ck it, wir nennen es einfach HIRO. Auf Japanisch bedeutet Hiro aufgeschlossen, großzügig, mutig – und so weiter zu sein. Ist es nicht toll, dass das alles das gleiche Wort ist? Das Wort passt, weil wir die Dinge anders machen wollten, nicht nur eine neue Marke, sondern wir wollten auch einen Teil der Einkünfte an eine kleine Wohltätigkeitsorganisation spenden. Also begann ich, einen Businessplan zu schreiben, und wir recherchierten weiter. Damals entdeckten wir viele große Bio- und Naturkosmetikmarken, die meist in Deutschland oder gar Europa nicht erhältlich waren. Nach einigen Monaten waren wir schon ziemlich weit mit HIRO -und wir dachten: wie um alles in der Welt wollen wir eine Marke verkaufen, die niemand kennt, ohne Marketingbudget und mit wenig Deutschkenntnissen? Dann dachten wir, anstatt einen HIRO-Shop zu eröffnen, würden wir einen Laden eröffnen, in dem wir auch andere Marken verkaufen. Marken, die bereits da draußen waren und von den Leuten vielleicht gesucht wurden, aber hier noch nicht verfügbar waren.

Schon lange vor diesen Ideen, hatte Floris mir mal zu meinem Geburtstag den Domainnamen Amazingy.com geschenkt, um meinen eigenen Blog zu starten. Ingy ist mein Spitzname und jeder nennt mich so. Wie auch immer, nachdem wir an 100 Namen für den Shop gedacht hatten, fiel uns auf: Wir würden den Laden einfach Amazingy nennen! Und unser Blog würde Amazingy Magazin heißen.

Eine tolle Geschichte. Mittlerweile habt ihr 26 Mitarbeiter – wow!

Ja, ich kann es selbst immer noch manchmal nicht glauben. Das war auch gar nicht geplant! Ich denke, es muss viel damit zu tun haben, dass wir zur richtigen Zeit angefangen haben, und vielleicht auch damit, dass wir Niederländer sind. Wir haben alles ein wenig anders gemacht als die anderen Shops – unser Design war viel frischer, die anderen waren damals hauptsächlich braun und grün. Außerdem haben wir am Anfang einfach sehr hart gearbeitet. 14-Stunden-Tage waren keine Ausnahme – wir haben alles selbst gemacht, von der Erstellung der Website über das Design, bis hin zur Verpackung der Bestellungen.

Der Erfolg hat sicher damit zu tun, dass wir zur richtigen Zeit angefangen haben - und vielleicht auch damit, dass wir Niederländer sind.

Amazingy wuchs sehr organisch. Angefangen haben wir mit einer Bestellung pro Woche, dann drei, dann 30 und so weiter. Es war eine tolle Zeit – wir haben die Pakete jeden Tag selbst zur Post gebracht, zuerst jedes einzelne Paket, dann in Säcken und irgendwann mit einem Bollerwagen. Wir hatten viel Spaß mit den Leuten bei der Post. Bis – ich glaube, es war etwa zwei Jahre nach unserem Start, uns irgendwann DHL anrief und sagte: “Hey, wir sehen, dass Sie viel versenden – warum holen wir die Pakete nicht bei Ihnen ab?” Und wir sagten: „Oh, ist das möglich?“ Haha!

Es war das Gleiche mit den Marken, die wir verkaufen – wir haben mit drei Marken angefangen und immer wieder eine neue hinzugefügt, wenn wir etwas Geld hatten.

Bist du ein Kosmetik-Crack und benutzt du selbst auch nur natürliche Produkte?

Also ich kenne mich mittlerweile sehr gut aus, würde ich sagen aber Floris ist wirklich eine Beauty Enzyklopädie! Wir beiden haben über die Jahre unglaublich viel gelernt und lernen immer noch. Und ja, klar ich benutze nur noch natürliche Produkte.

Dein Mann und du, ihr habt nicht nur zusammen gegründet, ihr arbeitet bis heute zusammen bei Amazingy. Entsprechend viel seid ihr zusammen, wie ist das denn so?

Ja, unsere Firma war unser erstes Baby. Ich liebe es, zu arbeiten und mit Floris zusammen zu sein. Weil wir zusammen arbeiten, haben wir immer etwas zu besprechen. Wir können leidenschaftlich über unsere Arbeit sprechen und sind beide sehr interessiert und engagiert. Die besten Ideen entstehen auch immer dann, wenn wir gemeinsam über das Unternehmen sprechen, z.B. wenn wir ohne die Kinder Abendessen gehen, was aber ehrlich gesagt nicht oft genug passiert!
Wir nerven uns auch nicht gegenseitig, niemals. Wir beide lieben es, alleine zu sein, aber wenn wir nur zu zweit sind, fühlt es sich auch fast an, als wären wir alleine – und das auf eine gute Weise.

Wie hat die Geburt deines ersten Sohnes dich und eure Beziehung verändert?

Weniger wilde Nächte und weniger Sex! Haha! Ja, also natürlich hat das viele Dinge verändert, aber die Art und Weise, wie wir für einander fühlen und aneinander denken, hat sich nicht verändert. Wir sind ein Team – und waren schon immer ein Team. Wir stellen uns allem gemeinsam und nur gemeinsam können wir uns allem auch stellen. Wir sind zusammen viel gewachsen – wir versuchen immer, offen für Neues zu sein, zu lernen und uns zu entwickeln. Im Moment sprechen wir zum Beispiel viel darüber, wie wir die Kinder großziehen. Wir wollen da neue Wege gehen. Genauso wie wir das Unternehmen führen, dort arbeiten wir mit kleinen, selbstverwalteten Teams und ohne echte Regeln. Alle Menschen können bei uns Entscheidungen treffen.

Wir war das als Kind Nummer zwei kam? Hat das alles auf den Kopf gestellt?

Ja und nein. Klar, die Babyphase war nicht einfach und ich bin mega froh, dass das hinter uns liegt. Aber anderseits habe ich mit Viggo viel mehr genießen können. Ich war nicht so erschöpft wie bei Jamie. Unsere Firma war viel mehr gewachsen und in guten Händen. Damals mit Jamie war es unglaublich hart. Floris war mega im Stress, weil wir genau zu der Zeit unglaublich gewachsen sind und wir hatten nur zwei Mitarbeiterinnen. Dazu der Erstes-Kind-Stress: mache ich alles richtig? Ich bin sehr dankbar, dass wir und trotzdem für ein zweites Kind entschieden haben, um so alles noch mal mitzumachen, aber eben in einer viel lockereren Atmosphäre. Manchmal denke ich: „Oh my, die zwei…“ Floris und ich sind beide alleine aufgewachsen und kennen uns nicht so gut aus mit diesem Geschwister-Ding! Aber wir lernen und mittlerweile geht Jamie auch oft zu Freunden zum Spielen und dann genieße ich wieder die Zeit nur mit Viggo.

Floris und ich sind beide alleine aufgewachsen und kennen uns nicht so gut aus mit diesem Geschwister-Ding!

Bist du schnell wieder eingestiegen nach der Geburt, oder konntest du dir Elternzeit nehmen?

Ich habe die komplette Elternzeit genommen und sogar noch ein bisschen mehr. Jamie und Viggo sind erst mit 20 bzw. 22 Monaten in der Kita eingewöhnt worden und wenn es wirklich notwendig war, hatten wir Unterstützung von Babysittern, die übrigens jetzt bei uns in der Firma arbeiten. Ich wollte bei Viggo nach 12 Monaten wieder starten, aber habe die Kita-Eingewöhnung dann doch abgebrochen. Es hat sich einfach nicht gut angefühlt. Er konnte noch nicht laufen, wollte zur Bringzeit immer noch mal schlafen und mit dem Stillen ging das auch nicht so einfach. Dann habe ich mich gefragt: ok, was sagt dein Gefühl? Und das sagte: Abbrechen. Es war keine einfache Entscheidung weil ich auch gerne wieder voll bei Amazingy eingestiegen wäre, aber family first…

Und es war für uns beiden letztendlich gut so. Wir haben die extra Monate sehr genossen, sie gingen super schnell vorbei, wir waren noch 6 Wochen in Valencia und ich wusste auch: das ist jetzt meine letzte Elternzeit. Letzten August haben wir dann erneut gestartet und die Eingewöhnung ging super. Seitdem bin ich wieder Vollzeit dabei und das macht auch wieder unglaublich viel Spaß.

Du bist eine der entspanntesten Langzeit-Stillenden, die ich kenne. Hast du dazu überhaupt eine Meinung, oder folgst du einfach deinem Herzen?

Also dazu muss ich zuerst mal sagen, dass Stillen verdammt schwierig ist, das hatte ich nicht erwartet. Man denkt, so etwas Natürliches – das stimmt, aber so von selbst und entspannt wie es bei mir jetzt geht – so war das am Anfang bei beiden Jungs auf gar keinen Fall.  Es war sogar ein richtiger Kampf! Am Ende habe ich Jamie drei Jahre lang gestillt und man sollte denken, danach wäre ich geübt, aber: nope. Bei Viggo war es wieder ganz schwierig am Anfang, richtig krass. Beide Geburten waren Kaiserschnitte und wenn ich Floris nicht an meiner Seite gehabt hätte, dann hätte ich es bestimmt nicht geschafft. Er hat mich immer unterstützt und motiviert. Bei Jamie hatten wir auch eine Stilberaterin und bei Viggo musste das Zungenbändchen durchgeknipst werden, als er zwei Wochen alt war. Aber dann fing das entspannte Stillen an – und bevor ich darüber nachdenken konnte waren wir bei sechs Monaten. Als ich mit Jamie schwanger war, dachte ich: mit sechs Monaten fangen wir mit Brei an.

Stillen kann schwierig sein. Bei uns war es zwei Mal ein richtiger Kampf!

Aber Jamie wollte bis er 10 Monate alt war, kaum etwas essen! Und so waren wir schnell bei einem Jahr. Dann ging es einfach weiter, klar habe ich mal gedacht: soll ich nicht abstillen – dann hätte ich mehr Freiheit, aber dann war Jamie mal wieder krank und das Einzige was er sich wünschte, war die Brust. Und so verging die Zeit. Nachts habe ich mehrmals versucht, abzustillen – ohne Erfolg, bis meine Zahnärztin meinte: Ingrid schlaf doch einfach irgendwo anders, dann klappt das. Sie hatte Recht! Nach zwei Nächten hat er durchgeschlafen. Jamie hat sich dann von selber abgestillt, als ich wieder schwanger war. Bei Viggo haben wir schon mit eineinhalb angefangen, ihn nachts abzustillen, weil ich nicht mehr konnte. Er war davor alle 1,5 Stunden wach. Jetzt stillt er einfach nach Bedarf und ich genieße es unglaublich, weil ich auch weiß, dass es das letzte Mal ist. Meine Meinung zum Stillen ist ganz klar: Jeder muss für sich entscheiden aber ich würde immer empfehlen, es zu versuchen und wenn es am Anfang schwierig ist, holt euch Hilfe! Es lohnt sich, ich empfand es wirklich als sehr praktisch, nie eine Flasche machen zu müssen – auch auf Reisen ist es so bequem. Und „Langzeitstillen“… Das ist ein lustiges Wort, weil alle Säugetiere langzeitstillen und Langzeitstillen insofern ja eigentlich Normalzeitstillen ist! Ich verstehe trotzdem, dass das nicht für Jeden ist. Es muss zu dir passen, sobald es für dich stressig wird, dann hör lieber auf! Wenn man nicht mehr entspannt damit ist, dann muss man gut überlegen, ob es noch Sinn macht. Viggo will im Moment noch auf gar kein Fall aufhören, ich frage ihn ab und zu: willst du vielleicht was anderes trinken und dann sagt er ganz klar: “Nein bäh!“ hahaha. Also wir machen noch ein bisschen weiter. Was ich noch sagen wollte: ihr Deutschen habt so ein schönes Wort dafür. „Stillen“ den es ist ja eben nicht nur Milch geben, sondern auch beruhigen und gerade wenn die Kinder größer sind, dann geht es vor allem darum. Wobei ich auch daran glaube, dass es einfach gesund ist, ich habe erst letztens gelesen, dass Muttermilch erwiesenermaßen hilft, wenn das Kind zum Beispiel ein Virus hat. Also das ist doch wunderschön!

Wie würdest du deine Söhne beschreiben?

Auf der einen Seite sind sie sehr unterschiedlich – aber anderseits auch wirklich Geschwister. Jamie ist unser sensibler, zarter Junge – aber er weiß auch, was er will. Viggo ist der Frechdachs! Beide haben eine starke Persönlichkeit und beide sind immer fröhlich – ich habe ja auch viel Schokolade gegessen, als ich schwanger war! Haha!

Beide haben eine starke Persönlichkeit

Was macht ihr am Liebsten, wenn ihr Family-Time habt?

Einen langen Spaziergang im Park mit Teich und Enten, oder wir gehen in den Wald – einfach draußen sein. Oder im Sommer bei uns im Garten rumhängen – herrlich. Einfach beobachten, was die Jungs machen und das mit Floris zusammen genießen und versuchen, voll im Moment zu sein.

Wie sieht ein typischer Tag bei euch aus?

Wir werden wach dank unseres Weckers namens Viggo. Das heißt zwischen 6.30 und 7 Uhr. Die Jungs dürfen dann kurz fernsehen, während ich das Frühstück mache und Floris die erste Ladung Arbeit erledigt. Wir frühstücken immer zusammen und mit viel Essen: Eier, Gemüse, Brot, Nüsse, alles ist dabei. Dann bringt Floris die Jungs in die Kita und ich fange zu hause an zu arbeiten. Wenn Floris zurück ist, laufen wir gemeinsam ins Büro. Um 16 Uhr hole ich dann die beiden Jungs wieder ab und Floris arbeitet noch von zu hause aus weiter. Einer von uns kocht – aber meistens ich, ich liebe kochen – und so gegen 18.30 essen wir und besprechen den Tag. Dann wird noch was gespielt und gelesen, die Jungs gebadet und dann bringen wir beide je ein Kind gleichzeitig ins Bett. Wenn wir Glück haben, ist um 20.30 Ruhe und dann haben wir Zeit zu zweit: Serien gucken auf der Couch und ein Tee oder Rotwein. Gegen 22 Uhr versuchen wir, ins Bett zu gehen, wir brauchen beide viel Schlaf!

Was ist das Nervigste am Mama-sein?

Was mich ab und zu nervt, ist dass die Spontanität nicht mehr da ist, also im Sinne von spontan irgendwo hingehen. Alles muss geplant werden und da wir auch keine Familien in Berlin haben, waren wir zum Beispiel noch nie eine Nacht zur zweit weg. Aber wenn die Jungs größer sind, dann kommt das bestimmt wieder zurück.

Und was das Schönste?

Das Schönste ist unbedingt der Spiegel, den die Kinder einem vorhalten. Sie sagen immer ehrlich, was sie von etwas halten und sie leben immer im Hier und Jetzt – ich finde es faszinierend!

Danke, Ingy!

Ingrid van Onna mit Jamie (5) und Viggo (2), November 2018

Fotos: Julia Luka Lila Nitzschke

Interview: Isabel Robles Salgado