Laura ist eine Powerfrau, wie sie im Buche steht. Aus dem Nichts, alleinerziehend und ohne die eigentliche Ausbildung gemacht zu haben, erschuf sie innerhalb der letzten Jahre ein Catering-Unternehmen für kreative Tischkonzepte, das heute mehrere Angestellte hat und Riesen-Events bewirtet. Und das mit damals 25! Nebenbei und zwischendrin bekam sie ein weiteres Kind, lebt heute in einem Patchwork-Modell. Wie das alles zusammengeht, wo ihre Grenzen sind und was das Junge-Mutter-Sein für Vor- und Nachteile hat, das erzählt uns Laura im Interview!
Laura mit Erik und TildaMeine größten Fehler waren meine besten Lehrmomente!
Liebe Laura! Wir fangen so an, wie wir immer anfangen: Wo kommst du her, wie war deine Kindheit?
Aufgewachsen bin ich in der idyllischen fränkischen Schweiz. Meine Kindheit würde ich als sehr wild und abenteuerlich bezeichnen. Ich erinnere mich an unendlich viele Tage, an denen ich mit meinen Geschwistern oder Freundinnen durch die Felder zog und wir alles um uns herum vergessen haben. Endlose Sommerferien am Badesee, Baumhäuser und Lager im Wald, Schlittenfahren bis Hände und Füße vor Kälte taub sind. Manchmal frage ich mich, welche Erinnerungen meine Kinder, die in der Großstadt aufwachsen mit sich tragen werden, wenn sie erwachsen sind.
Meine Kindheit war aber nicht nur Idyllisch, als Tochter einer alleinerziehenden Mutter, die noch dazu im sehr konservativen Süddeutschland in der “falschen” Partei aktiv war, mussten wir uns selbst als Kinder vielen Vorurteilen und Anfeindungen aus der Nachbarschaft oder gar Schule ausgesetzt fühlen.
Interessant. Und wie ging es weiter, wie kamst du zum Kochen und zum Catering?
Mit 21 habe ich mich für eine Ausbildung als Ergotherapeutin entschieden. Die Schule war privat und dementsprechend teuer. Um meinen Lebensunterhalt zu finanzieren habe ich nachts in Bistros und Restaurants gearbeitet. Die handwerkliche Arbeit, das Team aber vor allem die Atmosphäre, die erschaffen wird um dem Gast einen schönen Abend zu gestalten, hatte es mir ziemlich schnell angetan. Mit 23 hat mich mein Herz dann nach Berlin geführt. Aus der Liebe wurde nichts, aber die Stadt hat es gut mit mir gemeint und mir viele Türen geöffnet. Eine Sache, für die ich Berlin so sehr schätze und für die ich bis heute dankbar bin, ist die Offenheit und das grundsätzliche Interesse an dem, was du machst und deinen Träumen. Nach meinem abgeschlossenen Staatsexamen in Ergotherapie bin ich mit zwei Partnern erst einmal ins Weinbusiness eingetaucht. Wir hatten eine kleine gemütliche Weinbar am Maybachufer. Und gemütlich hatte es sich direkt auch ein kleiner Wurm in meinem Bauch gemacht. Mein Sohn Emil kam kurz darauf zur Welt. Alle Pläne in Sachen Kinderbetreuung, die wir noch hoch optimistisch in der Schwangerschaft geschmiedet hatten, sind dann aber ganz anders verlaufen als erhofft. So geht es wahrscheinlich vielen jungen Eltern. Und so habe ich schließlich mit einem weinenden Auge das Projekt Weinbar an den Nagel gehängt. Mit einem kleinen Sohn, einer zerbrochenen Partnerschaft und ohne Job musste ich schnell kreativ werden. Kochen wollte ich ganz klar, aber in einem Restaurant war das nicht mehr möglich. So habe ich angefangen, erst mal für private Anlässe aber auch für Foto- und Videoproduktionen zu kochen. Das ging richtig gut und schnell kam ich den ganzen Anfragen nicht mehr hinterher. Nach einem Jahr hatte ich mir aus den Einnahmen eine professionelle Küche und mein erstes kleines Team zusammen gestellt.
Und mittendrin hast du dann noch ein zweites Kind bekommen…
Ja. Die zweite Schwangerschaft war nicht geplant und ehrlich gesagt war sie für mich erst mal ein harter Schlag. Immerhin war da ein Unternehmen, das viel Pflege und Fürsorge brauchte und ein weiteres Kind! Ich fühlte mich von meinem Schicksal regelrecht betrogen.
Rückblickend bin ich jedoch sehr dankbar für die Schwangerschaft und Geburt meiner Tochter. Ich hatte gelernt, Aufgaben abzugeben und mir ein Team aufzubauen. Und im ersten Jahr mit meiner Tochter habe ich trotz gemeinsamer Elternzeit meine Firmenumsätze verdreifachen können!
Mittlerweile macht ihr richtig fette Produktionen, die mit viel Arbeit und damit auch mit „familienunfreundlichen“ Arbeitszeiten einhergehen. Wie organisiert ihr euch?
Den großen Vorteil, den wir haben ist, dass mein neuer Partner und ich gemeinsam an diesen Projekten arbeiten. Wir sind quasi eine Arbeitskraft in zwei Körpern und non stop ersetzbar. Wenn der eine arbeitet, ist der zweite mit den Kindern. Für Veranstaltungen, an denen wir gemeinsam vor Ort sein wollen, haben wir noch Ute, unsere wunderbare Babysitterin. Ich will es aber nicht zu schön reden. Oft haben gerade wir als Verantwortliche unseres Unternehmens sehr, sehr lange Arbeitszeiten hinter uns, und nach viel zu wenig Schlaf am nächsten Morgen der ausgelassene und liebevolle Elternteil für unsere Kinder zu sein ist oft herausfordernd.
Arbeit, Familie, Partnerschaft – ist gute Organisation das Geheimnis?
Das ist eine sehr gute Frage, auf die ich gerade auch keine Antwort geben kann. Ich habe hohe Erwartungen: eine erfolgreiche Unternehmerin zu sein, den Bedürfnissen meiner Kinder gerecht werden, eine moderne und offene Beziehung zu führen, meine Freundschaften zu pflegen und dabei selbst nicht zu kurz zu kommen. Das schaffe ich selten. Vielleicht liegt es daran, dass ich eine junge Mutter bin und diese gewisse Ruhe bei mir noch nicht eingetreten ist. Ich bin ziemlich rastlos. Ich backe sonntags mit meinen Kleinen Pancakes und wir hören Kinderlieder von Frederick Vahle. An sich wunderschön und idyllisch, wäre da nicht die Stimme in meinem Ohr, die mir sagt, dass es ja schon auch schade ist, so lange nicht mehr im Berghain tanzen gewesen zu sein sonntags. Die Wahrheit, liebe Leser*innen: meine Wohnung ist niemals so aufgeräumt wie auf diesen Bildern, wie Sisyphos stehe ich jede Woche vor meinem Wäscheberg, der niemals kleiner werden möchte und ja, meine Kinder habe ich auch schon vor dem Laptop abgesetzt und Mausclips ansehen lassen, um eine wichtiges Businesstelefonat in Ruhe führen zu können. Aber letztens meinten zwei meiner kinderlosen Jugendfreundinnen bei einem Glas Wein, dass sie sich damals eine Mutter wie mich gewünscht hätten. Das war das Schönste und motivierendste Kompliment, das ich bekommen konnte. Zurück zur Frage: Organisation könnte sicher sehr hilfreich sein, ich versuche allerdings in erster Linie, einfach locker zu bleiben und diesen ganzen Spagaten an Bedürfnissen mit Humor zu begegnen.
Fragen sicher alle aber: kochst du zuhause auch gerne? Essen deine Kinder, was du kochst?
Ich würde gerne mehr zuhause kochen, allerdings sind meine Kinder sehr sehr wählerisch. Ich würde sagen, ich habe diesen Kampf verloren und ergebe mich den Nudelgerichten an 5 Tagen die Woche!
Du kommst selbst aus einer linksliberalen Patchwork-Familie, inwiefern hat dich das geprägt?
Ja genau. Aufgewachsen bin ich mit drei meiner Geschwister bei meiner Mutter. Ich habe sehr großen Respekt vor ihr. Sie hat uns mit Liebe und Achtung erzogen. Allerdings muss ich auch sagen, dass mir mein Vater als Kind sehr gefehlt hat. Für meine Kinder wünsche ich mir, dass wir Eltern unseren Schmerz und unsere Enttäuschungen nicht auf den Schultern unserer Kinder austragen. Ich möchte ihnen ein festen und sicheren Ort schaffen, an dem Sie sich entfalten und wachsen können. Und ich wünsche mir für meine Kinder, dass sie mutig sind.
Mutig zu sein, aber auch für das Recht anderer Einzustehen, das hat unsere Mutter uns nämlich stets ans Herz gelegt.
Und jetzt lebst du selbst auch Patchwork – wie ist das geregelt?
Ja, ich lebe nicht mehr mit dem Partner meines großen Sohnes zusammen. Wir teilen uns die Betreuung in zwei bis drei Tages-Intervallen. An manchen Wochenenden organisieren wir gemeinsame Ausflüge, im letzten Jahr waren wir sogar mit Erik zusammen für eine Woche im Urlaub. Ob dieses Betreuungsmodel noch so gut funktionieren wird, wenn Erik nächstes Jahr in die Schule geht, wird sich zeigen. Sollte er Bedürfnisse nach mehr Konstanz äußern, möchte ich diese auf jeden Fall ernst nehmen. Gerade bin ich aber sehr froh um die liebevolle und enge Beziehung, die er mit seinem Vater hat, wahrscheinlich auch aus dem Grund, dass ich das aus meiner Kindheit nicht kenne.
Du bist jung Mutter geworden, wie war das?
In meinem Freundeskreis war ich damals die erste Mutter. Während meine Freunde alle am Arbeiten oder Studieren waren, habe ich die Tage mit Stillen und Spaziergängen verbracht. Ich habe mich schon sehr isoliert gefühlt. Andere Mütter, die oft viel älter als ich waren, sind mir damals auch oft mit einer gewissen Distanz begegnet. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass schlaflose Nächte etc. an mir etwas spurloser vorüber gegangen sind.
Heute genieße ich es, dass ich mich noch nicht so alt fühle. Ob das jetzt an meinem Alter liegt oder meiner Persönlichkeit, weiß ich nicht, aber meine Kinder lieben es sehr, wenn ich mich mit ihnen gemeinsam zum Affen mache, das kleine Kind in mir selbst raus lasse und wir einfach nur Quatsch im Kopf haben.
Der Vater meiner Tochter Tilda und aktueller Partner ist 37 Jahre, ich beneide ihn für seine Gelassenheit und Ruhe in anstrengenden Situationen. Und ich beneide ihn dafür, dass er diese Angst etwas zu verpassen nicht mehr in sich trägt.
Es hat also alles mal wieder Vor- und Nachteile!
Wenn du könntest: würdest du alles noch mal genauso machen, oder was würdest du deinem ICH aus der Vergangenheit raten?
Nein, ich würde alles genau so wieder machen! Meine größten Fehler waren meine besten Lehrmomente!
Wie sieht ein typischer Tag bei euch aus?
Den gibt es tatsächlich nicht. Aber ein optimaler Tag sähe so aus:
6.30 Aufstehen, Tilda will Müsli, Emil kommt um 7.00 aus seinem Kinderzimmer getappst und setzt sich zu uns an den Frühstückstisch. Wir haben genug Zeit, die Kinder gemeinsam zur Kita zu bringen. Anschließend einen kurzen Zwischenstopp im La Isla für Kaffee Nummer zwei und die kommenden Tage besprechen. Dann geht meist einer in die Küche und der andere ins Büro. Um 15 Uhr werden die Würmer von einem von uns aus der Kita abgeholt und wir verbringen den Nachmittag in der Hasenheide auf dem Spielplatz mit Eis und Freunden.
Am Abend kommt mein Partner aus der Küche, wir ergeben uns den kulinarischen Vorstellungen unserer Kinder und Kochen Nudeln mit Tomatensoße. Leider schon alles viel zu spät geworden, weil der Tag so schön im Park war, dass wir nicht mehr in die Badewanne können und nach dem Essen um 20.00 direkt Zähneputzen, Bücher lesen und ab ins Bett.
Babyphone an und schnell noch ein Feierabendbier auf der Straße vor unserer Wohnung trinken.
Wie würdest du deine Kids beschreiben, sind sie sich ähnlich?
Meinen Sohn würde ich als klug, sehr sensibel und wissbegierig einstufen. Er liebt Bücher und Geschichten, fantasiert sich gerne in diese Welten.
Meine Tochter ist stur, laut und frech. Gerade entwickelt sie eine sehr große Leidenschaft für Taschen, sei es auch nur ein zerknitterter Jutebeutel, irgendwas muss immer um die Schulter, um Spielsachen, Schnuller oder auch mal ne Hand voll Sand zu transportieren
Gemeinsam sind sie das liebevollste und zärtlichste Geschwisterpaar, das ich mir nur wünschen kann. Erik ist sehr geduldig und aufmerksam mit ihr, sie vergöttert ihn.
Oh, das klingt schön. Wann bist du besonders gerne Mutter?
Wenn ich Zeit für sie habe, keine endlosen To-Dos in meinem Kopf schwirren und wir einfach Quatsch machen können. Wenn wir mal nichts vor haben, außer am Samstag Croissants auf dem Wochenmarkt zu kaufen, wenn ich Zeit habe, mir die Geschichten meines Sohnes anzuhören und wenn meine Tochter mich mit ihren kurzen Armen umschlingt und liebevoll streichelt. Wenn sie vor lauter Lachen Schluckauf bekommt und wenn ich beide in der Nacht noch einmal zudecke und ihre friedlich schlafenden Gesichter betrachte.
Und wann nervt es auch ein bisschen?
Wutausbrüche an der Supermarktschlange, die dritte Erkältung aus der Kita obwohl Weihnachten erst vor der Tür steht. Sechs Uhr morgens am Küchentisch mit Kindertränen, weil ich gestern das falsche Müsli besorgt habe und der erste Kaffee noch nicht durch die Maschine gelaufen ist.
Danke, Laura!
Laura mit Erik (5) und Tilda (21 Monate), August 2018
Fotos: Anne Freitag
Interview: Isabel Robles-Salgado