Deborah Choi mit Celia
Deborah hat ganz schön viel zu erzählen – ein sehr bewegtes Leben an vielen unterschiedlichen Orten und mit vielen unterschiedlichen Aufgaben. Und trotzdem oder vielleicht gerade deshalb hat sie ein sehr stetiges, ruhiges Wesen. Deborah hat eine dreijährige Tochter, ist teilerziehend, wohnt in Berlin und hat neben eines Vollzeitjobs gerade noch ein internationales Startup gegründet. Ich hatte viele Fragen an Deborah – eine Frau, die mich wirklich beeindruckt hat!
(Scroll down for English version)

marie |
Liebe Deborah! Du hast eine drei Jahre alte Tochter. Ursprünglich kommst du aus Nigeria, bist aber in den USA aufgewachsen. Wie kommt es, dass du jetzt in Berlin wohnst? |
Genau, ich bin in Nigeria geboren, aber dann ist meine Familie als ich drei war, in die USA ausgewandert. Aufgewachsen bin ich dann mitten in Amerika, aber die dörfliche Umgebung dort hat sich nie wirklich wie ein Zuhause angefühlt. Sobald ich alt genug war, bin ich nach Chicago gezogen um dort zu studieren. Danach ging es nach New York… Ich komme also irgendwie von vielen Orten… Ich bin dann nach von Zürich aus nach Berlin gezogen. In Zürich habe ich nämlich meine Tochter bekommen und dort auch einige Zeit lang mit ihrem Vater gewohnt. Ich wusste, dass es wichtig war, in Europa zu bleiben, damit meine Tochter ihre beiden Elternteile hat. Aber in Zürich war ich nicht glücklich. Nie hätte ich dort die starke und glückliche Mama für meine Tochter sein können, die ich gerne sein möchte. Deshalb habe ich angefangen, mich zu erkundigen, mit vielen Freunden gesprochen, um herauszufinden, wo in Europa das Familien- und Arbeitsleben gut funktionieren könnte – und wo es auch genug Diversität gibt. In Berlin gab es all das, als meine Tochter 11 Wochen alt war, sind wir umgezogen. Am Anfang schien Berlin also auf dem Papier perfekt zu sein, aber es hat eine Weile gedauert, bis es sich auch im Herzen richtig angefühlt hat… |
Am Anfang schien Berlin also auf dem Papier perfekt zu sein, aber es hat eine Weile gedauert, bis es sich auch im Herzen richtig angefühlt hat… |
marie |
Wie erging es dir in New York, bevor du Mutter wurdest? Vermisst du die Stadt manchmal? |
NYC war der erste Ort, an dem ich mich wirklich Zuhause gefühlt habe. Es ist keine einfach Stadt, aber ich schätze sie auch dafür. Glück, Scheitern und neue Möglichkeiten – sind immer gleich um die Ecke. Und das macht New Yorks „edge“ auch aus, den manche “die besondere Energie” nennen. In New York hatte ich wirklich das Gefühl, alles ist möglich, solange man hart und clever genug dafür arbeitet. Ich habe dort viele verschiedene Leidenschaften und Karrieremöglichkeiten verfolgt. Eine davon war lustigerweise, wie passend zu Little Years, matermea.com, ein Online-Medium, in dem es um Mutterschaft, Women of Colour und Karriere ging. Damals kam es mir so mysteriös vor: Wie wippen Frauen all das in einer Stadt wie NYC? Unsere Leserinnen interessierte das auch und so hatten wir noch gar nicht langer Zeit eine große Followerschaft und interessante Kooperationen (zum Beispiel mit der Huffington Post). |

marie |
Was hast du in New York beruflich gemacht? |
Ich hatte verschiedene, meist ziemlich „coporate“, Anstellungen in NYC im Bereich Mode und Medien, aber ein Großteil meiner Arbeit war eigentlich der Launch und das Aufbauen einer Innovationsagentur names Bright Leap. Mein Team und ich haben damals viele Tech-Startups und internationale Accelerator bezüglich ihrer US-Expansion und Marketingstrategien beraten. Sie kamen aus aller Welt: Asien, Südamerika, Israel. Es hat mir ungeheuer viel Spaß gemacht! Und ich konnte viel von meiner Erfahrung als Entrepreneur weiter geben, damals hatte ich das Magazin BusinessWeek sogar als top entreprenuer under the age of 25 nominiert). |
marie |
Hier in Berlin hast du nun eine Festanstellung und trotzdem noch dein eigenes Startup gegründet. Wann machst du das alles? Arbeitest du viel abends? |
Ja, mit meinem Umzug nach Berlin habe ich auch die Selbstständigkeit verlassen – aus ganz praktischen Gründen. Gleichzeitig wusste ich aber auch, dass eine Festanstellung nur temporär sein würde: Berlin sollte zu meinem persönlichen aber auch professionellen Zuhause werden. Und ich brauchte etwas Zeit um Ideen für mein Startup zu finden – und welche Möglichkeiten ich hier habe. Das hat mich ein wenig Zeit gekostet, um genau zu sein zwei Jahre! Die Idee zu meinem Startup Horticure hat mich dann nicht mehr in Ruhe gelassen. Ich hab viel daran gedacht, wie wichtig Draußen-Sein und Pflanzen für unser Wohlbefinden und unsere Naturverbundenheit sind – und welche Rolle dementsprechend auch Innenraumpflanzen spielen (besonders weil wir ja 90% unserer Zeit drinnen verbringen). Und dann dachte ich auch daran, wie schwierig es für manche Menschen ist, diese Pflanzen dann auch am Leben zu halten. Am Anfang habe ich viel Zeit damit verbracht, zu schauen wo Schwachstellen sind und warum es nicht funktionieren könnte. Aber jeder Artikel, Untersuchungsgutachten, Wirtschaftsumfragen und Statistik bestätigten mir, dass es eine sinnvolle Idee ist. Daran gearbeitet habe ich wann immer es mir möglich war; Ganz früh am Morgen, in der Mittagspause, jedes zweite Wochenende wenn meine Tochter bei ihrem Vater war. Ich musste zu vielen Dingen nein sagen, um Raum zu schaffen für das Projekt. |


marie |
Hört sich an, als hättest du einen sehr engen Zeitplan… |
Ja, es ist eine gute Übung im „Nein“-Sagen. Ich telefoniere oder schreibe eben mehr mit Freunden, als sie zu treffen – die guten Freunde verstehen das. Ich schlafe auch nicht so viel, wie ich gern würde, ich war ewig nicht mehr im Theater und sage bei Drinks nach der Arbeit meistens ab. Meine Zeit fokussiere ich darauf etwas aufzubauen – und Mama zu sein. |
Ich habe in meinem Leben viel Zeit darauf verwendet mich zu assimilieren – und „amerikanischer“ zu werden. Und es gab auch diese Zeiten, in denen ich mich weder nigerianisch noch amerikanisch fühlte… |
marie |
Wie ist deine Beziehung zu Nigeria? |
Ich will gern einmal dorthin zurück mit Celia um ihr alles zu zeigen. Aber erst sobald sie alt genug ist, auch wirklich etwas mitzunehmen von der Reise. Ich schätze so mit fünf. Ich habe dort viel Familie, war aber eben schon seit dem Nigeria mit meiner Familie verließ nicht mehr da. Jetzt bin ich 35 und so langsam merke ich, dass ich stolz darauf bin woher ich komme und, dass ich auch neugieriger werde. Ich habe in meinem Leben viel Zeit darauf verwendet mich zu assimilieren – und „amerikanischer“ zu werden. Und es gab auch diese Zeiten, in denen ich mich weder nigerianisch noch amerikanisch fühlte… |

marie |
Deine Tochter hast du in Zürich zur Welt gebracht – eine Stadt, die du nicht kanntest. Das war wahrscheinlich nicht so einfach? |
Es war sogar ein ziemlich dramatisches erstes Jahr. Ich war in der Schweiz, hatte aber keinen Mutterschutz oder so etwas wie Elternzeit, da ich für ein amerikanisches Unternehmen gearbeitet habe. Deshalb musste ich so ziemlich direkt nach der Geburt wieder arbeiten, auf 50% Basis. Dann schnell wieder auf 80% und bis zum Umzug nach Berlin dann wieder Vollzeit. Das war eine verrückte Zeit. Celia hatte eine Vollzeitnanny. Irgendwie hab ich das Gefühl ich verarbeite dieses erste Jahr immer noch… es gab einfach überhaupt keine Ruhe für mich. |
|
Es war sogar ein ziemlich dramatisches erstes Jahr. |
marie |
Was sind deine Strategien, wenn es mal nicht so gut läuft oder du das Gefühl hast alles wird zu viel? |
Zwei Dinge: Gute Freunde, die zuhören und mit denen man wirklich offen über alles sprechen kann. Und den Gefühlen Raum geben ohne auf sie zu reagieren.. |
marie |
Du teilst dir die Betreuung und das Sorgerecht mit dem Vater von Celia hälftig. Wie ist das für deine Tochter? Und für dich? |
Wir machen das so schon seit zwei Jahren. Am Anfang war es für alle nicht einfach, aber mit der Zeit kommen wir besser klar damit. Ich glaube daran, dass es für meine Tochter die beste Lösung ist: So verbringt sie das Maximum an Zeit gerecht aufgeteilt mit den wichtigsten Bezugspersonen in ihrem Leben. Ich arbeite sehr viel wenn sie nicht da ist, und wenn sie da ist, ist mir die Zeit mit ihr heilig. Diese Balance fühlt sich gut an. |
marie |
Würdest du dich trotzdem als Single Mum beschreiben? |
Während der Trennungsphase von Celia Vater habe ich angefangen mich mit Müttern zu verbünden, die sich selbst als „Single Mum“ beschreiben würden. Jede Single Mum hat eine ganz spezielle Geschichte, deshalb glaube ich dass der Begriff an sich eigentlich nicht ausreichend ist. Deshalb benutze ich neue Begrifflichkeiten: Zum Beispiel „selbstgewählt Single“, Co-Elternschaft, Solo Mamas oder auch parallele Elternschaft. Aber um deine Frage zu beantworten: Es ist kompliziert. Auf der einen Seite treffen wir wichtige Entscheidungen zu zweit und wir sind zeitlebens ein Team. Auf der anderen Seite findet der tägliche Elternablauf eben nicht zu zweit statt – und das ist natürlich schon eine ganz andere Situation, als wenn man zusammen ist und zusammen lebt. |

marie |
Was ist das Anstrengendste am Mama-Sein? |
Der Verlust der Kontrolle: Sei es die Kontrolle, die ich mal über meine Zeit hatte oder eben Celias Sicherheit, über die Möglichkeiten, die ich ihr bieten kann (oder eben nicht) und Verletzungen, gegen die ich sie (nicht) schützen kann. Es ist wirklich eine tägliche Übung und es ist nicht einfach zu kapitulieren, beziehungsweise statt der Kontrolle einfach Vertrauen zu haben. |
marie |
Und was ist das Schönste? |
Die Momente, in denen ich Vertrauen in sie habe und darauf, dass ich gut genug bin – mein Mama-Sein und die Beziehung zu Celia ist ständig im Fluss. Und: Einfach mit ihr sein, sie akzeptieren und mich zu akzeptieren – genau das schafft Raum für so viele schöne Momente. |

Deborah Choi und Ceila (3), Juli 2019. Hier geht es zu Horticure, Deborahs Startup. —– Dear Deborah. You are a mom of a three-year-old daughter. Originally from Nigeria, you grew up in the US. Why did you choose Berlin to raise your child? |