Kennt ihr Lisa Bassenge? Wer Jazz mag, kommt an der Berliner Sängerin nicht vorbei. Lisa singt, seitdem sie ein Teenager ist. Sie war mit ihrem Lisa-Bassenge-Trio in ganz Europa auf Tour, und auch in Thailand und Vietnam unterwegs. Sie sang in der Band Nylon, die es leider nicht mehr gibt, und ist Teil des Nu-Jazz-Projekts micatone. Seit vergangenem Jahr macht sie auch noch Musik für Kinder (als Teil des Duos “Eule und Lerche”). Ganz schön umtriebig also! Lisa lebt mit ihrem Mann Andreas, der Bassist ist, und ihren drei Töchtern Lilia (17), Zoe (14) und Rosalind (3) in einer gemütlichen Wohnung in Berlin, in der es garantiert nie leise ist – denn Musik gehört bei Lisa und Andreas einfach zum Alltag dazu. Lisa kennt außerdem viele Formen des Familienlebens: Sie war lange alleinerziehend und lebt jetzt im Patchwork –das alles und noch viel mehr hat sie uns im Interview verraten!
Lisa Bassenge mit Andreas, Lilia, Zoe und RosalindMein Mann würde niemals sagen, dass er mir im Haushalt "hilft"
Dein Mann ist Musiker, habt ihr euch auch über die Musik kennengelernt?
Ja, tatsächlich. Ich war für eine Jam-Session gebucht und habe auch deswegen zugesagt, weil ich wusste, dass er dort ebenfalls spielt. Andreas ist Bassist. Ein gemeinsamer Freund hatte uns schon zuvor aufeinander angesetzt, und als wir uns begegnet sind, waren wir total schnell verknallt. Das war vor sechs Jahren, und wir sind immer noch sehr glücklich miteinander.
Wie schön. Spielt Musik eine große Rolle in eurer Beziehung – und ist es angenehmer, als Sängerin mit einem Menschen verheiratet zu sein, der ebenfalls von der Musik lebt?
Auf jeden Fall, denn Musiker wissen, wie der Alltag aussieht, haben Verständnis dafür, wie oft man unterwegs ist. Und wir musizieren auch viel als Familie, eigentlich stimmen wir jeden Tag ein Lied an und holen die Gitarre heraus. Meine älteste Tochter spielt Klavier, und die Mittlere singt sehr gerne. Die Kleine ist noch etwas zu jung, aber sie liebt Musik und wächst damit ganz selbstverständlich auf.
Wie kamst Du ausgerechnet zu Jazz?
Ich habe früh schon Musik von Nat King Cole und Billie Holiday geliebt, das war quasi meine musikalische Früherziehung. Ich habe mit meinem ersten Freund Vier-Spur-Aufnahmen gemacht, als ich ungefähr 16 war, und schon da ist meine Stimme in die Jazz-Richtung gedriftet, etwas dunkler, etwas off, nicht so völlig rein, wie es Popstimmen sind. Dann habe ich schnell gemerkt, dass ich das beruflich machen möchte und habe an der Hochschule für Musik Hanns Eisler studiert, an einer Fakultät, die heute Jazz Institut Berlin heißt. Seitdem lebe ich von der Musik, was ein unglaublicher Schatz ist.
Nun ist 2020 ja echt ein Horrorjahr für Künstler, denn Corona ist so ein herber Schlag für die Veranstaltungsbranche – wie kommt ihr damit klar?
Mehr schlecht als recht. Ich habe noch einen Job als Gesangsdozentin an der Universität der Künste, mit dem ich uns gerade über Wasser halte. Aber es ist so krass, nicht auftreten zu können, komplett raus zu sein, es macht mich richtig traurig. Ich finde, dass die Regierung auch gegenüber Künstlern eine Fürsorgepflicht hat und es an der Zeit wäre, uns ein Grundeinkommen oder einen Unternehmerlohn zu zahlen. Denn gerade Freiberufler haben sonst ja auch immer horrende Steuern abgeführt, und werden jetzt auf Hartz IV zurückgeworfen. Gleichzeitig sollen wir solidarisch sein und nicht arbeiten. Ich hatte noch nie Schulden, habe immer gearbeitet und bin enttäuscht, dass ich jetzt, wo ich in einer Notsituation bin, von staatlicher Seite so wenig Unterstützung erfahre.
Das ist absolut verständlich und wirklich eine große Herausforderung für alle Künstler. Du hast in diesem Jahr trotz aller Widrigkeiten ein Album veröffentlicht, das „Mothers“ heißt.
Ja, es ist ein Album mit Coverversionen von Stücken, die von Frauen komponiert wurden. Ich wollte ein Licht auf die weibliche Kraft der Musik werfen, denn Musik ist auch immer noch eine Männerdomäne, auch, wenn das langsam besser wird. Aber es gibt immer noch Sprüche wie „Für eine Frau spielt sie aber ganz gut“. Dass es viele Frauen gibt, die selber schreiben, die hochkreative Musikerinnen sind, das ist noch immer viel zu wenigen bekannt.
Muss man als Sängerin eine dicke Haut haben?
Am Anfang wurde ich oft nicht ernst genommen. Es gab damals in der Szene auch einfach sehr viele Männerbünde, Frauen wurde gerne ins Wort gefallen, ihre kreativen Ideen nicht wahrgenommen. Gleichzeitig neideten mir männliche Kollegen meine Präsenz, wenn in der Zeitung ein Bild von mir abgedruckt war oder ich in die Harald-Schmidt-Show eingeladen wurde und sie nicht. Aber mit den Jahren hat sich das gebessert, vielleicht auch, weil ich selbstbewusster geworden bin und ich meine Zeit nicht mehr mit Arschlöchern verschwende. Das ist ja auch ein Prozess der Selbstermächtigung, den jede Frau durchlaufen muss, ehe sie auch innerlich unabhängiger wird.
Du machst seit ein paar Jahren auch Musik für Kinder…
Ja, das ist auch ein neues Feld, das mir total viel Freude bereitet. Gemeinsam mit meinem guten Freund und Kollegen Boris Meinhold habe ich Kinderlieder für die Reihe „Unter meinem Bett“ komponiert, das hat uns so viel Spaß gemacht, dass wir zusammen unter dem Bandnamen „Eule und Lerche“ das erste komplette Kinderalbum für Oetinger Media geschrieben und aufgenommen haben. Das Album heißt „Zacki Zacki“ und es sind Lieder darauf über Freundschaft, Roboter, unsichtbare Bekannte, Kuscheltiere und Tanzsalat. Kindermusik ist mehr als ein Hobby für mich, es macht unheimlich Laune, für Kinder zu musizieren. Sie können die Texte mitsingen und tanzen total gern. Das perfekte Publikum. Es ist mir außerdem ein Anliegen, Musik zu machen, die Kinder als vollwertige Menschen ernstnimmt und auch den Erwachsenen nicht auf die Nerven geht. Ich schreibe Lieder für die ganze Familie.
Wie läuft das in einer Musiker-Ehe eigentlich, wenn einer von beiden auf Tour ist?
Das teilen wir uns gut auf, mal übernimmt der eine, dann der andere, wir haben sehr viel Verständnis füreinander und unterstützen uns, wo immer es nur geht. Wenn wir zusammen unterwegs sind, dann kommt eine Babysitterin, die bei uns wohnt, oder meine älteste Tochter übernimmt das jetzt schon manchmal, sie ist ja fast volljährig. Meine Familie ist auch in Berlin, meine Mutter und zwei Schwestern, deren Kinder schon aus dem Haus sind, und die es richtig genießen, aufzupassen.
Wie schön, du hast also das sprichwörtliche Dorf gefunden, das alles so viel leichter macht. Deine Töchter sind 17, 14 und 3. Rosalind, die Jüngste, ist von Andreas, die anderen beiden aus einer vorigen Beziehung, auch eine besondere Konstellation.
Ja. Ich war lange alleinerziehend, nach der Geburt meiner mittleren Tochter haben ihr Vater und ich uns getrennt. Ich weiß also, wie krass hart es sein kann, wenn man das alles fast alleine wuppen muss.
Wie hast Du es erlebt, als Du das erste Mal Mutter geworden bist?
Ich war absolut überwältigt, es war ein totaler Flash und das Kind in den Armen zu halten war unglaublich intensiv. Aber es hat auch vieles nicht gut geklappt, ich bin direkt in den Job zurück, als Musikerin kann man ja nicht einfach pausieren, und habe schon einen Monat nach der Geburt wieder Konzerte gegeben. Beim zweiten Kind war dann die Überforderung ein großes Thema. Wir haben uns getrennt, als Zoe noch ein Baby war, und ich musste einfach funktionieren. Ich habe dann Netzwerke gesponnen, hatte auch ein Au-Pair-Mädchen, und die Eltern meines Ex-Partners haben auch ab und an übernommen. Aber das Gefühl war überwiegend schon, alleinerziehend zu sein.
Wie war es dann, mit so viel Abstand und so viel mehr Lebenserfahrung ein drittes Mal Mutter zu werden?
Ich war eigentlich durch mit dem Thema. Als ich Andreas kennenlernte, sagte er, er wolle keine Kinder, und ich war sehr erleichtert und dachte: Jackpot, perfekt, Thema abgeschlossen. Dann wurde ich 40 und er hat den Wunsch geäußert, doch noch mal Vater zu werden. Da merkte ich dann sehr schnell, dass ich das gleich gefühlt habe. Und dann kam Rosalind.
Wie war die Babyzeit mit ihr?
Es war wunderschön und ich konnte viele der unguten Erfahrungen, die ich gemacht habe, als ich alleinerziehend und überfordert war, wieder etwas relativieren. Andreas ist Däne und ich habe schon das Gefühl, dass seine Mentalität dazu führt, dass die Aufteilung bei uns ganz anders läuft als bei vielen anderen Paaren. Er nimmt seine Aufgaben komplett wahr und würde nie im Leben sagen, dass er mir bei der Hausarbeit oder Kinderbetreuung „hilft“. Er macht oft sogar mehr als ich und das völlig selbstverständlich. Vergangenes Jahr im November war ich an einem Punkt, an dem ich total runter war. Kinderkriegen ist ja nicht nur rosa Wolke und Happyness, sondern auch richtig anstrengend, man ist davon doch auch gerädert. Ich habe eine Ayurveda-Kur in Indien gebucht. Drei Wochen. Da habe ich so richtig gemerkt: Wir sind wirklich gleichberechtigt. Es war eine tolle Erfahrung, zu sehen, dass zu Hause auch ohne mich alles lief. Und Rosalind erlebt ihren Vater ganz anders als meine beiden älteren Töchter es bei ihrem Vater erfahren haben.
Wie kommen die Mädels miteinander klar?
Die beiden Älteren lieben die Kleine, aber sie haben natürlich auch ihr eigenes Leben.
Am Anfang musste die Familie sich schon etwas neu definieren, Zoe war nicht mehr die Kleinste und da gab es schon manchmal kleine Eifersüchteleien, aber über das erste Jahr hat sich das alles geklärt und wir sind als Familie noch mehr zusammengewachsen.
Du hast iranische Wurzeln, lebst Du das heute noch? Sprichst du Persisch?
Leider nicht. Meine Mutter ist mit 17 nach Deutschland gekommen, in den späten fünfziger Jahren, und war dann später alleinerziehend mit drei Kindern, da ging es eher darum, in Deutschland anzukommen, als mir die Sprache ihrer alten Heimat zu vermitteln. Aber ich zehre von ihren wirklich unglaublichen Kochkünsten. Kochen ist eigentlich meine Lieblingsbeschäftigung (außer Musikmachen natürlich). Ich liebe die iranische Küche und möchte mich darin auch weiterbilden. Das ist gegenwärtig auch sehr modern, bei Ottolenghi sehe ich zum Beispiel immer wieder Gerichte, die dem Essen aus meiner Kindheit ähneln.
Was findest Du die größte Herausforderung am Mama sein?
Sich innerlich abzugrenzen und die Probleme des Kindes nicht als seine eigenen zu begreifen und daran kaputtzugehen. Wenn eines meiner Kinder Probleme hat muss ich dagegen ankämpfen, dass mich das nicht so mitnimmt, denn ich kann sie nur stützen und versuchen, ihnen eine Hilfe zu sein, ihnen den Schmerz aber nicht abnehmen.
Was ist das Schönste?
Die Zärtlichkeiten, das Umarmen, das Wissen: Das ist Familie und auf diese Menschen kann ich mich verlassen. Und zu sehen, wie aus den Kindern eigenständige Persönlichkeiten mit eigenen Interessen werden.
Danke, Lisa!
Lisa Bassenge mit Lilia (17), Zoe (14) und Rosalind (3), November 2020
Fotos: Katja Hentschel
Interview: Sarah Borufka