Wie wollen wir alt werden? Wenn Eltern zu den Kindern ziehen

Alles, was abseits der Kleinfamilie so an Lebensmodellen existiert, finden wir super spannend. Zum Beispiel Living Apart Together, mit Kindern in einer WG oder auch Mehrgenerationenwohnen. Ich beschäftige mich außerdem auch persönlich schon länger mit dem Thema, denn damit sind noch so viele weitere Fragen verbunden. Wie wollen wir jetzt leben? Wer kümmert sich später um unsere Eltern? Wie wollen wir selbst alt werden? Darum soll es heute gehen. Ich habe Victoria einige Fragen gestellt, denn ihre Eltern sind gerade in ihre Nähe gezogen. Etwas, das ich auch schon oft in Gedanken durchgespielt habe.

Denn meine Freund_innen, mein Partner und ich sind jetzt langsam in dem Alter, in dem die eigenen Eltern merklich älter werden. Viele arbeiten nicht mehr, manche ziehen um, planen ihr verbleibenden Jahre neu und erwägen unterschiedliche Möglichkeiten. Auch wir beschäftigen uns immer wieder mit dem Thema. Werden wir unsere Eltern beim Älterwerden begleiten und unterstützen? Wo werden sie leben? Und wir? Welche Möglichkeiten gibt es? Diese Fragen haben wir schon bei dem ein oder anderen Abendessen besprochen. Bei manche Themen fällt es nicht leicht, sie anzusprechen, dabei ist es so wichtig, das zu tun, solange alle noch fit sind und auch Lust haben, vielleicht größere Entscheidungen zu treffen.

Habt ihr schon mit euren Eltern über das Altwerden gesprochen? Wisst ihr, wie ihr Leben im Alter aussehen soll? Und wisst ihr, ob sie vielleicht schon Vorkehrungen getroffen haben?

Meine Eltern haben mir neulich gesagt, dass sie sich vorstellen könnten, in ein paar Jahren ihr Haus zu verkaufen und nochmal umzuziehen. In die Nähe der Kinder vielleicht. Mal schauen, wo wir dann sein werden, denn wir können uns nicht so wirklich entscheiden, wo und wie wir leben wollen. Ich habe mich schon immer viel mit der Frage beschäftigt, wie ich leben will, aber seit Corona hat sich das nochmal intensiviert. So vieles hat sich verändert…

Die Idee des Mehrgenerationenwohnens fand ich schon immer spannend. Ich weiß, das ist wirklich nicht für Jeden etwas. Aber meine Eltern und ich haben ein sehr gutes Verhältnis und mein Mann versteht sich glücklicherweise auch prima mit ihnen. Als wir während Corona insgesamt dreimal für einige Wochen bei ihnen gewohnt haben, konnten wir das quasi schon mal testen. Ich würde zwar definitiv auf zwei getrennte Wohnungen bestehen, sehe aber durchaus viele Vorteile. Wir hätten jetzt mehr Zeit und Lebensqualität.

Und vielleicht muss es ja auch gar nicht das gleiche Haus sein, vielleicht reicht schon die gleiche Stadt? Oma und Opa wären um die Ecke und könnten uns jetzt mehr im Alltag unterstützen – und wir andersherum später  auch.

Ganz ohne Fahrtzeit und große Organisation. Früher hätte ich mir das auch noch mit anderen Familien vorstellen können, inzwischen bin ich da unsicher.

Stadt oder Land? Ein Zuhause für alle?

Nachdem wir lange in Berlin gelebt haben (mein Mann ist Berliner), wohnen wir jetzt schon seit neun Jahren in Darmstadt. Mit Kindern finde ich das Leben hier ziemlich perfekt. Wir können (fast) alles mit dem Rad erledigen, es ist grün und kinderfreundlich, kulturell fehlt mir auch nichts. Und wenn doch, ist Frankfurt nur eine 18-Minütige Bahnfahrt entfernt. Nur einige Lieblingsmenschen vermisse ich, aber das wäre auch woanders nicht besser, da sie im ganzen Land verteilt leben. Und trotzdem frage ich mich immer mal wieder: Wie wollen wir leben? Jetzt? Und später, wenn die Kinder aus dem Haus sind? Werden wir einen Ort haben, an den sie immer zurückkommen können? Mit ihren Freund_innen und Familien? Ich liebe es so sehr, einen solchen Ort zu haben. Für mich und auch für meine Kinder. Wie schon gesagt, haben wir während Corona mehrmals wochenlang bei meinen Eltern gewohnt, wir verbringen oft unsere Wochenenden und Ferien dort. Es ist das zweite Zuhause unserer Kinder. Und meines.

Aber ein Haus ist für uns völlig unrealistisch, das wissen wir schon lange. Wir haben weder das nötige Einkommen, noch ein Erbe oder ähnliches. Und abgesehen von den äußeren Gründen (Immobilienmarkt, Inflation, Selbstständigkeit & Co…), wissen wir auch gar nicht so genau, ob wir auf dem Land leben wollen würden. Also mein Mann schon (Nein!), aber ich bin mir nicht sicher.

Ich habe noch viele Fragen und wenig Antworten. Und vielleicht gibt es für manche Fragen auch gar keine endgültigen Antworten. Sie verändern sich immer wieder, so wie das Leben, die Umstände, die Wünsche und die Welt. Die Kinder werden größer, ihre Bedürfnisse verändern sich, unsere auch. Und vielleicht wird es am Ende doch so ein ähnliches Modell wie bei Victoria.

Bild: Unkitschig by Sophie & Max

Victoria (die wir hier schon mal für ein Porträt besucht haben) ist nämlich schon einen Schritt weiter. Sie hat vor Kurzem auf Instagram gepostet, dass ihre Eltern nach fast 40 Jahren im Sauerland zu ihr und ihrer Familie nach Wien gezogen sind. Wie toll! Da wollte ich mehr zu wissen und habe Victoria gefragt:

Liebe Victoria, deine Eltern sind gerade nach Wien zu euch gezogen. Was waren die Gründe dafür?

Meine Schwester und ich wohnen beide schon viele Jahre in Wien und das Thema stand deswegen immer mal wieder zur Diskussion. Nun sind meine Eltern seit Jahren in Rente, waren natürlich auch immer viel in Wien zu Besuch und wollten einfach dauerhaft näher bei uns Kindern und Enkeln sein. Vorher haben uns fast 10 Stunden Autofahrt getrennt und das war natürlich auch im Hinblick auf die nächsten Jahre und das Älterwerden kein schöner Zustand für uns alle.

Habt ihr vorher konkret darüber gesprochen, wie die beiden alt werden wollen? Oder vielleicht auch, wie sie euch im Familienleben unterstützen können?

Die Option, nach Wien zu ziehen, stand eigentlich schon lange im Raum. Vor vielen Jahren haben wir alle noch kleine Witzchen darüber gemacht, wie schön es wäre, wenn wir alle zusammen in Wien wohnen würden und wir ständig bei Oma und Opa auf der Matte stehen könnten. Mit den Jahren wurde die Idee immer konkreter und meine Eltern wollten sich auch einfach nicht mehr um ein großes Haus mit großem Garten kümmern müssen.
Wir haben nun aber nicht vor, sie ständig als Babysitter einzusetzen. Sie sollen ihr Großstadtleben  in vollen Zügen genießen und ich bin mir sehr sicher, dass sie das auch tun werden. Wir haben vier ziemlich kleine Kinder und die möchten wir ihnen mit ihren 70 Jahren nicht ständig „umhängen“. Trotzdem werden sie natürlich eine große Unterstützung für uns sein, weil wir viel gemeinsam unternehmen, zu Besuch kommen können und einfach gemeinsam Alltag leben.

Wohnen sie bei euch in der Nähe? Und war es einfach, etwas passendes zu finden?

Ja, uns trennt nun nur noch ein kleiner Spaziergang und das ist auch sicherlich das, worüber wir uns am meisten freuen. Ich habe das letzte Mal vor fast 15 Jahren im selben Land wie meine Eltern gewohnt und auch die Enkel kennen es gar nicht, dass sie die Großeltern regelmäßig sehen können.
Die Wohnungssuche lief tatsächlich sehr problemlos und letztlich hat die erste (!) Wohnung, die wir uns alle gemeinsam angeschaut haben, direkt gepasst. Einige Wohnungen habe ich alleine angeschaut, bevor sie überhaupt in Wien waren, sodass wir alle schon ein ungefähres Gefühl für Wunschgegenden und den Markt bekommen haben. Meine Eltern wollten auf keinen Fall eine Wohnung kaufen, nachdem sie gerade soviel Besitz „losgeworden“ sind und sie genießen es nun richtig, dass eine Mietwohnung keine großen Verpflichtungen mit sich bringt.

Habt ihr auch andere Optionen/Möglichkeiten überlegt?

Ehrlich gesagt: nein. Wir lieben Wien und das Großstadtleben und es war immer klar, dass wir nie zurück in die Heimat ziehen wollen oder den Traum vom Haus hegen. Das wissen meine Eltern auch schon sehr lange und hatten immer schon größtes Verständnis dafür, das Sauerland gegen Wien einzutauschen.

Auf was freust du dich am meisten, jetzt wo Oma & Opa in der Nähe sind?

Dass endlich ganz alltägliche Dinge gemeinsam möglich sind. Ein gemeinsames Mittagessen, Kuchen von der Oma oder ein spontanes Glas Wein am Abend. Ich freue mich auch total darauf, die Stadt endlich bei jeder Jahreszeiten gemeinsam zu entdecken – ohne den Zeitdruck, dass in ein paar Tagen schon wieder Abreise ist.

Das klingt toll. Danke, Victoria!

Wie ist das bei euch? Leben eure Eltern in eurer Nähe? Wenn nicht, könntet ihr euch vorstellen, zu ihnen zu ziehen? Oder umgekehrt? Macht ihr Pläne für das Älterwerden eurer Eltern? Und macht ihr euch schon Gedanken, wie ihr später mal leben wollt?
Wir freuen uns auf eure Gedanken zu dem Thema!

Foto: Sergey Makashin