Let’s talk about: Kleine Kinder – größere Kinder. Und immer wieder unterschiedliche Einstellungen und Bedürfnisse…

Es ist schon irgendwie witzig, wie sich die Zeiten, Einstellungen und Bedürfnisse im Leben mit Kindern ändern. Ich merke gerade ganz stark, dass in unserer Familie eine neue Zeitrechnung begonnen hat. Einfach, weil die Kinder jetzt schon so unglaublich groß und selbstständig geworden sind. Beide! Marie ist noch in einer ganz anderen Phase und immer wieder unterhalten wir uns über unseren Alltag und merken, dass wir einfach völlig verschiedene Bedürfnisse haben. Weil sie zwei kleine Kinder hat (und ein großes), und ich zwei relativ große.

Das geht bei Spielplätzen und Transportmitteln los. Und ein gutes Beispiel ist auch das Thema “Grünfläche”. Vor zwei oder drei Jahren hätte ich sehr viel gegeben für ein Stück Grün vor dem Haus. Ich beneidete meine Nachbarn mit Garten in Grund und Boden, ich bewarb mich für Kleingärten, wir schauten nach Häusern auf dem Land. Fuhren immer in den Park mit den Kindern, am Wochenende nach Brandenburg. Sie brauchten so viel Bewegung und wir Eltern waren so angestrengt, auch wir brauchten die Natur ganz dringend. In der Corona-Zeit wurde dieses Bedürfnis komischerweise dann aber nicht noch ausgeprägter. Was daran liegen könnte, dass wir die vielen Grünanlagen in unserer Gegend sehr intensiv genutzt haben. Aber vor allem daran, dass die Kinder im ersten Lockdown schon vier und sieben waren. Und die Zeit des extremen Bewegungsgbedürfnisses bei ihnen weniger wurde.

Zum Glück haben wir kein Haus gekauft!

Jetzt sind sie fünf und acht. Und wir denken manchmal: zum Glück haben wir kein Haus in Brandenburg gekauft. Denn wie oft würden wir es wirklich nutzen? Am Wochenende ist fast immer irgendein Geburtstag, wir besuchen Freund:innen (wir profitieren also davon, dass sie sich Gärten und Grundstücke angeschafft haben:)), wir haben Erledigungen zu machen, einer von uns hat auch oft Produktion. Vor ein paar Monaten waren wir kurz davor, einen Garten in einer Kleingartenanlage um die Ecke zu bekommen. Das wäre irgendwie ideal gewesen. Auf der anderen Seite ist unser großes Kind jetzt schon in einem Alter, in dem er mit seinen Freunden alleine auf dem Fußballplatz rumhängt. Würde er den Garten noch viel nutzen wollen? Egal, WIR hätten ihn auch einfach gerne genutzt und wenn es so nah ist, dann macht man das ja auch mal unter der Woche am Nachmittag. Es hat aber nicht geklappt – und ich war gar nicht so traurig, sondern dachte: vielleicht ganz gut so. Nicht noch ein Projekt mehr. Das Geld können wir vielleicht auch besser anlegen…

Was ich eigentlich sagen will: Ich finde das total spannend. Wie man mit kleinen Kindern denkt: Wir müssen in ein Haus mit Garten ziehen!!! Um dann fünf Jahre später zu denken: Uff, in der Stadt wäre es auch okay, da müsste man dann nicht so viel fahren. Wie sich die Bedürfnisse ändern. Ich hätte mir vor drei Jahren nicht vorstellen können, dass ich einen Garten oder sogar einen Balkon mal so wenig vermissen würde, wie ich das jetzt gerade tue. Es gibt auch Kinder, da ist das nicht so. Ich habe Freund:innen mit größeren Kindern, die immer noch sehr wild sind.

Aber bei uns ist das jetzt so. Meine Kinder sind so groß, dass ich im Urlaub mehrere Bücher lesen kann, weil sie stundenlang alleine im Pool sind oder sich sonst wie beschäftigen. Sie sind so groß, dass ich keine extra Zeiten mehr einplanen muss, wenn wir irgendwohin müssen, weil sie genauso schnell laufen wie ich. Sie sind so groß, dass sie Wege alleine machen, sie sind oft nachmittags bei Freunden, übernachten dort auch. Sie sind so groß, dass sie nicht mehr auf dem Sofa springen sollen und das auch akzeptieren. Sie sind natürlich auch noch klein und hilfebedürftig, sie brauchen uns Eltern immer noch viel. Kommen nachts angekuschelt, erzählen nach der Schule, was sie beschäftigt, werden krank und brauchen viel Liebe. Aber es ist so viel weniger anstrengend, mit beiden alleine zu sein. Sie streiten weniger, es gibt weniger Gefühlsausbrüche. Sie schlafen besser ein – und durch sowieso.

Alles ist so viel weniger zeit- und energieintensiv als noch vor einem Jahr.

Eines meiner liebsten Beispiele, wie sich die Zeiten ändern, ist das mit den Nachmittagskursen. Vor drei Jahren habe ich mich da noch recht weit aus dem Fenster gelehnt: Im YAY or NAY habe ich die NAY Position vertreten, weil ich wirklich fand, man tue den Kids ganz schön was an, sie nach der Kita oder Schule noch zu irgendwelchen Kursen zu schleppen. Die brauchen Ruhe, übermotivierte Eltern, das war mein Tenor. Das lag an meinem ersten Kind. Der war einfach wirklich oft erschöpft nach dem Vormittagsprogramm und er hatte auch keine Lust auf Hobbys. Man schließt ja dann gerne von sich auf andere und ich dachte insgeheim, alle Kinder sind eigentlich kaputt nach der Kita und alle Eltern zwingen ihre Kinder quasi zur musikalischen Früherziehung oder zum Tennis und die haben gar keinen Bock, sondern bräuchten eigentlich Auszeit.

Mein zweites Kind lehrte mich eines Besseren. Es braucht überhaupt keine Ruhe. Oder zumindest viel weniger, als der Bruder. Meine Tochter feierte jede Nachmittagsaktivität – und das schon mit drei Jahren. Ballett, Töpfern, Singen, Turnen. Fand sie alles super. Jeden Nachmittag was Neues, immer leuchtende Augen. Dann kam leider Corona, aber jetzt geht es so weiter: Tanzen, Schwimmen, Klavier – sie könnte jeden Tag etwas anderes machen.

Und auch das große Kind spielt nun Fußball im Verein. Hat es sich gewünscht. Ich war skeptisch, weil da eben noch nie Bedarf war. Aber er liebt es. Und es tut ihm so gut. Die Bewegung, das Team-Dings, auch die Autorität der Trainer. Zwei bis drei Mal die Woche gurkt jetzt also einer von uns Eltern mit dem Lastenrad durch unser Viertel und wirft die Kinder bei den jeweiligen Hobbys ab. Das macht mir ehrlich gesagt wenig Spaß, weil es so irre unbefriedigend ist. Oft höre ich Podcasts auf dem Rad und kaufe zwischendurch ein oder Ähnliches, dann geht es… Aber wenn man diese Pflicht irgendwie auslagern könnte, fände ich das befreiend. Bis dahin bilden wir manchmal Fahrgemeinschaften mit Freunden. Und es dauert ja nicht mehr lange, dann kann das große Kind alleine zum Training, das kleine vielleicht auch zum Ballett.

Und dann kommt auch die Zeit zurück, in der man sich wieder richtig auf sich selbst konzentrieren kann. Die Kinder werden langsam flügge. Das ist irgendwie auch ein schmerzhafter Prozess, ich hab sie schon noch so gerne nah bei mir. Aber es ist ja ganz natürlich so. Und ich mag es auch sehr. Schritt für Schritt machen sie ihr eigenes Ding und ich somit auch mehr meins.

Also an alle, die kleine Kinder haben und denken, das wird nie anders: das wird es! Man kann trotzdem aufs Land ziehen oder andere, große Entscheidungen fällen, die sich im Moment total gut anfühlen. Aber wenn diese nicht möglich sind, aus welchen Gründen auch immer, dann muss man sich nicht grämen: Denn die Bedürfnisse verändern sich oft schneller. als man denken würde. So war es zumindest bei mir.

Können manche von euch das nachvollziehen?