Der Juni ist Pride Month und wir freuen uns, heute bei einer irre sympathischen Familie zu Gast sein zu dürfen! Mimi kommt aus Berlin und Zoé aus Frankreich, die beiden sind seit sieben Jahren ein Paar und mittlerweile auch Mamas des fast anderthalbjährigen Willi. Der Weg zur eigenen Familie war nicht immer einfach: Zoé musste in einem langwierigen Prozess den gemeinsamen Sohn erst adoptieren – trotz Ehe. Wie die beiden zusammen Hürden überwinden, wie es sich zu dritt in einer Ein-Zimmer-Wohnung lebt und was die drei in Zukunft noch so geplant haben, lest ihr hier im Interview. Danke, dass wir zu Gast sein durften!
Zoé und Mimi mit WilliEr bringt uns bei, wie man wirklich lebt und liebt.
Liebe Zoé, liebe Mimi! Euer Sohn Willi ist fast anderthalb Jahre alt. Und ihr seid schon seit über sieben Jahren zusammen! Wann wusstet ihr, dass es Zeit für Nachwuchs ist?
Mimi: Wir haben uns 2015 online kennengelernt, das war totaler Zufall, wir waren beide Single und nicht auf der Suche nach was Ernstem. Nach einem wunderschönen ersten Date und einigen Gläsern Wein haben wir aber schon gespürt: Das hier ist etwas ganz Besonderes.
Bevor wir uns kennengelernt haben, hatten wir beide keinen großen Kinderwunsch, wir haben auch nie von einer Hochzeit geträumt. Dann sind wir nach ein paar Monaten aber schon zusammen gezogen und unsere Gespräche über eine gemeinsame Zukunft, Kinder und Heirat wurden immer konkreter. Es hat sich plötzlich natürlich angefühlt.
Zoé: Weil unsere Liebe so stark war, wollten wir diese Liebe auf einmal auf viele verschiedene Weisen erfahren und herausfordern. 2019 haben wir uns dann das Ja-Wort gegeben: Es war ein wunderschöner Sommertag und wir konnten unser Glück kaum fassen, uns gefunden zu haben. Auch der Kinderwunsch wurde dann stärker und wir haben immer mehr darüber nachgedacht, wie wir das Ganze angehen könnten, was es für Möglichkeiten gibt und welche am Besten zu uns passen würde.
Zoé, du kommst aus Frankreich, was hat dich nach Berlin verschlagen?
Zoé: Ich habe in Toulouse studiert und habe nach einem Sommerjob in der Stadt gesucht. Stattdessen fand ich eine Au-Pair Anzeige in Berlin. Zu dem Zeitpunkt war ich nicht wirklich zufrieden mit meinem Leben in Frankreich und habe mein Studium abgebrochen. Ich war vorher noch nie in Berlin und dachte „warum nicht?“. Ich habe also die Gelegenheit ergriffen und ein paar Tage später ein One-Way Ticket gebucht. Es sollte für ein Jahr sein. Neun Jahre später kann ich Berlin noch immer nicht verlassen. Es war das Beste, was mir jemals passieren konnte!
Ihr wohnt mit eurem Sohn zusammen in einer sehr schönen Ein-Zimmer-Wohnung im Berliner Prenzlauer Berg mit offener Küche, fast schon eine Art Tiny Flat, könnte man sagen! Wie organisiert ihr hier drinnen euer Familienleben?
Mimi: Ach, wie wir unser Zuhause lieben! Ein richtiges kleines Nest. Es ist nichts für jeden, es ist teilweise eng, aber wir fühlen uns hier mehr als wohl. Abends, wenn unser Sohn im Schlafzimmer schläft, wird weder im Wohnzimmer laute Musik gehört noch in der Küche etwas zubereitet. Man organisiert sich anders. Man gewöhnt sich daran, leise Fernzusehen, sogar mit Untertiteln! Unser Sohn hat kein eigenes Zimmer, oder besser gesagt: Sein Zimmer ist die ganze Wohnung, was man an seinen Spielsachen erkennen kann, die überall in der Wohnung verteilt sind. Momentan ist er knapp anderthalb Jahre alt, noch reicht uns der Platz vollkommen aus. Aber die Zeiten, in denen er sein eigenes Reich möchte und wir unseres brauchen, werden kommen. Bis dahin, genießen wir unsere Momente alle zusammen, schön eng und gemütlich.
Mimi, du bist gerade in Elternzeit, eigentlich bist du Erzieherin. Freust du dich schon wieder auf deinen Beruf, oder siehst du das eher kritisch?
Mimi: Im März 2020, als ich schwanger wurde, fing die Corona-Pandemie richtig an. Ich wurde also gleich in Kurzarbeit geschickt und dann direkt in den Mutterschutz. Ich nahm zwei Jahre Elternzeit. Bald kommt unser Kleiner in den Kinderladen, Ende des Jahres werde ich also wieder arbeiten. Ich habe noch keine Ahnung, wie es sich anfühlen wird. An sich freue ich mich darauf, ein wenig Abwechslung zu meinem Mama-Alltag zu haben, anderseits wird es mir sehr schwer fallen, unseren Kleinen jeden Tag so lang nicht zu sehen. Ich liebe den Alltag mit ihm. Die Trennung wird für uns beide hart. Besonders wenn ich ihn verlassen muss, um dann mit anderen Kindern den ganzen Tag zu verbringen. Ich werde die beiden ganz schön vermissen! Aber umso schöner werden die gemeinsamen Momente sein, da bin ich sicher.
Stichwort Familienplanung: Der biologische Vater eures Sohnes ist ein gemeinsamer Freund von euch. Möchtet ihr in der Zukunft noch weitere Kinder?
Zoé: Wir würden sehr gern ein zweites Kind haben und haben tatsächlich das enorme Glück, dass unser Freund uns das nochmal ermöglichen möchte. Alles läuft so gut zwischen uns allen, dass er keine Zweifel hatte, als wir ihn gefragt haben, ob er sich das Ganze ein zweites Mal vorstellen könnte. Er ist ein großartiger Mensch und eine große Bereicherung für uns und unseren Sohn. Wir sind ihm unendlich dankbar!
Solltet ihr noch ein Kind bekommen, wer wird dann schwanger?
Zoé: Für die erste Schwangerschaft hatten wir entschieden, dass Mimi beginnen würde, da sie mehr Lust auf eine Schwangerschaft hatte und auch, weil sie ein paar Jahre älter ist. Es ergibt also mehr Sinn, dass ich, Zoé erst als Zweites dran sein werde. Mir gefiel meine Rolle als Nicht-Schwangere. Es war wunderschön, für Mimi und unseren Sohn zu sorgen, sie überall zu unterstützen, wo ich konnte. Beim zweiten Mal möchten wir aber gerne tauschen. Wir sind zwei Frauen und es ist ein großes Glück, dass wir beide diese verrückte Erfahrung aus beiden Perspektiven erleben dürfen. Unsere nächste Schwangerschaft ist noch nicht konkret geplant aber wir würden es wahrscheinlich wieder wie beim ersten Kind aufteilen: Mimi würde nach der Geburt circa 3/4 Monate bei uns bleiben und dann wieder Vollzeit arbeiten.
Hat der biologische Vater auch das Sorgerecht?
Mimi: Wir haben im Voraus sehr lange darüber geredet, wie sich jeder von uns das Ganze vorstellt. Von Anfang an war klar, dass er keine Vaterrolle übernehmen möchte, so wie wir uns das gewünscht hatten. Es gab einen gemeinsamen Termin bei einer Familienanwältin, bei dem uns Dreien alles im Detail erklärt wurde. Die Anwältin erklärte ihm, dass er rein rechtlich nichts für unser Kind bedeuten würde. Nach der Geburt unseres Sohnes wurde der Vater als unbekannt in die Geburtsurkunde eingetragen. Außerdem waren wir für die Adoption alle gemeinsam beim Notar, wo er die Vaterschaft ablehnte. Er ist trotzdem mehr als ein Spender und hat einen großen Platz in unseren Herzen und im Leben von Willi, nur eben nicht als Vater.
In Deutschland ist es leider noch so, dass bei gleichgeschlechtlichen Paaren die nicht-biologische Mutter die eigenen Kinder in einem langwierigen Verfahren „adoptieren“ muss. Was sind da eure Erfahrungen? Ist es wirklich so schwierig, wie man immer liest?
Zoé: Ja, es ist tatsächlich ein langes Verfahren, wir sind mittlerweile seit anderthalb Jahren dabei. Das wirklich Schlimme daran: Keiner gibt einem das Gefühl, dass es eigentlich ungerecht ist. Alle tun so, als sei es ganz normal! Das finde ich noch schlimmer, als die eigentliche bürokratische Arbeit. In Deutschland scheint es immer nur stückweise zu gehen: Von wegen: Ok, ihr dürft jetzt heiraten und ja ihr könnt Kinder haben. Aber beide Mütter sein, nein das geht so nicht! Im Vergleich zu einigen Nachbarländern, wo man es besser hinbekommt, fühlt sich das sehr unfair an.
Habt ihr Unterstützung durch eure Familien? Mimi, du kommst ja aus Berlin?
Mimi: Ja genau, meine Familie wohnt in Berlin und wir sehen uns oft. Besonders meine Mama ist uns eine große Hilfe und sorgt immer dafür, dass wir unsere Batterien zwischendurch wieder aufladen können, indem sie Willi für ein paar Stunden übernimmt. Es ist wirklich eine große Entlastung und er freut sich immer sehr, Zeit mit ihr zu verbringen! Zoés Familie lebt leider weiter weg und kann uns da nicht wirklich unterstützen.
Wie sieht ein normaler Montag bei euch aus?
Mimi: Ein Montag bei uns ist wie jeder andere Tag der Woche. Mal hat Zoé frei, mal nicht. Wir entscheiden spontan, wie wir den Tag zusammen verbringen. Aufgestanden wird meistens so gegen sechs, dann frühstücken wir ganz in Ruhe gemeinsam, es wird gespielt, gelesen, getobt, Unordnung gemacht… Schnell wird Peanut wieder müde und macht gegen zehn Uhr seinen Mittagsschlaf, dann geht es nach draußen. Wir spazieren lange, holen uns einen Kaffee, ein Eis, suchen nach neuen Spielplätzen und lassen ihn das Tempo angeben. So gegen 17 Uhr geht es wieder nach Hause, wir machen Abendessen, lesen ihm noch ein paar Bücher vor, er kommt langsam runter und so gegen 18 Uhr schläft er auch schon. Dann beginnt unsere Zeit als Paar, meist ist dann aber nur noch Entspannung angesagt, wir essen zu Abend, tauschen uns über den Tag aus oder schauen gemeinsam einen Film, schalten einfach ab und genießen die Zweisamkeit.
Was ist das Anstrengendste am Mama-Sein?
Zoé: Wir sind oft müde und erschöpft, haben kaum Zeit nur für uns beide und die Wohnung ist im ständigen Chaos, wir kommen kaum hinterher mit dem Aufräumen, von den Wäschebergen wollen wir gar nicht erst reden. Es ist immerzu laut und wild, es geht einiges zu Bruch und nichts läuft je nach Plan.
Mimi: Mama-sein bedeutet alles unter einen Hut kriegen zu wollen aber immer daran zu verzweifeln, hinterher zu kommen. Man will nichts von der Kindheit verpassen, aber so richtig mit seinen Kindern zusammen spielen, das schafft man immer nur kurz. Es ist einfach chaotisch. Und es ist schwer, akzeptieren zu müssen, dass man nie perfekt sein wird.
Und was ist das Schönste?
Beide: Ganz einfach: die Liebe, die man spürt. All die Momente, wo man platzen könnte, weil das Herz einfach so voll ist. Die Zärtlichkeit und Ehrlichkeit, die unser Kind uns schenkt. Denn er bringt uns bei, wie man wirklich lebt und liebt.
Vielen Dank, ihr Zwei!
Ihr wollt mehr von Zoé und Mimi sehen? Schaut euch mal ihren schönen Instagram-Account an.
Zoé, Mimi und Willi (17 Monate), Mai 2022, Berlin
Interview: Marie Zeisler
Fotos: Anne Freitag