Sarah Seeliger mit Mathilda, Magnus und Martha
Chaotisch, aber liebevoll!

Sarah war erst Anfang zwanzig und mitten im Studium, als sie von ihrer ersten Schwangerschaft überrascht wurde. Bremsen lassen hat sie sich davon kaum: gemeinsam mit ihrem Mann gründete sie nach der ersten Elternzeit Librileo, ein Buch-Abo für Kinder, aus dem wenig später Librileo Gemeinnützig wurde. Gemeinsam mit ihrem zehnköpfigen Team arbeiten die beiden seitdem von ihrer Charlottenburger Wohnung aus gegen Bildungsarmut. Wie das so klappt mit dem Büro in der Wohnung und den mittlerweile drei Kindern, obwohl Sarah sich eigentlich immer ein viel unkonventionelleres Leben vorgestellt hatte, das erzählt sie uns im Interview!

Liebe Sarah! Du bist recht jung Mutter geworden, oder? Erzähl mal von deinem Werdegang.

Ja, unsere erste Tochter wurde geboren, da war ich 23 Jahre alt und hatte gerade mein (zweites) Studium begonnen. Julius und ich sind einen Monat vorher in unsere erste gemeinsame Wohnung gezogen. Ich hatte am 1. Oktober gerade mein Studium begonnen. Genau in dieser Zeit fühlte ich mich plötzlich nur noch schlapp und mir war ständig übel. Ich war schwanger. Extrem ungeplant. Aber wir haben uns von der ersten Sekunde an gefreut. Es stand für mich aber auch felsenfest, dass das Baby so nebenbei kommen muss. Ich habe keinen Tag in der Uni verpasst. Mathilda ist zum Glück im Juni geboren, bis dahin hatte ich schon ein paar Prüfungen hinter mir. Für eine Prüfung, die noch gefehlt hat, habe ich dann mit Baby auf dem Arm gelernt. Das ging total super.

Es stand für mich felsenfest, dass das Baby so nebenbei kommen muss

Wann haben Julius und du Librileo gegründet und was war die ursprüngliche Idee?

Ende 2013 haben wir Librileo als Kinderbuch Abo gegründet. Wir wollten Eltern bei der Auswahl von Kinderbüchern unterstützen. Zu einem speziellen Thema, wie zum Beispiel Mut, Kulturen oder Teilen, gibt es eine Bücherbox. Die Bücherboxen gibt es für Kinder von 0-10 Jahren, wobei die enthaltenen Bücher altersgerecht zum jeweiligen Alter passen.

Wie hat es sich dann in den nächsten Jahren entwickelt?

Es hat sich dann so ergeben, dass wir Anfang 2015 entschieden haben, eine gemeinnützige Organisation zu gründen. Wir wollten eine Lösung finden, um Familien in schwierigen Lebenslagen zu helfen. Das Thema Leseförderung spielte dabei eine große Rolle, um Kindern das Lesen näher bringen, die bisher kaum in Kontakt mit Kinderbüchern kommen. In den letzten drei Jahren ist bei uns sehr viel passiert. Wir haben eine Möglichkeit erarbeitet, um die Bücherboxen für Familien in Armut wirklich kostenfrei anzubieten. Wir haben ein Ehrenamtsnetzwerk aufgebaut und bilden Ehrenamtlich zu Lesebotschaftern aus, die dann Familien für das gemeinsame Vorlesen begeistern. Es gibt ein Fortbildungsangebot für Kitaerzieher, einen Vorlesebus, unseren Löwenladen und inzwischen sind wir bundesweit aktiv. Wir haben ganz viele Promoter, die das Angebot von Librileo gemeinnützig Eltern vor dem Jobcenter vorstellen.

Was wollt ihr weitergeben?

Wir wollen Kinderarmut in Deutschland bekämpfen. Oder zumindest dazu beitragen. Es ist wichtig, dass alle Kinder von Anfang an mit Kinderbüchern aufwachsen. Uns ist auch die Beziehung in der Familie sehr wichtig, deshalb schicken wir die Bücherboxen auch nach Hause zu den Familien. Damit Eltern und Kinder gemeinsam lesen und sich mit Büchern beschäftigen.

Und zwischendurch habt ihr ja noch zwei Kinder bekommen, jetzt seid ihr zu fünft. Würdest du sagen, dass sich Gründer- und Familienleben gut vereinbaren lassen?

Vereinbarung, das ist so ein Wunderwort für mich. Bei uns verläuft das in Wellen, mal klappt es schlechter, mal besser. Aber alles in allem, sind wir fünf sehr glücklich.

Wie teilt ihr euch die Kindererziehung auf, habt ihr Hilfe?

Wir haben kurze Wege. Das ist enorm praktisch für uns. In die Kita können wir zu Fuß gehen und unser Büro ist in unserer Wohnung. Wir haben uns das bewusst so ausgesucht. Wir sind vor zwei Jahren in die Wohnung eingezogen, da war ich hochschwanger. Uns war es wichtig, tagsüber zusammen zu sein.
Nun gehen alle drei Kinder in die Kita. Am Nachmittag wechseln wir uns ab. Einer kann arbeiten, einer verbringt den Nachtmittag mit den Kindern. Ab und zu haben wir abends Termine. Ansonsten verbringen wir aber alle die letzten ein oder zwei Stunden vor dem Schlafengehen zusammen.

Vereinbarung, das ist so ein Wunderwort für mich

Wie sieht ein typischer Tag bei euch aus?

Das hat sich geändert seit wir drei Kinder haben. Früher waren wir mehr unterwegs, aber jetzt sind die meisten unserer Tage nicht mehr sehr aufregend. Wobei das stimmt nicht: mit den Dreien ist es schon aufregend genug, da sparen wir uns große Ausflüge unter der Woche. Wir starten jeden Morgen kuschelnd. Dann ziehen sich alle an und putzen sich die Zähne. Wir gehen dann meistens ohne Frühstück los, denn die Kinder frühstücken in der Kita. Zurück zu Hause setzen wir uns ins Büro und beginnen gemeinsam mit dem Team zu arbeiten. Mal haben wir Meetings, mal Termine im Ministerium oder in einer anderen Stadt.

Ihr lebt und arbeitet auf 210 Quadratmetern. Das ist viel Platz, aber es sind auch viele Menschen – wird es manchmal eng?

In unserem Büro wird es schon manchmal etwas eng. Wir haben 8 Schreibtische im Büro sind aber an manchen Tagen auch mal mehr als 10 Personen. Wir haben im Hinterhof aber noch unser kleines Gartenatelier, dort finden Schulungen statt und wir nutzen es manchmal auch als Ruhearbeitsplatz.
Wenn am Nachmittag die Kinder kommen wird es dann für zwei Stunden allerdings wirklich ein wenig trubelig. Wir probieren mit den Kinder in den hinteren Zimmern zu bleiben, jedoch klappt das nicht immer.

Was hat es mit der Koma-Kammer in der Küche auf sich, das ist so eine lustige Idee!

Die Kammer war schon in der Wohnung als wir eingezogen sind. Das war damals mal ein Hausmädchenzimmer. Wir nutzen sie um dort oben zu lesen. Und manchmal auch als Gästezimmer. Ein guter Freund von uns hat dort oben mal den halben Tag zum Ausnüchtern verbracht.

Wo habt ihr eure Möbel her, es sieht nach so einem interessanten Mix aus?

Unsere Möbel sind zusammen gemixt, da hast du Recht. Juius liebt alte Schmuckstücke und Kuriositäten. Das große Bild hat er zum Beispiel mal auf der Straße gefunden, das Klavier haben wir von einem Freund geschenkt bekommen. Ich komme ja aus einem Dorf bei Sachsen-Anhalt. Dort sind alte Möbel nicht so begehrt und alle wissen schon immer, wenn Julius kommt, können sie mit ihm Geschäfte machen.

Was hat es mit dem großen Tisch im Esszimmer auf sich?

Den Esstisch hat Julius selber gebaut. Er wollte unbedingt einen riesigen Tisch haben. Den hatten wir sogar schon in unserer alten Wohnung und da war das Wohnzimmer nur halb so groß.

Wie würdest du dich als Mutter beschreiben?

Chaotisch, aber liebevoll.

Hast du es dir früher so vorgestellt: viele Kinder, eine eigene Firma?

Niemals. Ich hatte keinen Plan, nicht mal eine Vorstellung von meinem Leben. Für mich stand immer nur fest, kein ganz normales angepasstes Leben zu wollen. Ich hatte das Gefühl, ausbrechen zu müssen. Nun hab ich zwar Kinder und schon ein ziemlich geregeltes Leben, doch das Gefühl ist immer noch da. Ganz schön schwierig, manchmal. Mein oberstes Lebensmotto ist und bleibt: „Der Weg ist das Ziel.“

Was ist das Nervigste am Kinderhaben?

Mh… Kinder! Nein, dass man einfach fast nie eine Pause hat.

Und was ist das Schönste ?

Sich so unglaublich verbunden zu fühlen, sich zu küssen, zu kuscheln und das pure Glück spüren zu können. Ich bin unglaublich stolz auf meine drei Kinder.

Danke, Sarah!

Sarah Seeliger mit Mathilda (6), Magnus (5) und Martha (18 Monate), Berlin, Mai 2018

Interview: Isabel Robles Salgado
Fotos: Anna Sauvigny

Mehr über Librileo Gemeinnützig findet ihr hier