Eigentlich war es ihr Traum, Modedesignerin zu werden, doch dann traf Lisa Burzin ihre große Liebe Axel und stürzte sich Hals über Kopf ins Abenteur Kind. Tochter Lucie kam zwei Wochen nach dem Diplom und bald wurde auch Tochter Nummer Zwei geboren. Ihre beeindruckende Kreativität lebt Lisa heute als Stylistin und Interieur-Beraterin aus. Außerdem bastelt sie viel mit ihren Töchtern und schreibt ein Blog. Die Familie lebt in einer geräumigen Wohnung in Mitte, wird aber bald nach Pankow umziehen, denn es zieht sie in die Natur! Wir trafen Lisa an einem Samstag, an dem neben Interview und Shooting, auch noch genug Zeit zum Backen, Spielen und Herumtollen war.
Lisa Burzin mit Lucie und BobbieDie Krönung der Liebe
Du hast hochschwanger dein Diplom in Bekleidungsgestaltung gemacht. Wie war es, gleich nach der Uni und als Erste von deinen Freunden ein Kind zu bekommen?
Es war schon nicht leicht. Ich habe an der jetzigen FHTW studiert, die sehr wissenschaftlich orientiert ist. Dadurch habe ich viel Zeit zum Recherchieren in der Bibliothek verbracht und bin dort immer eingeschlafen. Man merkt also schnell, dass man eigentlich noch viel leisten muss und will, obwohl man körperlich schon eingeschränkt ist. Der Baby-Bauch hat mir als zielstrebige und perfektionistische Person oft einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich wollte es aber unbedingt durchziehen, was ich mit vielen Einschränkungen und der Unterstützung von Freunden auch geschafft habe. Meine hohen Erwartungen musste ich dabei aber schon ein bisschen runterschrauben. Und später ist mir aufgefallen, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich das stemmen sollte. Meine Ex-Kommilitonen verdienen teilweise fünf Jahre nach ihrem Abschluss immer noch nicht genug zum Leben! Den Traum, Modedesignerin zu werden, den sah ich immer weniger.
Wann hast du nach der Geburt wieder angefangen Stylingjobs zu machen?
So richtig den Kopf dafür hatte ich erst, als Lucie mit anderthalb Jahren in die Kita kam. Da hab ich aber auch schon richtig mit den Hufen gescharrt und gemerkt, dass ich noch ein Leben neben Haushalt und Kind brauche. Von der Mode kam ich dann recht schnell zum Interieur-Bereich, ich habe angefangen, bei Freunden Einrichtungsberatung zu machen. Als Axel, mein Mann, das Restaurant “Yumcha Heroes“ aufgemacht hat, habe ich natürlich stilistisch mitgestaltet: Von der Karte bis zur Arbeitsklamotte war ich mit dabei. Nebenbei habe ich immer Berater-Jobs für Interieur und Fashion gemacht. Als dann das große Restaurant “Long March Canteen” mit dazu kam, bin ich richtig professionell ins Interieurdesign eingestiegen.
Bei meiner großen Tochter Lucie habe ich mich noch sehr von außen verunsichern lassen. Monatelang bin ich mit Stress im Nacken um 14 Uhr zur Kita gehetzt und hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich sie sechs Stunden alleine gelassen hatte. Dann saß ich mit Kind und wieder schlechtem Gewissen zuhause, weil ich nicht alles geschafft hatte.
Bei Bobbie, meiner zweiten Tochter, war ich wesentlich entspannter. Ich habe begriffen, dass es der Mutter ja auch gut gehen muss. Nach wie vor will ich die Kinder aber nicht acht Stunden abgeben. Dafür ist mir die Zeit mit ihnen zu wertvoll.
Wie hat sich die Beziehung zu deinem Partner durch die Kinder verändert?
Bei dem ersten Kind war es total toll. Die Krönung der Liebe. Wenn das Kind dann so neben einem liegt, begreift man erst so wirklich: Das ist ein Teil von mir und ein Teil von ihm! Das ist schon irre, dass sich so ein ganzer Mensch aus der Liebe heraus entwickelt. Und es war wirklich unsere Liebe, die uns das Abenteuer Kind beschert hat.
Der Schritt zum zweiten Kind war intensiv. Lucie und Bobbie sind nicht weit auseinander, ich hatte also zwei Wickelkinder und sehr, sehr anstrengende Nächte. Das erste Jahr war die Hölle. Gott sei Dank hatte ich eine Freundin gleich um die Ecke, die auch zwei Kinder hatte. An manchen Katastrophen-Tagen, an denen beide Kinder nur gebrüllt haben, haben wir uns gegenseitig aufgefangen.
Wie hält man eine Ehe am Leben mit zwei Kindern?
Wir machen das, was empfohlen wird! Sich einen Babysitter nehmen und Abende zu zweit zelebrieren. Und für die ganze Familie finde ich Urlaub total wichtig. Eigentlich sind es nämlich nicht die Kinder, die schwierig sind für die Beziehung, sondern der Alltagstrott. Man verliert sich dann schnell, jeder macht sein Ding, man sieht sich ab und an noch abends und Axel ist ja Job-bedingt sogar oft abends weg. Mit einem Kind war das noch machbar, mit zwei Kindern ist es einfach eine andere Liga. Man muss sich Freiräume schaffen.
Wie teilst du dir die Zeit für Kinder und Beruf ein?
Ich habe mein Atelier hier um die Ecke, um alles räumlich zu trennen. Das ist wichtig, denn zu Hause komme ich zu nichts! Und ich schreibe ich to-do-Listen und setze Prioritäten. Meistens bleiben trotzdem immer mindestens 30% der Liste liegen. Der Tag bräuchte einfach 48 Stunden, um Job, Kinder und Haushalt zu stemmen!
Ich habe mich oft gefragt: Wann kann ich wieder durchstarten, wann kann ich wieder richtig was leisten? Mein Leitsatz ist mittlerweile: Nicht warten bis der Sturm vorüber ist, sondern lernen, im Regen zu tanzen. Es ist immer irgendwas: Mal hat die eine eine “Wutanfallphase”, dann ist die andere krank. Man sollte nicht auf den Moment warten, bis es mal ruhig ist, sonst fängt man nie wieder an. Es wird einfach nicht mehr wie vorher!
Spürst du da einen gewissen Druck, alles unter einen Hut zu bekommen?
Ja. Und ich empfinde das neue Mutterbild à la „Jede Mama kann Karriere machen, alles ist mühelos vereinbar“ in unserer modernen Gesellschaft schon auch als Druck. Wir haben die Kinder ohne Probleme und gesund auf die Welt zu bringen, lange zu stillen, die Mamakilos schnell zu verlieren und sowieso top auszusehen. Am Besten aber auch gleich wieder arbeiten gehen, aber PEKiP und Babymassage muss zeitlich schon drin sein! Ach ja, und mit Mann und Partyleben ist natürlich auch alles wie zuvor. Dieser Erwartungsdruck ist unfair, besonders allen jungen Müttern gegenüber. Bei Lucie habe mich da echt unter Druck setzen lassen. Ich dachte, ich bin eine Memme, weil ich das mit dem Schlafentzug nicht gepackt habe und diesem Bild nicht gerecht wurde. Es ist einfach nicht mehr alles so wie vorher, die Prioritäten verschieben sich gezwungenermaßen.
Zum Beispiel war ich letztens mal aus, nicht lange, bis zwei Uhr! Ich komme also beseelt nach Hause und eine Stunde später hat Tochter Nummer eins Albträume, um 4:30 hat Tochter Nummer zwei Durst und um 6:15 sind dann beide hellwach… und schlecht gelaunt, genau wie ich. Wer hat da noch Lust Party zu machen?!
Wie beeinflussen deine Töchter deine Kreativität?
Beide inspirieren mich sehr. Man sieht die Welt wieder mit Kinderaugen. Am Schönsten finde ich es, in den Park oder Wald zu gehen und die Natur zu beobachten. Wenn man mit offenen Augen einfach mal den Moment anhält und beobachtet: Das bringt einen einerseits auf den Boden und andererseits ist es schön, diese Glücksmomente zu teilen. Dieses Innehalten hat man als Erwachsener verlernt. Kinder haben eine andere Wahrnehmung, sie spielen und vergessen die Zeit. Ich bin daher auch kein Fan von Kinderspielplätzen, denn sie geben den Kindern vor, was sie zu machen haben. Das schränkt die Kreativität ein. Eine kleine Ecke mit Gras und Pflanzen ist viel spannender! Wenn man mit einem anderen Fokus durch die Stadt und durch den Park läuft, ist das so schon ein riesiger Abenteuerspielplatz. Man kann so viel entdecken und beispielsweise Blätter oder Steinchen sammeln. Das inspiriert viel mehr und ist näher am Leben dran als ein Spielplatz.
Hast du aus diesen Erfahrungen etwas für deinen Job mitnehmen können?
Ja, sehr viel. Auch für mein neues Projekt. Mit einer Freundin gründe ich gerade das Unternehmen “happy to you”. Wir organisieren private Feste, zum Beispiel Kindergeburtstage, Baby Showers und Hochzeiten. Momentan überlegen wir sogar, uns später an Beerdigungen heranzuwagen. Dabei wollen wir fernab vom Mainstream arbeiten. Bei Kinderfesten kann man immer mit Süßigkeiten und Plastikgeschenken kurzzeitig beeindrucken, aber das Schöne ist doch, den Moment zu genießen. Besonders Kinder zehren von schönen Momenten, die haben dafür ein Gespür. Und dazu muss man auch nicht erzogen werden, das kann jedes Kind. Aktivitäten sind viel nachhaltiger als ein materielles Geschenk. Es soll darum gehen, das Leben zu feiern – das hat mir meine Mutter mitgegeben und ich möchte es gerne weitergeben.
Inneneinrichtung ist ein großes Thema bei dir. Wovon lässt du dich inspirieren und wo findest du die tollen Sachen?
Ich reise unglaublich gern und bevor meine Töchter in die Schule gehen, wollen wir das auch noch viel ausnutzen. Das Reisen mit Kindern ist super, man reist auch wieder mit anderen Augen. Viel bringe ich von dort mit oder ich finde Dinge auf Flohmärkten und dunklen Kellern. Ich bin eine Sammlerin von Dingen mit Geschichte. Wenn ich irgendwo einen Schatz sehe, dann kaufe ich ihn meistens. Ich habe mich davon frei gemacht, alles praktisch zu bewerten, und es passt dann auch immer irgendwo hin! Mit meinen Händen zu arbeiten und zu gestalten hat mich schon immer glücklich gemacht. Ich komme aus einer sehr kreativen Familie, meine Mutter Tina Burzin ist Malerin und mein Vater Architekt. Kunst, Farben und Formschönheit begleiten mich also schon mein ganzes Leben und haben meine Sicht darauf geprägt.
Hat sich dein eigener Stil durch die Kinder verändert?
Ja klar, Seiden- und Chiffonsachen, überhaupt alles was nicht waschbar ist, kann man eigentlich abhaken. Zumindest bei mir funktioniert es nicht. Mein Look ist entspannter geworden, glaube ich. Ich bin ein großer Isabel Marant Fan: Ihre Sachen sind bequem, und trotzdem irgendwie besonders und elegant. Das mag ich.
Und deine Kinder, wie sind die modisch so drauf?
Bobbie hat einen guten Stil. Sie hat auch schon früh angefangen sich selbst anzuziehen und das sieht immer cool aus. Bei Lucie geht es meistens eher in die Zigeuner-Richtung! Die kann manchmal auch etwas arg schräg ausfallen. Ich selbst bin ja total Hippie-mäßig aufgewachsen, wir waren nie shoppen und manchmal erschrecke ich, wenn ich Kinder sehe, die teurer angezogen sind als ich. Klar kauf ich hin und wieder auch ein teures Teil aus einem schicken Mitte-Laden, aber ich kombiniere auch gerne mit meinen alten Klamotten, mit Flohmarktsachen oder Ebay-Schnäppchen. Das ergibt dann einen guten Mix. Ich muss auch sagen, dass der Ehrgeiz, die Kinder zu stylen, nachlässt. Beide haben ihren eigenen Kopf und wenn nur noch Geplärre ist, stecke ich sie manchmal einfach in den wildesten Outfits in den Aufzug. Hauptsache, man kommt aus dem Haus!
Hast du Beauty-Rituale, um gegen den Stress anzukämpfen?
Ich würde so gern mal wieder in die Sauna gehen, aber ich schaffe es einfach nicht! Ansonsten bin ich auf sehr teure Cremes umgestiegen und bilde mir auch ein, das bringt was. Ein guter Concealer ist natürlich wichtig und gerade für die erste Zeit mit kleinen Kindern braucht man unbedingt ein Trocken-Shampoo! Ansonsten nehme ich mir meine Auszeiten, lege mich in die Badewanne, lese ein Buch. Die Kraft, die man daraus zieht, die bringt so viel für die nächsten Tage. Innehalten, durchhalten und raus aus dem Alltag. Danach geht alles leichter.
Eine kleine Zeitreise: Wenn du dir selbst als werdende Mutter einen Tipp geben könntest, welcher wäre das?
Geduld zu haben! Es wird wieder leichter werden. Man denkt, man bekommt das Kind, und da ist es dann, das neue Leben. Das stimmt aber nicht, es entspannt sich auch alles wieder. Es gibt immer Phasen, gute und schlechte. Phasen, wo die Kinder anstrengender sind und Phasen, in denen sie selbstständiger sind. Man muss einfach Geduld haben.
Was ist das Schönste am Mama-Sein?
Diese uneingeschränkte Liebe und das Vertrauen, das einem entgegen gebracht wird. Das ist wie Verliebtsein, aber noch heftiger. Absolut gigantisch!
Und was ist das Nervigste?
Die Nächte, der Schlafmangel. Ich könnte mich überall hinlegen und schlafen, ich brauche Schlaf so sehr. Und dass man mit Kindern nicht richtig planen kann. Erledigungen mit zwei Kindern zu machen, die unterschiedliche Bedürfnisse zu unterschiedlichen Zeiten haben, ist nicht immer einfach.
Danke für das Interview, Lisa!
Hier geht es zu Lisas Blog und hier zu “happy to you”
Lisa Burzin mit Lucie (5) und Bobbie (3), Februar 2013
Interview: Marie Zeisler / Isabel Robles Salgado
Fotos: Julia Nitzschke