Vian Feldhusen und Ava
Es war eine wilde Zeit!

Nach Jahren in einer Werbeagentur macht sich Vian vor vier Jahren selbstständig und gründet Coffee Ads. Das Unternehmen war schnell so erfolgreich, dass sie 2012 eine zweite Firma gründet, Happy Cups. Ganz nebenbei und mittendrin, wurde ihre Tochter Ava geboren, die nun vier Jahre alt ist. Die Power-Frau mit Künstler-Mann erlebt turbulente Jahre und ist heute glücklicher denn je. Warum sie mittlerweile am liebsten nur noch Mütter einstellen würde, verrät sie im Interview.

Du hast vor vier Jahren fast zeitgleich mit der Ankunft deiner Tochter eine Firma gegründet. Wie war das?

Ich war und bin immer noch ein ziemliches Arbeitstier und hatte das alles ein wenig unterschätzt. Alle Kollegen meinten: “Feldhusen bekommt ihr Kind unterm Schreibtisch”. Fünf Tage vor der Geburt habe ich noch voll gearbeitet und am Tag, als es losging, war ich joggen und dachte “Uhh, meine Fruchtblase!”. Ich bin dann sogar noch zu einer Wohnungsbesichtigung, wo der Aufzug ausgefallen war und merkte: Meine Fruchtblase ist geplatzt! Also noch schnell ins Café, Frühstück geholt und ab ins Krankenhaus.
Ich dachte dann, ich mache drei Monate Pause und starte wieder voll durch. Als kontrollierten, fokussierten Menschen hat es mich dann aber komplett überwältigt, und spätestens mit der Still-Demenz war klar, dass es jetzt ein anderes Leben ist. Ich habe anderthalb Jahre gebraucht, um mich darin zurecht zu finden! Es braucht Zeit, um alles neu zu orientieren. Denn es verändert sich mehr, als man in Büchern lesen kann oder bei Freunden beobachtet. Ab dem dritten Monat hatte ich dann eine Nanny, die für ein paar Stunden gekommen ist, und uns unterstützen konnte, weil wir beide keine Familie in Berlin haben.

Woher kam der Impuls, sich selbstständig zu machen?

Ich hatte keine Lust mehr, sieben Tage die Woche 14 Stunden am Tag in einer Werbeagentur zu sitzen und Dinge zu machen, bei denen das Team nicht vorankommt, und man aber nachts noch eine Schaltung nach Brasilien machen muss. Also habe ich mich umgeschaut, viele Leute getroffen, die ich spannend fand, Pläne entwickelt. Erst war ein großes Start-Up wie Xing für Kreative gedacht, ähnlich wie Behance. Wir haben einen Businessplan geschrieben, hatten Investoren am Start, und haben uns doch gegen ein 200 Mann-Unternehmen entschieden. Dann kam die Coffee Ads Idee und Fragen wie “Wie kann man das an den deutschen Markt anpassen? Nehmen wir einen Kredit auf?” Ava war zwei, drei Monate alt. Es war eine wilde Zeit! Man braucht einfach viel mehr Power, als man denkt.

Du hast viel gearbeitet. Wie lief das mit der Beziehung?

Mein Mann hat damals auch gekündigt, um sich nur noch auf seine Kunst zu konzentrieren. Das war nicht ganz einfach, weil alles so neu war für unsere kleine Familie. Jetzt sind wir aber total glücklich über unsere Entscheidungen, weil er sich nun als Künstler verwirklichen kann und ein wunderbarer Papa ist, der jeden Abend kocht und Jenga-Türme aus Karotten baut.
Es ist immer wichtig durchzuhalten! Viele trennen sich in den ersten zwei Jahren und das finde ich schade.

Mit der Gründung einer Familie geht man eine absolute Verbindlichkeit ein. Hattest du davor Angst, oder war dieser Schritt etwas ganz Natürliches, sogar Selbstverständliches?

Ich hatte Respekt davor. Wir wussten, wir wollen ein Kind. Es war aber überhaupt nicht geplant. Es war überraschend und auch schockierend. Weil wir gerade die Agenturen aufgeben wollten und alles verändern wollten. Und ja, ich hatte Sorgen, ob alles funktioniert. Um uns haben sich alle Konstanten bewegt – aber eigentlich will man ja ein Kind in ein ruhiges Umfeld bringen, dann, wenn “alles fertig ist”.

Hattest du das Gefühl, du verlierst an Freiheit?

Total. Das fängt dabei an, dass man duschen möchte und man kann nicht. Oder man muss mit Schaum auf dem Kopf ins Wohnzimmer rennen, weil das Kind doch aufwacht. Das war am schwierigsten: Zu begreifen, dass ein kleiner, unberechenbarer Störenfried dafür sorgt, dass du alles anders machen musst.

Wie hat Ava euer Leben verändert?

Ava war das Beste, was passieren konnte. Sie war der Katalysator für genau die richtigen Entscheidungen. Weil wir nicht rumprobieren konnten, sondern Fokus an! Sie kommt. Es wird gut. Wir reißen uns zusammen, dass wir das Richtige tun. Dieses sich ständig Um-Sich-Selbst-Drehen fällt weg. Spätestens mit Kind merkt man, dass es etwas Wichtigeres gibt als das Materielle, den Stress und das Hamsterrad. Man kann sich nicht mehr über so viel Bullshit Gedanken machen, dazu hat man nicht die Zeit. Man macht die Dinge einfach und wird pragmatischer.
Und: Es ist eine Runde mehr Spaß, ein anderer Spaß und wahnsinnig viel Liebe. Die Dinge, die im ersten Jahr unvorhersehbar waren und uns komplett aus der Fassung gebracht haben, sind jetzt lustig: Vom Schreien, hin zu Unterhose auf dem Kopf, oder sich mit Nagellack einen Mausepunkt auf die Nase malen.
Manchmal fehlt es mir natürlich, mal einfach rauszugehen, aber ich habe mich daran gewöhnt und sorge schon dafür, dass ich Momente habe, in denen es um mich geht.

Du hast letztes Jahr noch eine zweite Firma gegründet. Denkst du manchmal, dass du dich übernommen hast?

Eigentlich nicht. Es sei denn, die Steuererklärung steht an, das Kind ist krank und im Bad ist was kaputt. Aber stressmäßig geht alles. Klar gibt es Momente, wo ich an mir zweifle: Muss ich unbedingt eine Businessfrau sein? Kann ich nicht einfach auch zu Hause sitzen und einen easy Homeoffice-Job machen und mich damit zufriedengeben? Mache ich das so richtig und ist es gut für Ava? Aber ich bin so ein rastloser Typ. Ich weiß ganz genau, wenn ich es nicht tun würde, würde mich kein Mensch ertragen. Es läuft alles gut, darauf achte ich. Ich habe tolle Mitarbeiter, man muss viel planen. Am liebsten würde ich übrigens nur noch Mütter einstellen! Sie sind viel effizienter als zum Beispiel jemand, der das Wochenende im Kater Holzig verbracht hat und dann die erste Wochenhälfte nur auf Halbmast läuft.

Was würdest du anders machen?

Ich würde die ersten Monate nach der Geburt entspannter machen und mir selbst nicht soviel abverlangen, sowie nicht von mir erwarten, dass ich alles so wie vorher schaffe.
Man will sich selbst verwirklichen, Mutter sein, Spaß haben, Frau bleiben, Gefallen an Style und Mode haben, und dann noch selbst eine entspannte Person sein – das alles unter den Hut zu bekommen, ist eine Herausforderung! Man kann nur anfangen die Dinge gelassener zu sehen und sich Zeit zu geben, zu fokussieren. Ich will manchmal alles auf einmal und alles muss gleich sitzen. Das ist meine Aufgabe an mich selbst: Eher fünf Jahresziele zu machen und zu schauen, was ich eigentlich alles Schönes im Moment habe.

Was ist das Nervigste am Mama-Sein?

Dass man 24 Stunden bereitsteht und nach einem anstrengenden Arbeitstag seinen zweiten Job hat, den viel Wichtigeren, und gut gelaunt zur Kita fährt. Das Nonstop-Dasein und gucken, dass man immer einer Sache volle Konzentration schenkt: Auf der einen Seite die Arbeit, auf der anderen Seite das Kind.

Was ist das Schönste?

Die grenzenlose Liebe und die Art und Weise, wie das Leben voller wird. Dass Ava uns teilhaben lässt an dem kindlichen Blick auf die Welt. Die kuriosen Fragen: “Warum hängt der Ast vom Baum?”
Die Dinge, die man selbstverständlich findet, durch das Kind zu erfahren. Dadurch verändert man sich selbst. Das sagt man auch im Buddhismus: Man heilt erst dann richtig, wenn man ein eigenes Kind hat. Wenn man selbst alle Etappen der eigenen Psyche durchläuft. Oder auch Angewohnheiten, die man entwickelt hat, wenn man manchmal komisch war, versucht man mehr auf sich zu achten und ein Vorbild zu sein. Und: Die Lebensqualität wird besser. Man macht viele schöne Dinge, die man ohne Kind nicht machen würde. Man hat eine Menge, Menge Spaß.

Danke, Vian!

Hier geht’s zu Vians Unternehmen Coffee Ads und Happy Cups

Vian Feldusen und Ava Futura Roj (4), August 2013

Interview: Marie Zeisler

Fotos: Cornelia Thonhauser

Video: Roddy Ziebell