Badia Ouahi ist eine feste Größe in der Frankfurter Gastronomie-Szene. Die Mutter von drei Söhnen leitet das Café/Restaurant der Schirn Kunsthalle – eines der renommiertesten Museen Europas. Die Frankfurterin mit marokkanischen Wurzeln hat unserer Redakteurin Katharina verraten, wie sie es schafft, ihren Laden mit so viel Herzblut zu führen – und warum die Familie für sie trotzdem das Allerwichtigste ist. Außerdem nimmt uns Badia mit in ihre tolle Altbauwohnung in der Frankfurter Innenstadt, in der die Küche natürlich das Zentrum ist …
Badia Ouahi mit Zav, Saam und GivMeine Familie gibt mir Halt, da ich selbst nie ein richtiges Familienleben hatte
Hi Badia, ich erinnere mich noch gut, als du 2015 das Angebot erhalten hast, das Café der Schirn zu übernehmen. Eine unheimliche Chance, aber auch eine große Herausforderung. Wie fühlt es sich heute an, Chefin von einem so großen und bekannten Laden zu sein?
Fünf Jahre später ist die Naivität natürlich weg (lacht). Eigentlich ist es wie mit der Liebe: Man muss naiv sein, um sich auf jemanden einzulassen. Das ist mein erster Laden in dieser wahnsinnigen Größe, der mit der Schirn Kunsthalle auch noch an eines der größten europäischen Museen angeschlossen ist. Am Anfang war ich wahnsinnig lost. Ich habe vorher hauptsächlich Catering gemacht und hatte noch kein Konzept! Was mich als Mensch ausmacht ist aber, dass ich keine große Ehrfurcht oder Bewunderung habe. Deshalb konnte ich mich auf das konzentrieren, was ich machen wollte: gutes Essen. Ich habe mir einfach die Freiheit genommen, immer wieder neue Konzepte auszuprobieren.
Wie würdest du deine Küche heute beschreiben?
Ich bin Frankfurterin und liebe an meiner Heimat, dass es eine Stadt ohne Grenzen ist. Wir können hier alles genießen: Ich kann hier Chinesisch essen, ich kann Thailändisch essen … Alles das macht für mich die Frankfurter Küche aus. Es ist eine Weltküche. Genau das spiegelt auch “Badias kitchen” wieder. Wir haben Einflüsse aus New York, aus Mexiko City und aus Tel Aviv – aber auch aus der gehobenen französischen Küche. An der Kunst mag ich vor allem ihre Spontanität. Und weil wir hier in der Schirn immer neue Künstler haben, schaue ich auch, dass wir uns an ihnen orientieren.
Wer das Schirn Café/Restaurant in der Frankfurter Altstadt kennt, kennt auch dich. Wie schaffst du es, deinen Laden mit so viel Herzblut zu betreiben und gleichzeitig als Mutter präsent zu sein?
Mein Partner Teimaz hat von Anfang an einen Großteil unseres Familienlebens übernommen, sonst hätte ich diesen Spagat nicht machen können. In der Gastronomie muss man ganz klar sagen: Entweder du machst das aus Leidenschaft oder du machst es eben nicht. Vor allem am Anfang ist es wirklich sehr viel Arbeit. Irgendwann kommt die Routine und man hat auch wieder mehr Zeit für die Familie. Ohne die absolute Rückendeckung von Teimaz hätte ich das aber nicht geschafft.
Und wie kriegt es Teimaz auf die Reihe, Job und Kinder zu vereinen?
Er war vorher auch ein Macher in der Frankfurter Szene und musste auf die Bremse treten, damit ich losfahren kann. Er macht jetzt aus dem Homeoffice Internetauftritte und Webshops für große Marken. Das kann er super mit den Kindern vereinen. Ich kann meine Cappuccinos ja leider nicht von zu Hause verkaufen (lacht).
Und wie teilt ihr euch in Sachen Haushalt, Kochen etc. auf?
Teimaz macht die Einkäufe auf dem Markt und kümmert sich um die Kinder. Wenn ich zu Hause bin, koche ich viel. Ich liebe es! Es tut meiner Seele gut und ist für mich wie eine Therapie. Meistens versuche ich zum Abendessen zu Hause zu sein und gehe dann wieder in die Schirn.
Wow, das stelle ich mir auf Dauer ganz schön anstrengend vor …
Je länger ich das mache, desto eingespielter wird es. Ich habe zum Glück tolle Festangestellte, auf die ich mich verlassen kann. So habe ich auch zwischendurch immer mal wieder Zeit für die Kinder. Jetzt, zu Corona, bin ich auch wieder mit in den Alltag eingestiegen, kümmere mich um Nachhilfe für die Jungs etc.
Gutes Stichwort: In der Pandemie wurde euer Tagesablauf mehr als auf den Kopf gestellt. Das Restaurant ist seit November zu, eure drei Söhne mussten lange zu Hause betreut werden. Stichwort Homeschooling. Wie läuft das bei euch?
Die Kinder hatten alle Homeschooling und das war echt hart. Vor allem beim Kleinsten habe ich mir Sorgen gemacht, dass er nicht alles mitbekommt. Er ist ja gerade erst in die Grundschule gekommen … Teimaz und ich haben uns aber so gut es geht aufgeteilt: Ich habe mich um den 14-jährigen Giv gekümmert. Teimaz hat Saam betreut, der in die 5te Klasse des Gymnasiums geht. Um Zav, den Kleinsten, haben wir uns abwechselnd gekümmert. Dazu noch Frühstück machen, Mittagessen, Abendessen … Obwohl ich mich als unheimlich privilegiert ansehe, war das eine echte Herausforderung. Jetzt hat ja der Wechselunterricht wieder begonnen – jedenfalls für beiden Kleinen. Mal sehen, wie das dann läuft.
Habt ihr auch Unterstützung von Familie oder Freunden?
Die Eltern von Teimaz sind eigentlich sehr präsent in unserem Leben. Aber wegen Corona kommen sie aktuell natürlich nicht so oft. Wir sind also mehr oder weniger auf uns alleine gestellt. Aber es macht Vieles einfacher, dass wir ganz tolle Nachbarn hier bei uns im Haus haben.
Ihr wohnt in einer wunderschönen Altbauwohnung. 165 Quadratmeter, mitten in der Stadt. Klingt nach guten Voraussetzungen, um einen Lockdown zu verbringen …
Wir sind im ersten Lockdown umgezogen. Als wir den Zuschlag für die Wohnung bekommen haben, hatte ich erst Bedenken, ob wir sie uns das leisten können. Gerade jetzt, zu Corona-Zeiten. Heute bin ich super dankbar, dass wir diesen Schritt gewagt haben und so mutig waren. Jedes Kind hat jetzt sein eigenes Zimmer und wir haben wirklich viel Platz, um uns zu entfalten. Außerdem wohnen unsere Freunde mit im Haus. Mit ihnen verbringen wir viel Zeit. Wir kochen, essen, teilen uns die Einkäufe und auch ein bisschen die Erziehung. Das ist meine Vorstellung vom Leben: Ich brauche dieses Gefühl von Großfamilie. Wenn mir die Decke auf den Kopf fällt, kann ich kurz hochgehen und reden – und umgekehrt.
Was ist für dich der wichtigste Raum in eurer Wohnung?
Die Küche ist das Herzstück und Zentrum unseres Familienlebens. Ein Freund hat sie für uns entworfen und gebaut. Sie ist groß und hat einen Zugang zum Balkon. Sie ist so toll geworden, dass ich hier jetzt auch manchmal unsere Livecooking-Sessions auf Instagram mache.
Wusstet ihr schon immer, dass ihr viele Kinder haben wollt?
Nein, ehrlich gesagt haben wir das so nicht geplant. Aber ich wusste immer, dass ich eine Familie gründen wollte. Ich war in meinem Freundeskreis damals auch die erste, die losgelegt hat. Mir hat das viel Halt gegeben, da ich selbst nie so ein richtiges Familienleben hatte.
Deine Mutter ist früh verstorben und du bist mit 14 Jahren nach Deutschland gekommen. Wie war es für dich, mit so einer Geschichte selbst Mutter zu werden?
Mich selbst in der Mutterrolle einzufinden, war nicht immer leicht. Es gab Höhen und Tiefen. Ich habe auf jeden Fall gelernt, dass die Kinder einem selbst nicht gehören. Mir ist wichtig, dass ich meinen Kindern Beständigkeit und ein Zuhause gebe.
Du bist Mutter von drei Söhnen und damit einzige Frau im Haushalt. Wie fühlst du dich in dieser Rolle?
Das ist für mich nicht von Bedeutung. Ich bin in Marokko aufgewachsen und habe von meiner Großmutter gelernt, dass es völlig egal ist, wer da vor dir steht. Das versuche ich auch meinen Kindern so zu vermitteln.
Was ist für dich die größte Herausforderung am Muttersein?
Dass ich meine eigenen Wünsche und Probleme nicht auf die Kinder projiziere. Dass ich einfach liebevoll und menschlich bin, ohne genervt zu sein.
Und was ist das Schönste?
In meinem Mikrokosmos gibt mir meine Familie Halt und Zuversicht. Sie ist der Grund, warum ich auf dieser Welt bin. Das Gefühl, dass ich ein Zuhause habe, ist elementar für mich und meine Geschichte.
Vielen Dank für das Gespräch, liebe Badia!
Badia Ouahi und Teimaz mit Zav, Saam und Giv (7, 11 und 14 Jahre)
Interview: Katharina de Silva
Fotos: Nadine Kopp