Hier kommt unser alljährliches Weihnachtsporträt, auf das wir uns immer sehr freuen. Dieses Jahr noch mehr, denn wir dürfen euch Kerstin vorstellen! Die Gute hat drei eigene Kinder und ein Bonuskind, eine beneidenswert schöne Wohnung, lebt in zweiter Ehe im Patchwork-Modell, leitet eine eigene Firma und hat immer – zumindest meistens! – ein Lächeln auf den Lippen. Kerstin ist also eine von diesen Frauen, wo man denkt: Wow! Aber natürlich war und ist auch bei ihr nicht immer alles Sonnenschein. Relativ kurz nach der Geburt der Zwillinge war sie mehrere Jahre alleinerziehend, hat den Spagat zwischen Job und Familie nur geschafft, weil ihre Mutter sie tatkräftig unterstützt hat. Logischerweise hatte Kerstin auch mit ihrem Unternehmen “The Niche Traveller“, ein Dienstleister für Nischenreisen – vor allem für Familien interessant! – ein hartes Jahr. An ihrer Zuversicht, ihrer Kreativität und ihrer positiven Ausstrahlung hat das nichts geändert – auch wenn sie, so wie wir alle wahrscheinlich, froh ist, wenn die Zeiten wieder etwas normaler werden.
Kerstin Bognar mit Jimi, Arturo und LeoGanz normal ist bei uns eher die Ausnahme!
Erzähl doch mal: Wo kommst du her und wie ist dein beruflicher Werdegang verlaufen?
Ich bin in Gießen aufgewachsen und mir war schon relativ früh klar, dass ich nach dem Abitur wegziehen würde. Gießen hat eine große Universität, ist aber ansonsten keine besonders charmante Stadt. Ich hatte dort eine sagenhafte Kindheit und Jugend, aber nach dem Abi hat mich die Abenteuerlust gepackt. Ich bin ein Vierteljahr durch Neuseeland gereist und anschließend nach Hamburg gezogen. Ich wusste schon mit 13, dass ich Journalistin werden möchte. Von da an ging es eigentlich nur darum, wie ich dieses Ziel erreichen kann. Nach dem Studium bin ich auf der Henri-Nannen-Schule gelandet, das war für mich die beste Ausbildungszeit überhaupt. Unser Lehrgang ist auch heute noch sehr eng verbunden, vielleicht auch, weil unsere Ausbildung vor dem Hintergrund einschneidender Erlebnisse stattfand. Wir haben die Terroranschläge von 9/11 live am Fernseher verfolgt, eine Kommilitonin ist während der Ausbildung an Krebs gestorben, und wir sind mit unserem Abschluss zielsicher in die erste große Medienkrise geschlittert. Da ging es dann halt nicht von der Schulbank direkt zum Spiegel, sondern im Zweifel erstmal ins nächste Praktikum. Ich hatte Glück und durfte mit einer Kollegin nach München, wo die Macher des jetzt-Magazins, deren Baby auch kurz zuvor eingestellt worden war, die neue Zeitschrift Neon entwickelten. Wir waren von Anfang dabei. Und letztlich kann man sagen, dass dieser erste Job dann auch prägend wurde für meine Zeit in den Printmedien. Ich war in den verschiedensten Entwicklungsredaktionen tätig, einige Magazine sind auf den Markt gekommen, andere schlummern bis heute tief und fest in der Schublade oder im Schredder. Ansonsten könnte man meinen Werdegang als relativ klassische Redaktionskarriere bezeichnen: Redakteurin bei Elle, Ressortleiterin bei der Brigitte, Stellvertreterin bei Flair und Grazia. 2017 hatte ich dann noch ein kurzes Intermezzo in Berlin, wo ich für das Online-Magazin eines US-Start-ups verantwortlich war. Diese letzte Festanstellung mündete in der Erkenntnis, meine Erfahrungen in eine eigene Idee zu stecken.
Auch in Sachen Familie bist du viele Stationen durchlaufen, richtig?
In der Tat! Deshalb bin ich auch sehr dankbar und hoffe umso mehr, dass die jetzige Familiensituation Bestand haben wird.
Bei meiner ersten Schwangerschaft war ich Ende zwanzig, wahnsinnig verliebt, überrascht und euphorisch. Dann kam der Schock, das Kind hatte einen genetischen Fehler und viele weitere Krankheiten, so dass uns die Ärzte zu einem Schwangerschaftsabbruch rieten, weil es quasi keine Überlebenschancen gab. Diese Erfahrung war einschneidend und hat mich und auch die Beziehung zu meinem damaligen Partner enorm belastet. Ungefähr ein Jahr später war ich wieder schwanger, mit Zwillingen! Der nächste Schock. Einerseits die Freude, andererseits die Sorge und Angst, weil auch diese Schwangerschaft zu Beginn nicht ganz einfach war.
Nach den ersten drei kritischen Monaten, hat sich dann aber alles gut entwickelt. Die Zwillinge sind in München geboren. Ein gutes Jahr später sind wir zurück nach Hamburg gezogen. Damals war die Betreuungssituation in München noch eine absolute Farce. Wir haben nirgendwo einen Kita-Platz bekommen, schon gar nicht für Zwillinge. Also war ich auf das Back-up meiner Eltern angewiesen, die in der Zwischenzeit auch von Gießen nach Hamburg gezogen waren. Trotz des Umzugs und der Unterstützung konnten wir unsere Beziehung nicht retten.
Wir haben uns getrennt, als die Jungs noch recht klein waren. Nach einigen weiteren Loopings auf der Achterbahn des Lebens habe ich irgendwann meinen heutigen Mann getroffen. Verrückterweise hatte ich ziemlich schnell das Gefühl, dass das ziemlich gut passt. Kurz vor der Geburt unseres gemeinsamen Kindes, haben wir unsere Familien zusammengebracht. Er hatte schon einen Sohn, ich die Zwillingsjungs, gemeinsam haben wir dann Leo bekommen. Wir haben also das Parade-Patchwork. Unsere Kinder haben bei ihren anderen Elternteilen auch noch viele Geschwister. Wir sind also nicht nur eine Patchworkfamilie, sondern auch noch eine sehr große Familie, mit allen guten und schlechten Seiten, die so eine Konstellation mit sich bringt.
Die Jahre vor deinem zweiten Partner warst du mit den Zwillingen alleinerziehend. Wie hast du das damals geschafft?
Ja, diese Zeit damals kurz nach der Trennung war hart und eine große Herausforderung. Sie hat mich aber auch stark gemacht und mir mein Selbstbewusstsein zurückgegeben. Jeder, der in einer unglücklichen Beziehung steckt, kennt das: irgendwann bekommt das Ganze etwas furchtbar Destruktives, ganz egal, ob oder welcher der Partner nun mehr oder weniger Schuld trägt. Das färbt auch auf die Kinder ab. Wenn man dann erkennt, dass eine Trennung alternativlos ist, kommt erstmal das tiefe Loch und dann beginnt ganz langsam die Trümmerarbeit und der Aufbau eines neuen Lebens mit richtig dicken Wurzeln. Denn die Kinder bleiben, und der andere Elternteil eben auch.
Ich hatte nach der Trennung großen Rückhalt durch meine Familie, besonders meine Mutter hat mich sehr unterstützt. Ich bin arbeiten gegangen, habe das Geld verdient und meine Mutter hat sich um die Jungs gekümmert, hat sie von der Kita abgeholt, gekocht und als ich abends von der Arbeit kam, stand das Essen auf dem Tisch.
Das ist ja wunderbar! Ist deine Familie, insbesondere deine Mutter auch heute noch eine Hilfe für dich?
Und wie. Meine Mutter ist zwar nicht mehr in die Alltagsversorgung bei uns zu Hause eingebunden, aber sie ist immer noch für uns da, wenn wir sie brauchen und hat einen engen Bezug zu den Kindern. Jetzt ist es allerdings so, dass wir uns auch um sie kümmern müssen, da es ihr gesundheitlich nicht so gut geht. Eigentlich hätte sie ja auch heute beim Fotoshooting dabei sein sollen, das ist aber zur Zeit leider ein zu hohes Risiko. Auch mein Vater macht viel. Er übernimmt hauptsächlich die Shuttle-Fahrten zu den Trainingseinheiten und Spielen der Kinder. Außerdem haben wir noch eine Kinderfrau, die uns auch im Haushalt unterstützt. Sie kommt mindestens zwei- bis dreimal pro Woche, spielt mit Leo, kümmert sich um die Wäsche, kocht und macht einfach die besten Pfannkuchen der Welt. Die Kinder lieben sie und wir sind sehr dankbar, dass sie bei uns ist.
Wie ist euer Familienalltag denn jetzt generell so organisiert als Patchwork-Familie?
Hui, das ist schon recht komplex, aber ich habe immer noch keinen Familienkalender. Das ganze Organisieren hält den Kopf fit und meistens kommt ja doch immer alles anders, als geplant. Grob gesagt ist es so: Die großen Jungs sind abwechselnd auch bei ihren anderen Eltern, unser 15-Jähriger lebt überwiegend in der Familie seiner Mutter, die Zwillinge etwas mehr bei uns. Aber sie haben ein sehr enges Verhältnis zu ihrem Vater und sind in der Regel auch jede Woche bei ihm.
Wie sieht ein ganz normaler Tag bei euch aus?
Puh, ganz normal ist bei uns eher die Ausnahme. Mein Mann war bis vor kurzem gar nicht so sehr in den Alltag eingebunden, da er unter der Woche nicht in Hamburg war. Das hat sich durch Corona fundamental geändert und aktuell unterstützt er mich, wo er kann. Ein wünschenswerter Tag wäre so: Jungs in der Schule, Leo im Kindergarten, mein Mann und ich im Büro. Am frühen Nachmittag holt einer den Kleinen vom Kindergarten ab, kurzer Check-up zu Hause, wo auch die Kinderfrau schon ist, dann weiterarbeiten, entweder wieder im Büro oder im Home Office. Normalerweise machen die Kinder täglich Sport, aber das fällt ja durch Corona flach. Uns sind gemeinsame Mahlzeiten wichtig, daher essen wir unter der Woche mindestens einmal täglich zusammen, am Wochenende auch öfter.
Du hast lange in Redaktionen gearbeitet und dich dann selbstständig gemacht. Was waren die Beweggründe?
Den gefühlten Unternehmergeist, den ich in mir trage, endlich in die Tat umzusetzen. Der Wunsch, aus einer Idee, ein Geschäft zu entwickeln. Menschen, die ich schätze und gerne um mich habe, für eine gemeinsame Idee zu gewinnen.
Und warum das Reisen als Thema?
Reisen war immer schon meine große Leidenschaft. Durch meine private Situation habe ich mehr und mehr festgestellt, wie schwierig es ist, als Familie mit mehreren Kindern halbwegs auf dem Niveau zu reisen, wie ich das auch vorher getan habe. Die Idee zum Niche Traveller war irgendwann die Konsequenz, meine Talente zu bündeln, die Lücke zu füllen und gleichzeitig nochmal ganz von vorn anzufangen.
Wie funktioniert The Niche Traveller denn und wer ist eure Zielgruppe?
Um unseren persönlichen Beratungs- und Buchungsservice in Anspruch nehmen zu können, muss man Mitglied werden. Dafür findet man online auf unserer Website zwei Mitglieder-Optionen. Der maßgebliche Unterschied ist: Bei dem kleineren Jahresbeitrag organisieren und beraten wir für eine Reise, beim großen Paket beraten und buchen wir alle Reisen innerhalb eines Jahres. Außerdem bekommen alle Mitglieder uneingeschränkten Zugang zur Website, sie können alle kuratierten Unterkünfte sehen und finden zu den Reisezielen detaillierte Insider Guides. Unsere Zielgruppe sind Familien in Europa, die mit ihren Liebsten einen besonderen Urlaub verbringen möchten.
Ich bin ja eher so der Rucksack- und Abenteuer-Typ, wenn es ums Reisen geht, aber viele Familien wollen einfach entspannen – bietet ihr für beide was? Also auch für alle Preisklassen?
Unser Angebot ist maßgeschneidert, das heißt: Unser Mitglied sagt, was ihm wichtig ist und wir bemühen uns, ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Sei es mit dem Rucksack durch die Karpaten oder auf die Sonnenliege nach Apulien. Entscheidend ist meistens die Familienkonstellation – und genau da setzt eben auch unsere Expertise und Erfahrung an. Wir wissen, wie Urlaub in unterschiedlichsten Familienkonstellationen geht und was es zu bedenken gibt. Ich persönlich finde Rucksack-Reisen auch super, aber ob ich einer fünfköpfigen Familie mit Kindern unterschiedlichsten Alters dazu raten würde… – wohl eher nicht. Andererseits geht es auch darum, familiäre Leidenschaften ausfindig zu machen und Angebote zu kreieren, die verbindende Erlebnisse schaffen. Insofern: Abenteuer ja, aber es soll kalkulierbar bleiben. Erst recht vor dem Hintergrund der Corona-Krise ist das Sicherheitsbedürfnis deutlich gestiegen. Vor allem bei Familien.
Apropos… 2020 war sicher kein einfaches Jahr für dich.
Das kann man sagen. Privat wie beruflich eine echte Herausforderung. Mitunter könnte man auch verzweifeln. Dennoch: Die Corona-Krise ist ein Booster für bewusstes Reisen. Unser Angebot zielt genau darauf ab. Mit und ohne Corona. Von daher müssen wir jetzt nur durchhalten, dann wird schon alles gut. Aber einfach ist das natürlich nicht. Und die Krise trifft besonders Familien und Kinder hart. Das haben auch wir sehr gespürt, vor allem im ersten Lockdown als Kitas und Schulen geschlossen waren. Das hat mich mitunter auch an meine Grenzen gebracht.
Du denkst also, dass das Reisen sich durch die Pandemie auch langfristig verändern wird?
Ja, ganz bestimmt. Zumindest, was Individualreisen betrifft. Mal eben weit weg fliegen, shoppen in Dubai, schnorcheln auf den Malediven, wieder zurück und das Wochenende drauf nach Venedig. Das entspricht nicht mehr dem modernen Mindset. Man wird weniger verreisen, dafür länger bleiben. Je nach Familienkonstellation und gesundheitlichem Zustand, wird die medizinische Versorgung im Reiseland ein größeres Thema. Kleine und feine Unterkünfte werden profitieren, große Hotels und Resorts werden es schwerer haben. Unterkünfte, Orte und Reisen, an denen man geschützt ist und exklusive Zeit mit Freunden und der Großfamilie verbringen kann, werden gefragter sein denn je.
Wie lange seid ihr schon in eurem Zuhause und bist du „angekommen“?
Wir sind hier eingezogen kurz bevor Leo auf die Welt gekommen ist, also vor ziemlich genau sechs Jahren. Unsere Wohnung ist ein Traum, den wir alle sehr zu schätzen wissen. Eine Oase mitten in der Stadt. Im Sommer spielt sich unser familiäres Leben fast ausschließlich auf der Terrasse und im Garten ab.
Wann findest du exklusive Zeit für dich?
Ich versuche, mir im Alltag in möglichst kurzer Zeit etwas Gutes zu tun, das mich energetisch auflädt und auf andere Gedanken bringt. Sei es ein 15-Minuten-Sprint an die Alster, Yoga, Trampolin springen, eine Massage, eine Stunde Tennis oder Klavier. Grundsätzlich habe ich aber kaum Zeit für mich, meine Freunde und meine Hobbies. Dafür habe ich erst vor kurzem ein Unternehmen gegründet, vier Kinder und eine große Familie – man kann im Leben nicht alles haben. Oder vielleicht doch, aber eben nicht zur gleichen Zeit.
Was ist das Herausforderndste am Elternsein?
Schwierige Frage! Alles im Blick zu behalten und sich trotzdem nicht selbst zu verlieren. Das richtige Maß finden aus fordern und fürsorglich sein. Erziehen und trotzdem loslassen können. Und großzügig und liebevoll bleiben.
Und was das Schönste?
Das voll im Leben sein und sehen, wie aus den Kindern eigenständige Persönlichkeiten werden. Ihre Freude zu sehen, ihre Ehrlichkeit, ihr unstillbares Interesse und den Hunger nach Input, das alles hält einen unfassbar beweglich und lebendig und lässt einen viel Liebe erfahren und Liebe geben.
Danke, Kerstin!
Kerstin Bognar mit Jimi, Arturo (beide 12) und Leo (5), Dezember 2020
Der älteste Sohn der Familie ist 16 und war nicht beim Shooting dabei!
Interview: Isabel Robles Salgado
Fotos: Özlem Özsoy Mia Takahara