“Ich wollte immer Geschichten schreiben”, sagt Christine. Und das hat sie! Erst für eine PR-Agentur, dann für’s Handelsblatt, irgendwann wagte sie sich in die journalistische Selbstständigkeit und ging vor vier Jahren noch einen Schritt weiter: Mit ihrer Schwägerin, der Illustratorin Sarah Neuendorf, gründete sie Gretas Freunde: einen eigenen, kleinen Verlag. Warum hat es die Berlinerin Christine überhaupt vor mittlerweile 11 Jahren nach Düsseldorf verschlagen? Wie schaukelt sie ihr Business mit drei Kindern und einem viel beschäftigten Mann? Und wieso sieht bei ihr immer alles so hübsch aus? Das und noch viel mehr verrät sie uns im Interview.
Christine Weissenborn mit Leonie, Anna und DavidEs gibt nichts Besseres
Liebe Christine, erzähl uns doch ein bisschen was über dich!
Im Herzen bin ich Berlinerin, dort habe ich auch meine erste Ausbildung als Werbekauffrau absolviert. Danach verschlug es mich nach Passau, um Kulturwirtschaft zu studieren. Meine Berliner Freunde erklärten mich damals für gestört. Weiter weg vom Hauptstadtleben ging es ja kaum. Aber was soll ich sagen: ich mag das Landleben. Ich habe im winzigen Passau Freundschaften fürs Leben geknüpft, meinen künftigen Mann, der lustigerweise auch Südwest-Berliner ist, kennengelernt und die Welt von Santiago de Chile bis New York in Auslandsemestern, via Praktikum und beim Reisen entdeckt. Danach landete ich bei der Verlagsgruppe Handelsblatt in Düsseldorf, ich zog an den Rhein und wurde Wirtschaftsjournalistin. Irgendwann merkte ich aber, dass ich für die Tageszeitung zu langsam war, weil ich selbst Einstiege in Nachrichtentexte verschnörkelte. Ich konnte einfach nicht anders.
Also machte ich nach drei Jahren wieder einen Cut und wagte mich in die Selbstständigkeit, ein großer Hops für ein sicherheitsverwöhntes Beamtenkind, haha. Ich probierte mich beim Deutschlandfunk aus, bei der Zeit, beim Tagesspiegel und im Corporate Publishing-Bereich. Ich schrieb auch weiterhin für Handelsblatt und Wirtschaftswoche – und wagte mich endlich irgendwann daran, selbst eine Geschichte zu verfassen und zusammen mit meiner Schwägerin mein erstes eigenes Kinderbuch zu veröffentlichen. Außerdem arbeite ich mittlerweile auch noch als Beraterin.
Bist du denn damals schnell warm geworden mit dem Rheinland?
Nein, gar nicht! Ich habe jahrelang mit meinem inzwischen Göttergatten eine Fernbeziehung rund um den Planeten geführt. Als es mich nach Düsseldorf verschlug, malochte er gerade in Hamburg, später ging er nach München und im Anschluss nach London. Ich saß also am Wochenende immerzu in der Bahn oder im Flugzeug und reiste der Liebe hinterher. In Düsseldorf kannte ich keine Sau – in Hamburg, München und London aber schon. Düsseldorf wurde mir erst lieb, als klar war, dass ich beim Handelsblatt auch nach dem Volo bleiben würde und meinen Mann deshalb nach Düsseldorf beorderte. Schluss mit der Pendelei, endlich mal ankommen, ein bisschen Grund ins Zusammenleben legen. Ich verkaufte ihm den Stadtteil Flingern als Düsseldorfs Kreuzberg – dafür lacht er mich heute noch aus – und da sind wir seither auch geblieben. Inzwischen mag ich’s hier viel lieber als in Kreuzberg – und drei Kinder haben uns zudem verwurzelt wie einen knarzenden Baum. Ich mag den Rhein und die Frohnaturen hier, die Nähe zu Holland und die kurzen Wege. Aber Berlin ist und bleibt meine Herzensstadt!
Genau, zwischendrin hast du ja auch noch relativ schnell hintereinander drei Kinder bekommen, wolltest du das immer so haben?
Genauso so. Eigentlich wollte ich immer vier, ich habe selber drei Geschwister und fand das – meistens zumindest – toll. Im Moment bin ich aber mit dreien ausreichend ausgelastet…
Bist du bei während und nach den Schwangerschaften und in der Babyzeit mal raus aus dem Berufsleben gewesen?
Nein, nie! Ich habe immer weiter gearbeitet, so gut das ging zumindest. Bei David habe ich meine erste Kolumne für die Wirtschaftswoche geschrieben, da war er 10 Tage alt – ich hatte sie ehrlicherweise vergessen vor lauter Babybabyballaballa. Ging irgendwie – war allerdings kein Geniestreich glaube ich, haha!
Ich fand es immer genau so genau richtig. Das Gute an der Selbstständigkeit ist ja, dass man den Arbeitsaufwand mit ein bisschen Planung gut steuern kann. Und ich habe es auch wirklich genossen, mein Stillhirn zwischendurch ein bisschen zu gebrauchen. Einmal habe ich allerdings eine lange Geschichte für die Wirtschaftswoche zugesagt und alle drei Kids wurden kurz vor Abgabe gleichzeitig krank, das war übel. Aber der Text ist fertig geworden. Mit Kindern schafft man plötzlich viel mehr, als man sonst immer so geglaubt hat, finde ich.
Wie kam es denn zur Gründung von „Gretas Freunde“?
Sarah und ich wollten immer irgendwas zusammen machen, wir verehren die Arbeit des jeweils anderen – beste Voraussetzung fürs Zusammentun. Als bei mir Kind Nummer zwei aus dem Gröbsten ersten Jahr raus war und auf der Zielgeraden in Richtung Kindergarten krabbelte, setzten wir einen Blog auf, um uns ein bisschen auszuprobieren. „Gretas Freunde“ machte uns riesigen Spaß und irgendwann fingen wir an, die Geschichte von Gretas Schwester, das ist der Name des Labels von Sarah auf dem Blog zu erzählen. Natürlich funktioniert eine Fortsetzungsgeschichte aber nur bedingt in dieser Digitalform, wer scrollt schon 20 Kapitel zurück, wenn er neu auf eine Blog-Seite stößt. Also beschlossen wir, endlich den Traum vom gemeinsamen Kinderbuch zu verwirklichen. Ich war der Meinung, wir bräuchten dringend einen Verlag für dieses Abenteuer. Sara, Selfmade-Frau vom Scheitel bis zur Sohle und definitiv die Mutigere von uns beiden, sah das ganz anders. Können wir selber, beschied sie. Das Kinderbuch „Gretas Schwester – Von wilder Welt und Wanderlust“ war ziemlich flott ausverkauft, unsere Familien-Wanderlust hat uns kurz darauf das zweite gemeinsame Werk, die „Tiny Adventures“ eingebrockt – und außerdem mit Serena zusammengebracht, die vorher das Magazin „Fernweh“ gegründet hat. Die Zusammenarbeit zu dritt war so toll und fruchtbar, dass wir den Blog kurzerhand zum gemeinsamen Verlag befördert haben. Und das sind wir drei jetzt, der „Gretas Freunde Verlag“. Fühlt sich immer noch ein bisschen verrückt an! Gerade basteln wir an unserem ersten gemeinsamen Tiny Adventures-Bookazine, das als Reihe angelegt ist. Das erste Buch kommt am 21. September auf den Markt, das zweite wird im Februar nächsten Jahres folgen.
Wie bekommst du die Selbstständigkeit und die Kinder unter einen Hut?
Ich habe ziemlich chaotische Seiten an mir – und furchtbar penible. Da muss ich schauen, dass die Ordnung die Oberhand behält, sonst bekomme ich den arg durchgetakteten Alltag nicht gewuppt. Gleichzeitig brauche ich den Freigeist zum Schreiben, sonst kommt nur Grütze aus meinem Kopf. Diese Balance zu finden gelingt mal besser und mal schlechter. Ich bin inzwischen dazu übergegangen, mich an wirklich jeden Termin von meinem Handy erinnern zu lassen und ellenlange ToDo-Listen zu führen, sonst vergesse ich einfach, ob der Lütte neue Windeln, die Große einen Fahrradhelm fürs Radeltraining in der Schule oder der Kooperationspartner xyz nochmal neue Zahlen zum Blog braucht. Aber da ich mir meine Zeit völlig frei einteilen kann, klappt das alles in Summe ziemlich gut.
Inwieweit ist dein Mann involviert?
Mein Mann ist Anwalt und unter der Woche ist er leider sehr selten da, er ist viel unterwegs und arbeitet oft bis tief in die Nacht. Also habe ich mir über die Jahre angewöhnt, den Alltagsladen von Montag bis Freitag im Prinzip alleine zu wuppen – was deutlich schlimmer klingt, als es ist. Ich habe mir schon oft den Spruch anhören müssen, ich führte das Leben einer Alleinerziehenden. Das stimmt überhaupt nicht. Zum einen wird das dem Leben aller Alleinerziehenden nicht gerecht, die müssen nämlich wirklich alles alleine stemmen, haben also den finanziellen und emotionalen und erzieherischen Druck zu schultern. Das muss ich nicht. Es gibt ein Telefon und Facetime und mein Mann und ich sprechen oft ein Dutzend Mal am Tag miteinander und stimmen uns ab, tauschen uns aus, lassen Dampf ab oder Lachsalven über ein Video der Kinder. Bei allen drei Kindern hat er außerdem konsequent ein Vierteljahr Elternzeit genommen. Und wenn ich mal nachmittags einen Termin habe, übernimmt er außerdem immer für ein bis zwei Stunden wenn er kann und geht danach wieder ins Büro – oder ich spanne die Babysitterin ein. Manchmal brauche ich sie gar nicht und manchmal dreimal in der Woche, je nach Trubel, Rotz- und Energiephase. So wurschteln wir uns so durch… Alle paar Monate benötige ich allerdings Pause vom Wirrsinn. Dann gönne ich mir Wochenenden alleine, mit einer Freundin, irgendwo. Ich weiß dann, dass der Laden daheim auch ohne mich läuft, ein gutes Gefühl und wichtig für uns alle fünf.
Wie sind die Kinder miteinander, sind die eine Gang oder macht eher jeder sein Ding?
Das wechselt. Auf Reisen waren die beiden Mädchen immer ein total eingespieltes Team. Sie haben von früh bis spät Pferd und Reiter in der Wildnis gespielt. Seit Leonie in der Schule und David ein bisschen älter ist, kungeln die beiden Kleinen mehr. Nun hat Anna sich aber heimlich still und leise das Lesen/Schreiben beigebracht – und kann in Leonies Welt wieder mitreden. Ich bin gespannt, was die großen Ferien und die Zeit danach bringt. Neue Konstellationen vermute ich. Vielleicht auch eine Dreier-Gang, mal sehen!
Welche Phase mit den Kids war oder ist dir die Liebste?
Jede Phase hat ihre Fürs und Widers. Ich mag diese durchgeknallten trotzigen, tapsigen, zuckersüßen Zwei- bis Dreijährigen furchtbar gerne – auch wenn sie irre anstrengend sind. Ich finde aber auch die Schule spannend und diese plötzliche Selbstständigkeit, die damit einhergeht. Ich kann’s immer noch nicht glauben, wenn Leonie ihren Beutel schnappt und alleine durchs Viertel rollert, um Freunde zu treffen, zur Schule zu fahren oder zum Flöten. Anna kommt nach den Ferien in die Vorschule. Die Phase empfand ich bislang am angenehmsten beim Kind. Da sind die Minis noch im Kindergartenkokon aber doch schon ganz schön groß und meistens vernünftig. Am Anstrengendsten empfand ich rückblickend immer die Zeit zwischen eins und zwei, wenn alles schon ein bisschen aber noch nichts so richtig geht und man immer höllisch aufpassen muss, dass Kind und Umgebung nicht zu Bruch gehen.
Wie sieht ein normaler Tag bei euch aus?
Mein Wecker klingelt um 6.30 Uhr, dann mache ich mir als erstes und mit viel TamTam einen guten, starken Kaffee, dusche, wecke Leonie, die in die Schule muss und immer ziemlich lange braucht, bis sie wach ist. Wir frühstücken meistens zu zweit, dann rollert sie los und ich scheuche die anderen beiden Kids aus den Federn und verteile sie via Lastenrad auf die Kindergärten oder mein Mann bringt sie unter. Dann mache ich mir den zweiten Kaffee des Tages und verkrümle mich eine Etage höher in unsere kleine Dachwohnung, in der sich das Arbeitszimmer und das Gäste/Spielzimmer befinden. Ich liebe diese Vormittage alleine am Schreibtisch. Hier haue ich bis 14 Uhr in die Tasten, dann kommt Leonie aus der Schule, hungrig wie ein Wolf und voller Geschichten vom Vormittag. Gegen 15 Uhr breche ich auf und hole die anderen beiden Kids aus dem Kindergarten ab, ab 16 Uhr hängen wir auf dem Spielplatz, in der Musikschule, beim Ballett oder im Sportverein. Das typische Verhalten einer Großstadtfamilie, würde ich sagen. Abendkost gibt’s gegen halb sieben, im Bett sind die Kinder trotzdem erst um neun, dazwischen wird geschimpft und gelacht, gemalt und vorgelesen und manchmal schaffe ich es abends selber noch, eine Seite in meinem Buch zu wenden. Meistens schlafe ich aber neben einem der Kinder ein.
Eure Wohnung wirkt so liebevoll, voller besonderer Details. Ist dir Interior wichtig und nach welchen Kriterien richtest du ein?
Oh ja, sehr wichtig. Ich liebe es, mich mit schönen Dingen zu umgeben und genieße familienintern den Ruf, ein „Neat Freak“ zu sein. Ich mag es gerne aufgeräumt, dann bin ich auch im Herz und Hirn aufgeräumter. Mein Mann sammelt gerne und hat es kuschelig, ich mag es weit und licht und leer. Das hat schon zu den ulkigsten Einrichtungsdiskussionen geführt. Aber im Grunde haben wir einen ziemlich ähnlichen Geschmack. Ich liebe Sachen , die multifunktional sind, ein Hocker, der auch als Tisch funktioniert und umgekehrt, eine Garderobe, die auch Garage für die Spielautos ist, ein Daybed als Kommunikationszentrale für die ganze Mannschaft. Ansonsten haben wir überhaupt keine Einrichtungslinie. Wir schleppen an, was wir schön finden. Viele Teile sind Erbstücke, viel Klimbimm entdecken wir auf Reisen. Der Rest ergibt sich. Muss man mögen. An unserem ausgestopften Springbock Jonny an der Wohnzimmerwand scheiden sich beispielsweise die Geister.
Hast du eine Maxime in Sachen Kindererziehung?
Aufs Bauchgefühl hören. Ich komme ja aus einem Großclan, es gibt zig Geschwister und zwei Dutzend Cousins und Cousinen auf beiden Familienseiten- und als Älteste von vier Kindern bin ich praktisch damit groß geworden, mich ums Kleingemüse zu kümmern. Das lehrt sicherlich ganz gut fürs Leben mit eigenen Kindern. Ich halte ansonsten Abstand von Ratgebern, frage bei Fragen meine Mutter und wenn ich müde bin, versuche ich Schlaf zu bekommen. Wenn ich davon zu wenig hab’, werde ich ungenießbar.
Wann hast du Zeit für dich selbst?
Wenn ich schreibe ist das für mich wie Yoga. Dann vergesse ich alles um mich rum und die Zeit verfliegt im Nu. Insofern tanke ich glücklicherweise oft beim Arbeiten auf. Ich versuche außerdem, so oft wie möglich laufen zu gehen. Das ist meine Form der Meditation, beim Rennen sehe ich oft erstaunlich klar. Und wie gesagt: ab und an Wochenenden ohne Anhang sind mir heilig. Mein Mann wuppt die drei Kids zum Glück saugerne und saugut im Alleingang.
Was ist das Nervigste am Kinderhaben?
Der Lärm:! Und zu wenig Schlaf.
Und was ist das Schönste?
Zusammen am Lagerfeuer zu sitzen und Geschichten zu erzählen. Falls kein Lagerfeuer zur Hand ist: reden. Um von diesen ganzen tiny adventures zu erfahren, die in den Kinderköpfen rumhüpfen. Ich bin immer ganz platt, welche Wünsche, Gedanken, Fragen, Sehnsüchte und Überlegungen da zur Sprache kommen. Und nicht zu vergessen: lachen. Dieses glucksende Kinderkichern, das von ganz unten aus dem Bauch kommt. Es gibt nichts Besseres.
Danke, Christine!
Christine Weissenborn mit Leonie (7), Anna (5) und David (3), Juni 2019.
Fotos: Nora Werner
Interview: Isabel Robles Salgado