Mit Baby auswandern und dann auch noch nach New York – das geht doch gar nicht, denkt man vielleicht. Julia und ihre kleine Familie haben sich getraut. Klar, lief nicht immer alles glatt. Aber die Drei sind nun richtige New Yorker, mit einer Wohnung an der Highline in Chelsea, einer Agentur und jede Menge Spaß mit Söhnchen Bo.
Du und der Papa von Bo seid Ende April nach New York gezogen. Wie kam’s?
Ich bin Berlinerin. Und Berliner wollen ja eigentlich nie weg. Vor einigen Jahren war ich mal für ein paar Tage in New York und dachte “also wenn überhaupt weg aus Berlin, dann nur nach New York”.
Ich habe das dann aber nicht weiter verfolgt. Jahre später, nachdem Bo und ich fast ein Jahr zwischen Berlin und Hamburg gependelt sind, stellte sich die Frage nach der Stadt natürlich zwangsläufig. Als dann die Option mit New York auf den Tisch kam, musste ich nicht mehr viel überlegen. Bei New York überlegst du nicht. Das machst du einfach.
Das Auswandern mit Baby stellen wir uns nicht so einfach vor. Und ganz ehrlich, ist New York nicht unheimlich teuer?
Aus zwei verschiedenen Städten mit einem Kleinkind auszuwandern ist kompliziert und erfordert Nerven. Da ist es noch egal, wo es eigentlich hingeht. Wir hatten einige Wochen lang sehr viel um die Ohren, klar. Visum beantragen, Wohnungen auflösen, meinen Krempel aus Berlin nach Hamburg, dann in Hamburg alles in einen Container und dann erstmal für mehrere Wochen ohne Möbel in der neuen Wohnung. Wir hatten fünf Koffer dabei, von denen zwei ausschließlich voller Spielsachen für Bo waren. Mein Freund und ich brauchen nicht so viel. Aber Bo sollte sich von Anfang an wohl fühlen.
Und ja, New York ist schweinearschfrechteuer. Aber man gewöhnt sich an alles.
Eine Wohnung finden in Manhattan, die bezahlbar ist und dazu noch eine Betreuung für’s Kind, lief das reibungslos ab?
Am Anfang sind wir eine Woche lang jeden Tag durch die Stadt gelaufen, um ein Gefühl für die jeweiligen Viertel zu bekommen. Wo wollen wir denn hier wohnen? Wo eher nicht?
Die Wohnungssuche bei Minus 10 Grad Außentemperatur im Februar war anstrengend. Und unser Makler musste erstmal gegen unsere Altbauwohnungsambitionen mit Berliner Flügeltüren, Dielenböden und Balkonen ankämpfen.Nach den ersten Wohnungsbesichtigungen bekommt man aber schnell ein gutes Gefühl dafür, welcher Standard hier welches Geld kostet. Und das man für die freigelegte Brickwall 500 bis 1.000 Dollar draufzahlt.
Parallel haben wir uns eine Menge Kindergärten angeschaut. Und uns natürlich um die Basics gekümmert: Wo sind hier die Spielplätze, wo kann man einkaufen, wie lange dauert der Commute ins Büro? Letztendlich haben wir Bos Day Care erst gefunden, als wir längst hergezogen waren. Bo macht dort Yoga, malt, kocht, tobt, hat Art lessons und lernt bei all dem nebenbei auch noch englisch. Nach zwei Wochen war nix mehr mit „Ja“. Seitdem sagt er nur noch „Yes“. Wenn er nicht gerade „No“ sagt.
Ohne Familie in der Nähe, habt ihr eine kleine Armee an Babysittern oder wie schafft ihr es mal Zeit für euch zu haben?
Unser halber Freundeskreis, Oma, Opa, Uroma, Uropa – alle waren sie schon hier. Wir haben das jetzt nicht durchgerechnet, aber vielleicht ist das bei Babysitterpreisen ab 25$/Stunde sogar die günstigere Lösung. Wenn gerade mal kein Besuch da ist, haben wir das Glück, dass ein Stockwerk über uns Freunde aus Hamburg wohnen.
Gehen die New Yorker anders mit Kindern um als in Hamburg oder Berlin?
Das war für mich die größte und schönste Überraschung. New Yorker sind unheimlich kinderlieb, sehr aufgeschlossen und immer hilfsbereit.
Sie tragen deinen Kinderwagen die Ubahntreppen rauf, singen Bo in der Bahn Lieder vor, halten Türen auf, bieten ihren Sitzplatz an, stellen dir beim Einkaufen sogar jemanden zur Seite. Kein Witz, da ist ein Angestellter mit mir durch den Supermarkt gelaufen und hat meinen Einkaufswagen geschoben. Und wenn Bo mal einen schicken Hut aufhat, hört er an jeder Ecke „Nice hat, little buddy“.
Wie lange habt ihr vor dort zu bleiben, bzw. wie lange dürft ihr erstmal bleiben?
Das ist noch offen und wir sind da auch nicht festgelegt. Unser Visum gilt noch ein paar Jahre. Und gerade will ich mir gar nicht vorstellen hier weg zu gehen. Der Sommer war wirklich schön. Aber vielleicht ist es irgendwann auch genug „Tatütata die ganze Nacht“. Spätestens dann kommen wir wieder.
Vermisst du etwas?
Nein, bisher nicht. Das kommt vielleicht noch. Aber Stand heute sind wir hier sehr glücklich. Das klingt jetzt schlimm kitschig, aber ich bin ein kleines bisschen verknallt in New York.
Welchen Tipp hast du für junge Eltern, die überlegen auszuwandern?
Lasst euch nicht verunsichern. Man kriegt alles irgendwie hin. Es wird nicht alles glatt gehen. Aber das wird es zuhause vielleicht auch nicht. Uns haben die paar Tage vorab in der Stadt sehr geholfen, um ein Gefühl für das Leben hier zu bekommen. Und wenn wir danach gesagt hätten, dass es das nicht ist, wären wir eben in Deutschland geblieben.
Mir hat außerdem der Kontakt zu deutschen Mamis geholfen um in der Stadt Anschluss zu finden. Die treffen sich nämlich jeden Monat zum Abendessen. Aus einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe ist nun sogar ein Blog geworden, für den ich auch schreibe.
Was ist das Anstrengendste am Mama-Sein?
Die Antwort auf die Frage, ob man das gerade alles so richtig macht. Kann ich meinem Bauchgefühl trauen, treffe ich die richtigen Entscheidungen? Dafür ist es auch völlig egal, ob du in New York, Berlin oder Wanne Eickel lebst.
Und was das Schönste?
Man hat die Chance jemandem eine glückliche Kindheit zu schenken. Gibt es etwas Größeres?
Danke Julia!
Das ist Julias Blog, den sie zusammen mit zwei anderen Mamas betreibt: walkingonthewildside.com
Und hier geht es zu ihrem Instagram-Account (VIELE schöne Bilder!)
Julia Kottowski (33) mit Bo (1,5), New York City, September 2015
Fotos: Cem Günes
Interview: Marie Zeisler