Für heutige Verhältnisse warst du eine junge Mutter, hast du das als Vor- oder Nachteil empfunden?
Ich war 25 als Klara geboren wurde. Viele Dinge waren sicher einfacher, die Schwangerschaft war problemlos und ich glaube, man hat auch seinen Körper schneller wieder, wenn man jünger ist. Das Schlimmste war damals für mich, so alleine zu sein, ich war immer die Einzige mit Kind. Das merke ich jetzt an meinen Freundinnen, die Kinder bekommen, es ist einfach schön, wenn man Gleichgesinnte hat. Aber irgendwie hat beides Vor- und Nachteile. Wenn man älter ist, ist man ruhiger und hat nicht so Probleme damit, seine Person hinten anzustellen. Wenn man jünger ist, hat man dafür weniger Probleme damit, sich anzupassen und man ist außerdem ein bisschen natürlicher und spontaner mit dem Kind. Ich habe viel aus dem Bauch heraus gemacht. Dafür war ich weniger locker, was meine Rolle als Mutter anging. Man nimmt es später glaube ich leichter hin, sich hintenanzustellen, im Job, Parties ausfallen lassen, dick werden. Wobei ich das auch nicht beurteilen kann: Wenn man mit 40 ein Kind bekommt, hat man dann sicher andere Probleme.
Musstest du beruflich zurückstecken?
Auf jeden Fall. Die Zeit, die man in das Kind steckt, fehlt einfach. Mein damaliger Mann hatte einen sehr guten Job in einer Werbeagentur, deshalb habe ich den Löwenanteil alleine gestemmt. Ich glaube, dass es für jede Frau schwierig ist, bis die Kinder aus dem Haus sind. Was ist, wenn das Kind krank ist? In manchen Branchen kann man das sicher besser kombinieren, aber gerade in der Kreativbranche muss man einfach am Start sein, da geht nichts mit Teilzeit oder mal wegen Kind nicht da sein. Generell finde ich, dass alles hier in Deutschland schon immer noch darauf ausgelegt ist, dass eine Person für eine Familie Geld verdient. So sind die Arbeitszeiten, so sind die Gehälter. Das muss sich erst umstellen. Dazu kommt die Kita-Problematik und dann kommen noch tausend gesetzliche Ärgernisse dazu. Ehegattensplitting ist doof, dieses neue Betreuungsgeld ist ganz besonders doof. Und dann ist in Deutschland auch immer noch ganz viel dieses: „Das Kind hat es am besten, wenn es die ersten drei Jahre zuhause ist“ in den Köpfen. Außerdem ist es angesehen, ganz besonders lange zu stillen. Die Frauen haben es einfach echt schwer, Karriere zu machen. Wenn ich jetzt noch ein Kind bekommen würde, dann wäre es wieder so, dass ich fast alles machen würde. Ich bin ja wieder mit einem Mann mit gutem Job zusammen. Das bremst mich auch oft. Ich denke: Warum renne ich denn so, die Karriere ist auf jeden Fall wieder im Arsch, sobald ich schwanger werde.
Wie waren denn die ersten Jahre bis zur Trennung?
Klara war mit eineinhalb Jahren in der Kita und ich habe dann auch wieder gearbeitet, aber die Firma hat irgendwann Pleite gemacht. Als Klara zwei war, haben wir uns getrennt und das auch schon wegen dieser Frustration: Wenn ich einen Job bekomme, ist der nicht so geil, wie einer, den ich ohne Kind bekommen würde. Der Mann dagegen macht die ganze Zeit Karriere. Es war natürlich auch naiv von mir, als so junger Mensch habe ich wirklich nicht gecheckt, welche Veränderungen so ein Kind mit sich bringt. Aber vielleicht hat das damals auch nur Probleme zum Vorschein gebracht, die eh schon da waren zwischen Alex und mir. Wir haben dann eine Weile lang das „Nest-Prinzip” gelebt, das bedeutet: Das Kind wohnt in der Wohnung und Mutter und Vater kommen und gehen abwechselnd. Finde ich eigentlich ganz interessant, denn warum soll das Kind immer die Wohnung wechseln und nicht die Eltern, die haben sich ja schließlich getrennt. Ich glaube, um das durchzustehen, muss man sich aber auf jeden Fall noch einigermaßen gut verstehen und darf nicht zu viele Verletzungen haben. Sonst ist es ja schrecklich, wenn man noch jeden Tag die Zahnbürste vom Ex sehen muss, der einem wehgetan hat.
Wie seid ihr dann beide in Berlin gelandet?
Alex hatte ein Job-Angebot hier und für mich war es, wie gesagt, beruflich eh schwierig. Ich fand die Idee mit Berlin gut. Einfach mal neu anfangen Es gab nicht viele Chancen für Veränderung, weil man das ja schon zusammen machen wollte. Wir wollten, dass das Kind immer Vater und Mutter hat. Am Ende gibt es nichts Idealeres als das klassische Modell für das Kind. Die wünschen sich das auch ewig, egal wie viel Mühe man sich gibt. Wir waren gerade im Urlaub mit Klara, beide mit neuen Partnern, Alex auch mit neuem Kind und sie hat uns immer wieder zu sich gezogen und gesagt: Mama und Papa. Was ein Glück – eine Woche lang. Man sollte das dem Kind schon geben, so oft es geht, und wenn es nur Urlaub, Weihnachten und Geburtstag ist. Soviel man halt ertragen kann. Ich hab auch das Gefühl, dass viele Paare sich da dem Kind zuliebe immer mehr zusammenreißen. Sich öfter zurücknehmen und trotz Trennung noch was zu dritt unternehmen. Ich glaube, viele haben da umgedacht und sind fairer ihren Kindern gegenüber.
Ihr wart also als komplette Patchwork-Familie im Urlaub?
Ja, ich mit Axel, meinem Mann, Alex mit seiner Freundin und deren Tochter und natürlich Klara. Alle sechs zusammen auf Mallorca. Ich hatte schon ein bisschen Angst, dass schlechte Stimmung sein könnte. Ich hatte mich auch schon ein bisschen auf den Extremfall vorbereitet, aber dann war es total cool. Die sind mir nie auf den Keks gegangen. Witzigerweise haben die Pärchen untereinander sich schon gestritten aber nur wegen Kleinigkeiten. Ich bin dann schon auch immer sehr dankbar, dass Axel das mitmacht, und Daria, Alex neue Freundin, genauso. Die haben ja mit der ganzen Nummer nur bedingt zu tun.
Woran liegt das, dass das bei euch so klappt?
Ich glaube, vor allem haben wir alle noch alle Tassen im Schrank. Es gab auch ganz andere, die eben nicht alle Tassen im Schrank hatten und ein Problem damit hatten. Ich kann ja auch verstehen, dass man ein Problem damit hat, aber es ist eben nun mal so. Da ist ein Kind da. Beide lieben dieses Kind und das muss man akzeptieren, wenn man sich für mich oder für Alex entscheidet.
Es ist aber nicht alles immer pure Harmonie. Es lief auch ganz oft anders. Ich war oft sauer und es gibt eine ganze Menge verfallene Restaurant-Reservierungen und nicht genutzte Konzertkarten. Mittlerweile bin ich viel entspannter, auch wenn ich natürlich immer noch oft umdisponieren muss, aber Klara ist ja jetzt auch viel eigenständiger. Früher mit kleinem Kind war es viel schwieriger.
Wie ist Klara denn so, kommt sie nach einem von euch beiden?
Klara ist Klara, sie ist froh und fleißig und diszipliniert und gut in der Schule. Das überrascht mich schon oft. Alex und ich sind beide nicht leicht durchgekommen. Wir sind beide recht akkurat, aber Klara ist wirklich jetzt schon sehr gut organisiert, schreibt sich To-Do-Listen und solche Sachen. An negativen Dingen: Wir sind beide eher ängstliche Typen, das hat sie leider voll abbekommen. Weder Alex noch ich sind so richtig sorglos. Da hoffe ich, dass sie von anderen Menschen eine leichtlebigere Komponente bekommt.
Wie ist es für Kinder in Berlin, besonders in Kreuzberg?
Kreuzberg ist super für Kinder. Das Einzige ist der Straßenverkehr, der stresst mich. Der Rest ist klasse, die Leute sind nett zu den Kindern, die Kinder haben schon ihre Läden wo sie hingehen, unabhängig von uns. Es gibt ein paar Mütter im Kiez, die jeden kennen, so lernen sich die Kinder kennen, und haben ein gutes Netz und viele Anlaufpunkte. Klara geht in die Waldorfschule. Ich bin selber auch so erzogen worden, heute finde ich es zwar teilweise gestrig wie die lernen aber es ist sehr ambitioniert und zugewandt. Das ist schön und die Kinder wachsen naturnah und handwerklich auf. Die bauen Häuser und bekommen irgendwie eine gesunde Sicht auf die Welt. Es wird geschnitzt, gebacken, gegärtnert und es wird auch sehr musisch erzogen. Klaras musikalische Ausbildung ist jetzt schon richtig gut. Sie kann sehr gut Klavier spielen.
Was ist für dich als Mutter die spannendste Phase?
Man findet immer das am Aufregendsten, was gerade ist. Wenn man das Kinderkriegen jemandem erklären müsste, der kein Kind hat, könnte man es mit einer Beziehung vergleichen. Am Anfang ist man verknallt, alles ist total krass, dann pendelt man sich immer mehr ein, aber die Liebe, die bleibt. Die Veränderung am Anfang, das Mutterwerden, das ist ein intensiver Schritt. Und ich ahne jetzt gerade, dass mein Kind immer mehr meine Hand loslässt und sein eigenes Ding macht. Dieser Transfer vom Kind zum kleinen Menschen, das ist gerade eine große Herausforderung.
Hast du schon Angst vor der Pubertät deiner Tochter?
Oh ja! Noch ist Klara relativ kindlich, brav, gut in der Schule, und sie erzählt mir alles. Und wenn man sich dann vorstellt: Irgendwann wird das switchen, sie wird mir nicht mehr alles erzählen, oft auch aus Scham. Ich hoffe sehr, dass sie so süß und lieb da durchkommt, wie es jetzt scheint. Manchmal denke ich, wir könnten Glück haben, aber manchmal packt mich auch die Angst. Es tut mir auch so leid, das kann ja so eine schreckliche Zeit sein. Für mich wäre das Schlimmste, wenn ich merken würde, dass sie einsam ist und dass sie nicht klarkommt.
Hättest du gedacht, dass du zwei Mal heiraten würdest?
Nein, natürlich nicht. Aber ich bin schon auch ein bisschen so ein Typ: Wenn, dann richtig. Wenn ich sage, das ist der Mann, mit dem ich wirklich zusammen sein will, dann kann ich den auch heiraten und Kinder kriegen. Auch wenn das nicht mein Master-Plan war. Ich war auch nicht sicher, ob ich noch ein Kind will. Jetzt würde ich gerne, wenn Axel aber zum Beispiel nicht wollen würde, wäre das auch okay. Ich hab ja schon eins.
Klara war immer da – wie war das für die Zweisamkeit zwischen dir und deinem neuen Mann?
Das war bei uns ja eigentlich einfacher. Man hat immer mal ein Wochenende alleine, wo man so Lovebed-mäßig zuhause bleiben kann. In unserer Zweisamkeit ist es aber schon Axel, den das eher stört. Klar, er teilt mich mit Klara, Klara teilt mich mit ihm und ich stehe in der Mitte. Aber das kriegt man schon hin, man muss sich nur die Zeit nehmen und konstant daran arbeiten.
Vielen Dank für das offene Interview, Lina!
Mehr über Lina Grün und ihre Arbeit gibt es auf ihrer Website
Lina Grün und Klara (11), Herbst 2012
Interview: Isabel Robles Salgado
Fotos: Julia Nitzschke