Du hast lange bei Wunderkind gearbeitet und bist gegangen, um eine Familie zu gründen. Was kam zu erst, Schwangerschaft oder der Wunsch ruhiger zu treten?
Es war im Job gar nicht möglich über Familie wirklich nachzudenken. Ich bin wahnsinnig viel gereist und das Stress-Niveau war hoch. Ich wollte gern einen anderen Lebensrhythmus haben, bevor ich dann eine Familie starte.
Ist dir der Abschied schwergefallen?
Es war einfach an der Zeit. Als ich ausgestiegen bin, habe ich auch überlegt nach Paris zu ziehen und weiter in der Mode-Branche Karriere zu machen. Denn es gibt in Berlin keine wirkliche Alternative zu Wunderkind, das ist schon eine sehr besondere Marke. Ich finde die Ästhetik und Philosophie von Wunderkind immer noch wunderschön. In Berlin gab es nichts, was ich spannend fand. Also habe ich über Paris nachgedacht. Aber es war klar, dass es, wenn ich wegziehe, mit der Beziehung schwierig wird. Long-distance-relationship in späteren Jahren kam nicht infrage.
Wann kam Jack dann?
Bei meiner ersten Schwangerschaft hatte ich leider ein wenig Pech, das war anderthalb Jahre bevor ich wieder schwanger wurde – mit Jack. Ich habe in dieser Zeit bei verschiedenen Unternehmen als Beraterin gearbeitet.
Jack war ein Wunschkind. Ich wusste schon immer, dass ich Mutter werden möchte. Aber irgendwann hatte ich in meinem Leben einen Punkt erreicht, sei es Hormon- oder Lebenskrise-gesteuert, wo es einfach klar war, dass ich ein Kind wollte: So let’s do it!
Wie viel Zeit hast du dir für Jack nach der Geburt genommen?
Ich habe ein Jahr Elternzeit gemacht und das war großartig. In anderen Ländern hat man diesen Luxus sehr selten. In Deutschland finde ich das sehr vernünftig und großzügig. Als Mutter, als Matriarchin der Familie, hat man dann die Möglichkeit ein stabiles Zuhause, einen stabilen Familienkern zu schaffen und viel in die Familie zu investieren, sowohl emotional als auch erziehungstechnisch. Es ist so wundervoll das erste Jahr – so besonders und intim. Wenn man die Gelegenheit hat, viel Zeit sehr eng miteinander zu verbringen, ohne dass man sich mit einem Beruf gleichzeitig kaputtmachen muss, ist das ein Geschenk, das man wirklich annehmen müsste.
Du sprichst vom Vergleich zu anderen Ländern. Hast du ein Beispiel?
Aktuell wohnt eine dänische Freundin in Paris. Sie ist drei Monate nach der Geburt wieder arbeiten gegangen. Heutzutage, wenn du kein Familiennetzwerk um dich herum hast, bzw. keine Möglichkeit vertraute Unterstützung heranzuholen, ist es auch eine ganz andere Konstellation. Die wenigsten sind so weit, dass sie gleich ihren Säugling jemandem Fremden geben wollen. Aber meine Freundin musste das machen, weil das System sie dort nicht unterstützt. Sie musste schnell wieder arbeiten gehen.
Jack ist also mit einem Jahr in die Kita gekommen?
Ja, wir haben eher durch Glück und Zufall eine ganz tolle Kita, die Be Smart Academy in Friedrichshain, gefunden und auch einen Platz bekommen. Super Philosophie und wahnsinnig beeindruckende liebevolle, kreative, tolerante Erzieher. Alle Kinder dort und ihre Familien sind toll. Ich bin froh, dass ich da keine Kompromisse machen musste. Es ist ja wirklich ein Luxus, wenn du so viel Vertrauen haben kannst in die Leute die tagsüber Zeit mit deinem Kind verbringen. Bei dieser Kita habe ich gedacht: This is fantastic! Er ist hier besser aufgehoben als bei mir.
Jack wächst bilingual auf. Wie macht ihr das?
Ich kann gar keine andere Sprache, als meine Muttersprache mit ihm sprechen. Alles andere wäre aufgesetzt. Mein Mann Sascha ist Deutscher und er spricht dann natürlich deutsch mit ihm. Ich bin immer total begeistert von bilingualen Kindern. Das ist ein Geschenk.
Verreist ihr viel als Familie?
Da ich selbstständig bin und mein Mann sein eigenes Business hat, können wir flexibel viel verreisen. Als Familie ist das schon toll. Als Jack drei Monate alt war, sind wir in die Sonne geflogen und wohnten drei, vier Wochen in einem tollen Hotel. Das war herrlich. Quasi verzögertes Wochenbett im Warmen statt kaltes Berlin im Februar.
Hast du einen speziellen Reisetipp für Familien?
Seitdem ich zwei Jahre alt bin, fahren wir immer nach Spanien, an die Küste nördlich von Barcelona, nach Begur. Ein toller Ort für Familien mit Kindern. Die Südländer gehen allgemein viel entspannter mit Kindern um. Ohne Hippie-Mentalität, einfach relaxter. Man ist dort viel draußen. Dort war ich auch fünf Monate mit Jack, in der Elternzeit. Mein Mann kam dann immer mit dazu oder Freunde. Es war fantastisch aus dem gewöhnlichen Alltag rauszusein.
Du arbeitest jetzt selbstständig als Beraterin. Wie vereinbarst du Karriere und Kind?
Ich war gerade eine Woche beruflich in Paris und fand es total schwierig. Seit dem Jack da ist, war ich höchstens mal ein, zwei Nächte weg. Dann noch mal Indien eine Woche, aber mehr nicht. Generell muss ich sagen: Wenn man Karriere orientiert ist und ein Kind hat, ist es mental eine Herausforderung. Je nachdem, wie emotional du bist. Ich bin tierisch emotional. Das erste Jahr ist so toll, das konnte ich nicht missen. Ich habe Jack mit 32 bekommen und habe mich ziemlich ausgepowert gefühlt davor, mit Arbeit und Studium. Ich habe lange alles gegeben. Ich wollte immer eine junge Mutter werden und irgendwie hatte ich dann keine Zeit mehr dafür und bevor du’s weißt, denkst du: Oh mein Gott, ich bin dreißig Jahre alt!
Mode und Ästhetik spielen in deinem Leben eine große Rolle. Hat sich das durch das Kind verändert?
Man verbringt nicht mehr so viele Stunden im Business, das ist klar. Aber ich mag eher einfach schöne Dinge als speziell Mode. Die Businessseite fand ich immer spannend bzw. ein Business aufzubauen, aber nicht nur weil es Mode war.
Richtig verändern tut man sich aber nicht. Das musste ich auch durch die sämtlichen Lebenskrisen lernen: Karrierefrau, Mutter, doch nicht Mutter und dann doch wieder Mutter. Wie sich auch alles verändert um dich – du bleibst die Gleiche. Du bist dann einfach mit Kind unterwegs. Die Prioritäten verschieben natürlich schon. Es gibt als Frau immer eine Phase im Leben, wo man sich ausdauermäßig für Karriere verbrennen kann und dann gibt es auch andere Phasen, wo es nicht unbedingt notwendig ist, sich für Karriere kaputtzumachen. Ich kann mittlerweile meinen Beruf und Familienleben wunderbar kombinieren, ohne auf viel verzichten zu müssen. In Wirklichkeit, ist das Leben noch bunter, lustiger und hektischer als je zuvor – man wird aber organisierter und effizienter.
Das Schönste am Mama-Sein?
Es gibt keinen einzigen Moment, in dem du keinen Grund hast zu lächeln oder laut zu lachen.
Das Nervigste am Mama-Sein?
Schlafmangel! Aber es wird besser, man gewöhnt sich irgendwie daran.
Sarah-Jane Godman-Boritzki und Jack, März 2013
Interview: Marie Zeisler
Fotos: Julia Luka Lila Nitzschke