Luise und Leni
Man kann so viel Spaß haben!

Luise und Sebastian leben in Berlin und sind vor einigen Monaten Eltern der kleinen Leni geworden. Luise, die eigentlich Grundschullehrerin im sozialen Brennpunkt ist, ging mit Leni in Elternzeit. Bald geht sie zurück an ihren Job – warum sie sich auf ihre Grundschulkids freut, sie sehr glücklich in ihrer 50er Jahre-Wohnung ist und welche Herausforderungen ihr Beruf mit sich bringt, erzählt Luise im Interview!

Liebe Luise! Du und dein Mann Sebastian habt vor Kurzem die süße Leni bekommen. Habt ihr beiden Euch in Berlin kennengelernt?

Wir kennen uns noch aus der Studentenzeit und sind aber erst Jahre später zusammengekommen. Ich war damals mit seinen Kumpels befreundet und kannte Sebastian nur aus Erzählungen und von Bildern im StudiVZ ;-). Ich fand ihn gut aussehend. Er war aber mehrere Monate in Australien und Brasilien und hatte noch eine Freundin.
Irgendwann haben wir uns dann auf einer Party kennengelernt und er war plötzlich Single. Irgendwie fanden wir uns beide interessant und waren für ein paar Monate ein Paar. Da ich dann aber ins Referendariat nach Ulm ging und er zum Praktikum nach Berlin, war alles etwas zu kompliziert wegen der Entfernung. Dazu kam sicherlich, dass die Gefühle füreinander auch nicht gereicht haben.
Wir hatten dann trotzdem hin und wieder Kontakt per E-Mail oder damals ICQ, und 3 Jahre später haben wir in Berlin wieder zueinandergefunden. Ich arbeitete schon als Lehrerin und er hatte in der Zwischenzeit sein Studium beendet und suchte einen Job in Berlin. Im Nachhinein bin ich froh, dass es beim ersten Mal zwischen uns nicht geklappt hat – wer weiß, ob wir jetzt noch zusammen wären. Jeder konnte sich noch ausleben, reisen und so weiter.

Seit wann wohnt ihr hier in Tempelhof? Seid ihr happy hier?

Wir wohnen seit zehn Monaten hier. Drei Wochen vor Lenis Geburt sind wir umgezogen. Das war ziemlich anstrengend, aber da bin ich ja nicht die Erste, die vor der Geburt noch umzieht!
Vorher haben wir in Neukölln gewohnt. Dort war alles eher „hipp“, aber auch schmutzig und laut. Es war immer sehr stressig, täglich über die Hermannstraße nach Hause zu laufen.
Jetzt wohnen wir in einer sehr ruhigen Gegend, umgeben von drei Parks. Wir sind sehr glücklich hier! Das hätte ich so nicht erwartet. Wenn ich mehr Trubel um mich herum brauche, dann erreiche ich den Bergmannkiez fußläufig innerhalb von zehn Minuten.

Auf den ersten Blick, würde man gar nicht erwarten, dass eure Wohnung so toll ist…

Sebastian hatte gleich ein positives Gefühl, was die Wohnung betrifft. Das Helle, Minimalistische, der viele Stauraum, die Lage – alles hat ihn von Anfang an beeindruckt. Ich habe ein bisschen gebraucht, mich mit dem Gedanken anzufreunden, in einen 50er Jahre Bau zu ziehen.
Der Architekt war Frei Otto. Er ist in der Architektenszene sehr bekannt. Die Gegend, in der wir wohnen, nennt sich auch “Gläserne Stadt”. Es gibt glaube ich 13 Gebäude hier im Umkreis, die er gebaut hat, mit dem Ziel, viel Licht in den Wohnungen zu haben.

"Die Häuser sind sogar denkmalgeschützt!"

Mittlerweile bin ich total glücklich und freue mich, jeden Tag hier zu wohnen und in das schöne Grün aus dem 5. Stock zu blicken. Außerdem ist hier wirklich alles total familiär. Man kennt jeden im Haus und führt mal ein Schwätzchen. In Neukölln hat man die Nachbarn teilweise monatelang nicht gesehen.
Und was auch krass ist, hier wohnen drei Frauen, die über 90 Jahre alt sind. Sie sind in den 50er Jahren direkt nach Fertigstellung des Wohnhauses hier eingezogen! Eine von ihnen besuche ich sogar manchmal mit Leni. Sie wohnt im 2. Stock und kann nicht mehr laufen und steckt sozusagen in der Wohnung fest, weil wir ja keinen Aufzug haben. Sie freut sich immer total, wenn sie Leni sieht und halten kann.

Wie war deine Schwangerschaft mit Leni?

Ich hatte eine sehr gute Schwangerschaft. Klar, hatte ich auch ein paar Wehwehchen, wie Schmerzen in den Beinen oder Rückenschmerzen, aber ich war bis zum Ende recht fit und konnte noch viel regeln für den Umzug in die neue Wohnung.

"Der Schwerpunkt der Arbeit liegt mehr darin, eine emotionale Bindung zu den Kindern aufzubauen."

Du bist eigentlich Grundschullehrerin…

Ich bin sehr gerne Lehrerin und liebe die Arbeit mit den Kindern! Aber im sozialen Brennpunkt zu arbeiten, zehrt sehr an den Kräften, ganz besonders, wenn man seine Arbeit gut machen möchte. Die Kinder dort brauchen besonders viel Zuwendung. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt mehr darin, eine emotionale Bindung zu den Kindern aufzubauen.

Die meisten haben keinen Halt zu Hause und gehen sogar gern zur Schule, weil sie dort Struktur und Ruhe haben und Personen, auf die man sich verlassen kann. Gerade Struktur, das brauchen die Kleinen und sie spüren Verlässlichkeit. Ich bin absolut keine strenge Lehrerin, aber eine mit Regeln und Konsequenzen. Das wussten die Kinder immer. Das hat mir Respekt verschafft. Ich bin richtig toll mit meiner Klasse zusammengewachsen. Ich hatte sie 2,5 Jahre bis ich dann das Beschäftigungsverbot während der Schwangerschaft bekommen hatte. Das war schon heftig, mitten im Schuljahr zu gehen. Es wären nur noch ein paar Wochen bis zu den Sommerferien gewesen. Aber es war richtig so. Damit konnte ich besser auf mich und Leni im Bauch aufpassen.

Die Arbeit hat mich nämlich immer sehr mitgenommen und beschäftigt, da ich viel mehr Sozialarbeiterin als Lehrerin war. Ich habe viel mit dem Jugendamt, Kinderpsychologen, Sonderpädagogen und sogar mit der Polizei zusammengearbeitet.

Das klingt sehr engagiert.

Ja, ich habe mich ja auch immer wahnsinnig viel vorbereitet, versucht, besondere Materialien zu basteln, weil ich wollte, dass die Schüler nicht immer nur die Seiten im Arbeitsheft bearbeiten. Das haben die Kinder sogar wertgeschätzt und es hat ihnen meistens große Freude bereitet, damit zu arbeiten. Ein Junge sagte oft zu mir: „Du bist die Königin des Bastelns.“

Was ich damit sagen will, ist, dass man auch unfassbar viel von den Kleinen zurückbekommt, wenn sie spüren, dass man sie gern hat und schätzt. Eine gute Beziehung zwischen Kindern und Lehrern zu schaffen, ist in meinen Augen das Wichtigste. Im Studium habe ich einen Spruch gehört, den ich bis heute nicht vergessen habe: “Man lernt nur von dem, den man liebt”. Gerade die ersten Jahre sind entscheidend für die gesamte Schulzeit. Es werden Grundlagen nicht nur fürs Lernen, sondern auch für ein soziales Miteinander gelegt. Leider werden diese Aufgaben im sozialen Brennpunkt hauptsächlich von der Schule übernommen.

Du scheinst eine ganz wunderbare Lehrerin zu sein! Warum hast du diesen Beruf gewählt?

Ich mochte Kinder schon immer sehr gerne, Man kann mit ihnen so viel Spaß haben!
Als Kind hatte ich es auch nicht immer leicht. Mir ist als Erwachsene immer klarer geworden, was für eine wichtige Rolle Schule und die dortigen Bezugspersonen einnehmen können.

Ich durfte zum Beispiel als Einzige bis zur 11.Klasse in der Schulküche mit den Köchinnen in der Pause zu Mittag essen. Offiziell konnte man an der Schule nur bis Klasse 6 Mittagessen bekommen.
Auch die Lehrer gaben mir immer das Gefühl, mich zu „sehen“. Es tat gut zu wissen, dass man sich immer vertrauensvoll mit persönlichen Anliegen an die Lehrer wenden konnte. Das waren echt positive Erfahrungen für mich, an die ich mich in letzter Zeit zurückerinnert habe, als mich jemand fragte, wer mich als Kind aufgefangen hat. Das möchte ich auch gern weitergeben.

Jetzt bist du aber gerade in Elternzeit. Als Lehrerin begleitest du die Kinder ja eigentlich über mehrere Jahre. Wie machst du das? Ist es ja auch noch ein zweites Kind geplant…

Nach den Herbstferien fange ich wieder an zu arbeiten und werde mitten im Schuljahr die Klassenleitung für eine zweite Klasse übernehmen. Als die Konrektorin mir dies mitteilte, war ich nicht so erfreut. Klassenlehrer zu sein, bedeutet viel mehr Elternarbeit und Verantwortung zu übernehmen. Mir graut es jetzt schon wieder davor, etliche Gespräche mit dem Jugendamt und Eltern führen zu müssen. Teilweise erziehe ich sogar die Eltern mit. Das mag man gar nicht glauben, was ich schon erlebt habe. Es ist oft ein Kampf ohne Erfolg mit total viel Kraftaufwand. Ich muss lernen, mich abzugrenzen. Mal schauen, ob ich durch Leni andere Prioritäten setzen kann. Ich denke, dass es schwierig wird, da es auch eine Charaktersache ist. Sehr gerne hätten wir ein Geschwisterchen für Leni. Mal schauen wann…

Wo sieht ihr Euch in 5 Jahren? Wollt ihr vielleicht doch irgendwann aufs Land ziehen?

Wir haben noch viele Träume. Durch Sebastians Job könnten wir überall auf der Welt wohnen, je nachdem wo in seiner Firma eine Stelle für ihn frei ist. Wir würden sehr gerne noch mal im Ausland leben.
Ich bin immer so hin und her gerissen, was das Leben auf dem Land und in der Stadt betrifft. Derzeit kann ich mir nicht vorstellen, auf dem Land zu leben. Einerseits genieße ich es, hier in Berlin zu leben, die tollen Angebote nutzen zu können. Die Stadt entwickelt sich immer mehr und es gibt immer wieder etwas Neues zu entdecken.
Andererseits suche ich auch die Ruhe. Ein kleines Haus mit Garten wäre auch total schön. Wir haben uns jetzt sogar eine Campingausrüstung zugelegt, um am Wochenende dem Trubel der Stadt zu entfliehen.

Was ist das Anstrengendste am Mama-Sein?

Am Anstrengendsten finde ich, kaum mehr Zeit für sich zu haben und sich nie ganz ausruhen zu können. Ich habe mir vielleicht einfach auch in den letzten Monaten zu wenig Zeit für mich genommen – manche Mütter in meinem Umfeld waren auch häufig ohne Baby unterwegs.

Und was das Schönste?

Das kann ich gar nicht so wirklich sagen. Es gibt so viele schöne Momente. Lenis Entwicklung zu beobachten, finde ich wahnsinnig spannend und faszinierend. Aber besonders doll geht mir das Herz auf, wenn Leni plötzlich laut lacht und mich anstrahlt.

Danke dir Luise!

Luise mit Leni (10 Monate), Juni 2018

Fotos: Lina Grün

Interview: Marie Zeisler