Luise und Leni
Luise und Sebastian leben in Berlin und sind vor einigen Monaten Eltern der kleinen Leni geworden. Luise, die eigentlich Grundschullehrerin im sozialen Brennpunkt ist, ging mit Leni in Elternzeit. Bald geht sie zurück an ihren Job – warum sie sich auf ihre Grundschulkids freut, sie sehr glücklich in ihrer 50er Jahre-Wohnung ist und welche Herausforderungen ihr Beruf mit sich bringt, erzählt Luise im Interview!
marie |
Liebe Luise! Du und dein Mann Sebastian habt vor Kurzem die süße Leni bekommen. Habt ihr beiden Euch in Berlin kennengelernt? |
Wir kennen uns noch aus der Studentenzeit und sind aber erst Jahre später zusammengekommen. Ich war damals mit seinen Kumpels befreundet und kannte Sebastian nur aus Erzählungen und von Bildern im StudiVZ ;-). Ich fand ihn gut aussehend. Er war aber mehrere Monate in Australien und Brasilien und hatte noch eine Freundin. |

marie |
Seit wann wohnt ihr hier in Tempelhof? Seid ihr happy hier? |
Wir wohnen seit zehn Monaten hier. Drei Wochen vor Lenis Geburt sind wir umgezogen. Das war ziemlich anstrengend, aber da bin ich ja nicht die Erste, die vor der Geburt noch umzieht! |
marie |
Auf den ersten Blick, würde man gar nicht erwarten, dass eure Wohnung so toll ist… |
Sebastian hatte gleich ein positives Gefühl, was die Wohnung betrifft. Das Helle, Minimalistische, der viele Stauraum, die Lage – alles hat ihn von Anfang an beeindruckt. Ich habe ein bisschen gebraucht, mich mit dem Gedanken anzufreunden, in einen 50er Jahre Bau zu ziehen. |
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“Die Häuser sind sogar denkmalgeschützt!” | |
Mittlerweile bin ich total glücklich und freue mich, jeden Tag hier zu wohnen und in das schöne Grün aus dem 5. Stock zu blicken. Außerdem ist hier wirklich alles total familiär. Man kennt jeden im Haus und führt mal ein Schwätzchen. In Neukölln hat man die Nachbarn teilweise monatelang nicht gesehen. |
marie |
Wie war deine Schwangerschaft mit Leni? |
Ich hatte eine sehr gute Schwangerschaft. Klar, hatte ich auch ein paar Wehwehchen, wie Schmerzen in den Beinen oder Rückenschmerzen, aber ich war bis zum Ende recht fit und konnte noch viel regeln für den Umzug in die neue Wohnung. |

“Der Schwerpunkt der Arbeit liegt mehr darin, eine emotionale Bindung zu den Kindern aufzubauen.” |

marie |
Du bist eigentlich Grundschullehrerin… |
Ich bin sehr gerne Lehrerin und liebe die Arbeit mit den Kindern! Aber im sozialen Brennpunkt zu arbeiten, zehrt sehr an den Kräften, ganz besonders, wenn man seine Arbeit gut machen möchte. Die Kinder dort brauchen besonders viel Zuwendung. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt mehr darin, eine emotionale Bindung zu den Kindern aufzubauen. |
Die meisten haben keinen Halt zu Hause und gehen sogar gern zur Schule, weil sie dort Struktur und Ruhe haben und Personen, auf die man sich verlassen kann. Gerade Struktur, das brauchen die Kleinen und sie spüren Verlässlichkeit. Ich bin absolut keine strenge Lehrerin, aber eine mit Regeln und Konsequenzen. Das wussten die Kinder immer. Das hat mir Respekt verschafft. Ich bin richtig toll mit meiner Klasse zusammengewachsen. Ich hatte sie 2,5 Jahre bis ich dann das Beschäftigungsverbot während der Schwangerschaft bekommen hatte. Das war schon heftig, mitten im Schuljahr zu gehen. Es wären nur noch ein paar Wochen bis zu den Sommerferien gewesen. Aber es war richtig so. Damit konnte ich besser auf mich und Leni im Bauch aufpassen. Die Arbeit hat mich nämlich immer sehr mitgenommen und beschäftigt, da ich viel mehr Sozialarbeiterin als Lehrerin war. Ich habe viel mit dem Jugendamt, Kinderpsychologen, Sonderpädagogen und sogar mit der Polizei zusammengearbeitet. |
marie |
Das klingt sehr engagiert. |
Ja, ich habe mich ja auch immer wahnsinnig viel vorbereitet, versucht, besondere Materialien zu basteln, weil ich wollte, dass die Schüler nicht immer nur die Seiten im Arbeitsheft bearbeiten. Das haben die Kinder sogar wertgeschätzt und es hat ihnen meistens große Freude bereitet, damit zu arbeiten. Ein Junge sagte oft zu mir: „Du bist die Königin des Bastelns.“ Was ich damit sagen will, ist, dass man auch unfassbar viel von den Kleinen zurückbekommt, wenn sie spüren, dass man sie gern hat und schätzt. Eine gute Beziehung zwischen Kindern und Lehrern zu schaffen, ist in meinen Augen das Wichtigste. Im Studium habe ich einen Spruch gehört, den ich bis heute nicht vergessen habe: “Man lernt nur von dem, den man liebt”. Gerade die ersten Jahre sind entscheidend für die gesamte Schulzeit. Es werden Grundlagen nicht nur fürs Lernen, sondern auch für ein soziales Miteinander gelegt. Leider werden diese Aufgaben im sozialen Brennpunkt hauptsächlich von der Schule übernommen. |

marie |
Du scheinst eine ganz wunderbare Lehrerin zu sein! Warum hast du diesen Beruf gewählt? |
Ich mochte Kinder schon immer sehr gerne, Man kann mit ihnen so viel Spaß haben! Ich durfte zum Beispiel als Einzige bis zur 11.Klasse in der Schulküche mit den Köchinnen in der Pause zu Mittag essen. Offiziell konnte man an der Schule nur bis Klasse 6 Mittagessen bekommen. |
marie |
Jetzt bist du aber gerade in Elternzeit. Als Lehrerin begleitest du die Kinder ja eigentlich über mehrere Jahre. Wie machst du das? Ist es ja auch noch ein zweites Kind geplant… |
Nach den Herbstferien fange ich wieder an zu arbeiten und werde mitten im Schuljahr die Klassenleitung für eine zweite Klasse übernehmen. Als die Konrektorin mir dies mitteilte, war ich nicht so erfreut. Klassenlehrer zu sein, bedeutet viel mehr Elternarbeit und Verantwortung zu übernehmen. Mir graut es jetzt schon wieder davor, etliche Gespräche mit dem Jugendamt und Eltern führen zu müssen. Teilweise erziehe ich sogar die Eltern mit. Das mag man gar nicht glauben, was ich schon erlebt habe. Es ist oft ein Kampf ohne Erfolg mit total viel Kraftaufwand. Ich muss lernen, mich abzugrenzen. Mal schauen, ob ich durch Leni andere Prioritäten setzen kann. Ich denke, dass es schwierig wird, da es auch eine Charaktersache ist. Sehr gerne hätten wir ein Geschwisterchen für Leni. Mal schauen wann… |
marie |
Wo sieht ihr Euch in 5 Jahren? Wollt ihr vielleicht doch irgendwann aufs Land ziehen? |
Wir haben noch viele Träume. Durch Sebastians Job könnten wir überall auf der Welt wohnen, je nachdem wo in seiner Firma eine Stelle für ihn frei ist. Wir würden sehr gerne noch mal im Ausland leben. |

marie |
Was ist das Anstrengendste am Mama-Sein? |
Am Anstrengendsten finde ich, kaum mehr Zeit für sich zu haben und sich nie ganz ausruhen zu können. Ich habe mir vielleicht einfach auch in den letzten Monaten zu wenig Zeit für mich genommen – manche Mütter in meinem Umfeld waren auch häufig ohne Baby unterwegs. |
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marie |
Und was das Schönste? |
Das kann ich gar nicht so wirklich sagen. Es gibt so viele schöne Momente. Lenis Entwicklung zu beobachten, finde ich wahnsinnig spannend und faszinierend. Aber besonders doll geht mir das Herz auf, wenn Leni plötzlich laut lacht und mich anstrahlt. |
marie |
Danke dir Luise! |
Luise mit Leni (10 Monate), Juni 2018 Fotos: Lina Grün Interview: Marie Zeisler
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