Julia Vidovic mit Xavier, Malo und Louis
Ich bin leidenschaftlich „Eltern"!

Julia kenne ich tatsächlich schon seit der Schulzeit in einer kleineren, westdeutschen Großstadt. Wiedergetroffen haben wir uns dann rund 25 Jahre später – und war erneut auf einem Schulhof: Bei der Einschulung unserer Söhne nämlich! Julia ist eine dieser Frauen, die einem mit ihrem guten Style eigentlich überall auffällt. Kein Zufall, denn Mode ist ihr Business. Früher war sie als Einkäuferin für ein namhaftes Modekaufhaus tätig, dann bei einer Berliner Modemesse und für ein Online-Versandhaus. Mittlerweile lebt sie mit ihrem Mann Xavier und den beiden Söhnen Malo und Louis in einer wunderschön sanierten Altbauwohnung in Berlin Pankow-Rosenthal. Und hat in der Elternzeit von Sohn Louis Bubblemum Society gegründet. Eine kuratierte Secondhand- und Vintage Plattform für coole und qualitativ gute Kindermode. Das Thema Nachhaltigkeit spielt dabei natürlich stets eine große Rolle. Bühne frei für Julia!

Julia, jetzt hab ich zwar schon ein bisschen was vorweggenommen, aber erzähl doch mal von dir!

Hannah, du bist lustig, die “kleinere Großstadt“ kam mir immer eher vor wie eine Ansammlung von Dörfern und direkt nach dem Abitur wollte ich dann auch so schnell wie möglich weg von dort. Nach verschiedenen Aufenthalten, unter anderem in Nürnberg und Düsseldorf, schaffte ich es 2006 endlich nach Berlin, die langersehnte Wahlheimat. Meinen beruflichen Werdegang hast du ja schon kurz skizziert. Und unsere Söhne wurden 2013 und 2015 geboren.

Dein Mann Xavier ist Franzose, wo und wie habt ihr euch kennengelernt?

Eigentlich träumte ich immer von einem Franzosen mit Wiener Schmäh, habe ich leider nicht gefunden in Berlin, haha! Im Ernst: Freunde wollten uns einander über einen recht langen Zeitraum vorstellen, weil sie dachten, wir könnten gut zusammen passen. Es war aber immer einer von uns verhindert. Als sie bereits aufgegeben hatten, begegneten wir uns durch Zufall auf einer Party – und ich war direkt sehr beeindruckt. So ging es los…

Eure Söhne wachsen zweisprachig auf und Malo geht auch auf eine französische Grundschule. Wie ist das so für die Kinder – und siehst du Unterschiede im deutschen und französischen Erziehungs- und Bildungssystem?

Ich bin ziemlich happy mit unserer Grundschule und vor allem den sehr süßen Mitschülern und ihrem umsichtigen Umgang miteinander. Es ist etwas anspruchsvoller und zeitintensiver, aber ehrlicherweise habe ich den Schüler-und Lehrerjob ja die letzten 1,5 Jahre – wie so viele – selbst gemacht, weil im Homeschooling nichts lief, ohne dass ich daneben saß. Ich bin gespannt, wie es nach den Sommerferien wird, wenn hoffentlich der normale Regelbetrieb wieder anläuft…
Was das französische Erziehungssystem betrifft, kann ich nur über die in Frankreich lebenden Personen sprechen, die ich persönlich kenne und da sind das von mir zelebrierte Familienbett und eine längere Stilldauer beispielsweise sehr selten. Auch kenne ich niemanden, der sein Kind zu Hause geboren hat, zumindest nicht vorsätzlich! Es gibt auch keine einjährige Elternzeit, was den Druck, möglichst schnell in den Beruf zurückzukehren, natürlich verstärkt. Insgesamt erscheinen mir die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern hierarchischer als hier und die Kinder etwas folgsamer. Aber genau wie in Deutschland lässt sich das sicher nicht pauschalisieren.

Du hast vor 1,5 Jahren Bubblemum Society gegründet, gemeinsam mit einer Freundin. Was hat euch damals dazu bewogen?

Gegründet habe ich mit meiner ehemaligen Vorgesetzten und jetzt Freundin Alexa Haskins. Inzwischen ist sie leider aus persönlichen Gründen ausgestiegen.
Ich merkte damals, dass mein Job als Einkäuferin nicht mehr mit den Interessen meiner Kinder zu vereinbaren war, da ich so oft auf Reisen war. Der Traum von der Selbstständigkeit verfolgte mich außerdem schon sehr lange und ich fand selber keine Online-Plattform, die im Hinblick auf Sortiment, Preise und Service meinen Vorstellungen eines modernen, preloved Kidswear Konzepts entsprach.

Ich merkte damals, dass mein Job nicht mehr mit den Interessen meiner Kinder zu vereinbaren war.

Was ist euch wichtig bei der Auswahl der Kleidung?

Grundsätzlich gilt das Gebot “no fast fashion” und die Marke muss ins Sortiment passen, das Teil frei von Mängeln sein und die Verkäufer:innen sollten keine überhöhten Preisvorstellungen haben. Wenn ich bei EBay sehe, dass ein Bobo Choses Sweatshirt mit Flecken immer noch 28 Euro kosten soll, muss ich mich immer ein bisschen aufregen. Wir erzielen aber dennoch für beide Seiten faire Preise und pflegen guten und freundschaftlichen Kontakt zu unseren Verkäufer:innen. Wir arbeiten derzeit ausschließlich via Concierge Service. Heißt, wir bekommen die Sachen zugeschickt, kümmern uns um den Verkauf (Bilder, Marketing etc.) und die Verkäufer:innen bekommen ihren Share im Anschluss. Kund:innen bieten wir eine gute Auswahl und Servicegarantie und man muss nicht mit den Verkäufer:innen einzeln in Kontakt treten.

Ihr habt kurz vor der Pandemie gegründet, inmitten von Lockdowns und Homeschooling. Wie war das für euch und wie habt ihr euren Alltag organisiert?

Eher schwierig, da ich einen sehr beschäftigten Mann habe, der als Angestellter für einen Konzern arbeitet und gerne von 9 bis 20 Uhr in Calls saß. War auch laut, manchmal. Die ganze Familie wusste immer sehr genau, was da so los war…!
Während Bubblemum bis zum Abend warten musste und an den Wochenenden dran war. Es fühlt sich unglaublich frei an, jetzt hier zu sitzen und zu wissen, ich darf mich alleine bis 15.30 konzentrieren.
Wir waren aber während Covid auch einfach immer dankbar, gesund zu sein und zumindest ein sicheres Einkommen zu haben, deshalb hielt sich mein Frust sehr in Grenzen. Außerdem hatten wir privat sogar sehr schöne Zeiten, bedingt durch die Intensität.

Wir waren aber während Covid immer dankbar, gesund zu sein und zumindest ein sicheres Einkommen zu haben, deshalb hielt sich mein Frust sehr in Grenzen.

Mittlerweile ist Bubblemum Society eine „One Woman Show“. Dein Mann Xavier ist beruflich auch sehr eingespannt. Wie ist bei euch die Aufgabenteilung innerhalb der Partnerschaft geregelt?

Wir geben uns beide Mühe, so viel wie möglich im Haushalt und für die Kinder zu tun. Er tickt da gleichberechtigt und das Konstrukt, dass die Frau zu Hause bleibt, ist ihm fremd. Ist mir in Frankreich bislang auch nicht begegnet. Es ergibt sich alles, wir haben keine Absprachen oder Regeln. Und auch selten Ärger. Da ich es wiederum zu Hause so kennengelernt habe, dass meine Mutter alles machte und noch dazu im elterlichen Betrieb half, werden meine Ansprüche eher übertroffen ;). Was Bubblemum Society angeht, kann ich mich jetzt hoffentlich endlich dem Wachstum widmen, ohne weitere Pandemiewelle, die meine Zeit stiehlt. Wir arbeiten gerade an einem professionelleren Webshop, der bald fertig wird.

Du hast ja definitiv einen Hang zu schönen Dingen. Woher nimmst du deine Inspiration?

Was die Kidswear angeht, ist es ein sicheres Gefühl. Schon in meiner Kindheit habe ich mich brennend dafür interessiert und mir immer nur wertige Anziehsachen und Bücher anstelle von Spielzeug gewünscht. Ansonsten mag ich alles, was mit Liebe zum Detail und Leidenschaft hergestellt wird, das verdient in meinen Augen einfach Wertschätzung. Zu sehr auf Äußerlichkeiten zu achten oder Konsum als Wert zu leben, ist nicht mein Ziel. Weniger ist mehr. Und gerne preloved!

Ansonsten mag ich alles, was mit Liebe zum Detail und Leidenschaft hergestellt wird, das verdient in meinen Augen einfach Wertschätzung.

Eure Söhne sind nur 21 Monate auseinander. Empfindest du das als eher vorteilhaft oder anstrengend?

Das ist ein Riesengeschenk an die Kinder, ich muss oft selber staunen, wie eng und liebevoll sie miteinander umgehen. Obwohl sie sehr unterschiedlich sind, teilen sie viele Interessen und lachen sich ständig zusammen schlapp. Die Anfangszeit habe ich als anstrengend und schön zugleich empfunden. Fünf Jahre keine Nacht durchschlafen, das sieht man unfairerweise mehr als viele freiwillig durchgemachte Nächte. Könnte allerdings auch am Alter liegen :)

Du hattest bei beiden Kindern ein Hausgeburt geplant. War für dich immer klar, dass du das so möchtest und wie habt ihr die Geburten erlebt?

Geklappt hat es nur beim zweiten Kind. Beim ersten sollte ich spontan ins Krankenhaus, habe es dann aber dort natürlich bekommen, wie geplant. Ich war da etwas stur und die Vorstellung einer selbstbestimmten Geburt war tief in meiner Überzeugung verankert. Ich hatte mich viel damit beschäftigt. Und eine Hebamme an meiner Seite, die über tausend Babies zur Welt gebracht hat. Meine zweite Geburt war eines meiner schönsten Erlebnisse. Bis heute bin ich froh, dass ich mich dazu entschieden habe und es wirklich „magic“ war.

Bewertungen finde ich bei diesem Thema aber immer unangebracht, da es so, so persönlich ist. Wir haben glücklicherweise hierzulande die Freiheit, zu wählen, wenn es die Gesundheit zulässt und das empfinde ich als großes Privileg.

Könntet ihr euch vorstellen, irgendwann auch einmal in Xaviers Heimat zu leben?

Er kommt aus der Bretagne und das ist derzeit ein fantastischer Urlaubsort für uns, auch könnte ich mir vorstellen, vielleicht später dort alt zu werden. Mein Vater lebt allerdings in Kroatien, direkt am Meer, da ist es auch sehr hübsch.

Was ist für dich das Schönste am Elternsein? Und was das Nervigste?

Das Schönste, schwierig, ich bin leidenschaftlich „Eltern” und es gibt so viele schöne Seiten. Aber am beeindruckendsten finde ich wohl die Entdeckung dieser bedingungslosen, alles beherrschenden Liebe für die beiden. Das Nervigste, zwei Kinder, die sich selbstreflektierend auf ihre Wackelzahnpubertät berufen und meinen, das sei ein Freifahrtschein für sämtliche An- und Ausfälle. Inklusive Türen knallen. Und natürlich Homeschooling, bitte komme nicht wieder.

Danke dir für das Gespräch und den netten Nachmittag bei euch Zuhause. Wir wünschen dir weiterhin ganz viel Erfolg und Spaß mit Bubblemum Society!

Julia Vidovic mit Malo (8) und Louis (6)
Fotografin: Lina Grün
Interview: Hannah Stenke