Fatma Saltwater mit Jamal
Wir genießen das Zusammensein sehr

Als ich Fatma zum ersten Mal sah, fiel mir zuerst ihr Kracher-Style auf. Bunte Haare, auffällige Sneaker, ungewohnte Kombinationen, die aber immer überraschend stimmig aussahen. Kein Wunder, dass die Gute als Stylistin arbeitet.
Als ich mich dann mit ihr unterhielt, merkte ich außerdem schnell, dass hinter der funky Oberfläche noch viel mehr steckt: eine liebevolle und vielschichtige Seele, jede Menge Lebenserfahrung und ganz, ganz viel Herz. Fatma ist früh Mutter geworden, mit ihrem Mann Kay ist sie zusammen, seit sie 18 ist. Hätte man jetzt auch nicht auf den ersten Blick gedacht, oder? Wie der Alltag der kleinen Familie, die in Köln lebt, so aussieht, welche Werte sie gerne weitergeben möchte und wie sie sich als Schwarze Frau und Mutter in Deutschland fühlt, all das hat uns Fatma im Interview erzählt.

Hi Fatma! Du bist mit deinem Mann zusammen, seitdem du 18 bist. Hast du dir damals vorstellen können, dass er der Mann deines Lebens wird, mit Kindern, Hochzeit und allem?

Erst nicht. Ich hatte damals überhaupt keinen Kopf und keine Zeit für sowas. Ich habe professionell Basketball gespielt, mich kurz danach verletzt und dann angefangen, neben der Schule zwei Jobs auszuüben. Themen wie “Hochzeit & Kinder” waren noch nicht in meinem Kopf, aber das Schicksal hat wohl gewollt, dass wir zueinander finden! Aus jetziger Sicht kann ich mir kein Leben ohne meine beiden Männer vorstellen – ich bin sehr froh, dass unsere Beziehung sich so natürlich und echt entwickelt hat!

Du warst erst 23, als du Mutter wurdest. Hast du dich jemals zu jung gefühlt?

Nie. Objektiv war ich natürlich noch sehr jung, aber ich habe viele Geschwister, war immer sehr natürlich und intuitiv im Umgang mit Kindern, deshalb hat es mich nicht geschockt, als ich gemerkt habe, dass ich schwanger bin. Mein Halbbruder hier in Deutschland ist autistisch, er hatte immer einen erhöhten Zuwendungsbedarf und ich kam sehr früh sehr gut mit ihm klar. Wir sind elf Jahre auseinander, ich habe ihn quasi mit aufgezogen. Ich denke, das hat dazu geführt, dass ich niemals das Gefühl hatte, Kinder könnten mich überfordern. So kam es letztendlich auch. Ich bin, glaube ich, wirklich eine sehr ausgeglichene und intuitive Mutter.

Dein Vater lebt in Kenia, deine Mutter kam mit dir nach Deutschland, als du fünf Jahre alt warst. Du hast den Bezug nach Kenia aber nie verloren, richtig?

Genau. Ich war als Kind jeden Sommer dort, meistens die ganzen sechs Wochen. Ich spreche auch Suaheli, bin meiner Familie dort sehr nah und habe diese Urlaube immer sehr genossen. Sie waren auch ein totaler Reality check, wenn ich zurück kam, konnte ich die Probleme meiner Mitschüler*innen nie ganz nachvollziehen.

Ich bin meiner Mutter sehr dankbar dafür, dass sie die Beziehung zu Kenia immer so gepflegt hat. Ihr wäre es an vielen Stellen lieber gewesen, ich hätte mich voll und ganz in Deutschland assimiliert.

Wie hast du die Rassismus-Diskussionen der letzten Monate empfunden?

Als sehr positiv! Es war schön, endlich ernst genommen zu werden. Viele Freunde kamen auf mich zu und entschuldigten sich fast dafür, dass sie nicht immer sensibel gewesen seien. Auch meinem Mann ist das alles noch mal klarer geworden.
Auf der anderen Seite fand ich diese Zeit auch sehr schmerzhaft. Es gelingt mir im Alltag gut, mich nicht als Opfer eines Systems sehen. So viel mit den Erlebnissen von anderen BIPoCs konfrontiert zu werden, hat mich total mitgenommen. Ich musste zwischendurch immer wieder Social-Media-Pause machen, um das nicht zu nah an mich ranzulassen.

Wie war und ist es für dich als Schwarze Frau in Deutschland groß zu werden? Wie beeinflusst das die Erziehung deines Sohnes?

Eine junge Schwarze Frau in Deutschland muss viel Verständnis gegenüber Menschen der deutschen Kultur aufbringen. Oft kommen unpassende Kommentare, die die Emotionen aufwühlen – hier finde ich es wichtig, erstmal zu filtern. Der Ton, Zusammenhang und die Intention dieser Kommentare leiten die Message am Ende, deshalb versuche ich, mich nicht triggern zu lassen. Das war ein sehr langer Prozess! Wichtig ist hier auch Kommunikation: Dinge ansprechen löst so oft Probleme, bevor sie überhaupt anfangen. All in all würde ich sagen: Ich musste oft zurückstecken und härter für meinen Erfolg arbeiten, weil man als Schwarze Frau eben doch immer in eine unsichtbare Schublade gesteckt wird. Damit das nicht passiert, verbiegt man sich, ohne es zu merken. Es ist mir gelungen, das mit den Jahren abzulegen, und seitdem bin ich viel glücklicher.

Meinem Sohn will ich vor allem mitgeben, dass er das Selbstbewusstsein entwickeln soll, so zu sein, wie er ist, und andere auch sein zu lassen, wie sie sind. Wir sprechen viel über andere Kulturen, ich habe durch meinen Vater ja auch muslimische Wurzeln. Und er wächst mit Eltern auf, die Tattoos haben, unterschiedliche Hautfarben, die nicht dem Mainstream entsprechen. Das wird ihn sicher auch prägen!

Ich musste härter für meinen Erfolg arbeiten, weil man als Schwarze Frau eben doch immer in eine unsichtbare Schublade gesteckt wird.

Dein Style ist bunt und laut, kleidest du dich nach Lust und Laune oder gehst du da mit System ran?

Das ist ganz unterschiedlich. Meistens kleide ich mich völlig aus dem Bauch heraus. Das sind auch die Tage, an denen ich mich am wohlsten fühle. An anderen Tagen lege ich mir was raus. Gerade wenn es um mich herum stressig ist, weil ich zum Beispiel einen Job habe, gibt mir das auch Sicherheit. Aber generell passiert hier schon viel nach Gefühl. Ich gehe da sehr intuitiv ran. Mode und Styling, mit Looks experimentieren, das macht mir einfach so viel Freude.

War das schon immer so?

Nein. Ich habe Mode schon immer geliebt, aber tatsächlich hat meine Mutter mir viele Jahre lang ans Herz gelegt, mich weniger auffällig zu kleiden und meine Haare auch möglichst „normal“ zu stylen. Ich beobachte das oft bei Migrant*innen, es soll natürlich zum Schutz der Kinder sein, die ja ohnehin schon so „auffallen“. Mich hat das aber sehr eingeengt und kaum war ich volljährig, habe ich damit begonnen, mich nicht mehr an die Regeln zu halten. Heute hat auch meine Mutter eingesehen, dass mein Look eben zu mir gehört und dass er ja auch auf eine Art und Weise mein Unique Selling Point ist.

Du fällst aber sicher sehr auf in Köln. Wie empfindest du das Feedback?

Unterschiedlich! Nicht jeder mag es bunt, deshalb kann ich es verstehen, wenn Leute mich vielleicht als “zu viel” betrachten. Was mich eher stört, ist das nicht vorhandene Verständnis vieler Mitmenschen gegenüber anderen Menschen, die nicht einen ähnlichen Kleidungsstil wie sie haben.
An manchen Tagen werde ich wiederum angelächelt oder bekomme Komplimente, darüber freue mich sehr, weil es eine sehr freundliche Geste ist.

Du bist eine Quereinsteigern in Sachen Styling, oder?

Ja, ich bin da so reingerutscht. Nach dem Abi wollte ich eigentlich Psychologie studieren, dann bin ich über einen Job bei einen Onlineshop zum Styling gekommen. Ich bin hier totale Autodidaktin, aber das macht mich wahrscheinlich aus.
Psychologie hat mich dann doch noch verfolgt, deshalb habe ich es einige Semester studiert, mir wurde aber schnell klar, dass ich nicht unbedingt in die Wissenschaft gehöre. Es ist ein sehr anspruchsvolles Studium, dementsprechend musste ich beim Styling einige Zeit zurückrudern, und es hat mir so gefehlt! Da wurde mir schnell klar, wofür mein Herz schlägt. Nichtsdestotrotz weiß ich, dass es für mich nicht für immer nur bei Styling und Creative Direction bleiben wird – man lernt ja bekanntlich nie aus!

Wie sieht ein typischer Tag bei euch aus?

Oh, unser Alltag ist immer unterschiedlich! Dadurch, dass ich Freelancerin bin, müssen sich oft alle nach mir richten. Kay betreibt mit seinem Vater ein großes Motorradhaus, arbeitet also im Familienunternehmen und kann seine Zeit gut einteilen. So klappt es oft, dass ich auch spontane Job-Anfragen annehmen kann. Jamal ist zwei, drei Mal die Woche bei der Oma, damit ich meine To-Dos in Ruhe hintereinander abarbeiten kann. Das Wochenende ist dafür heilig bei uns – wenn ich nicht arbeiten muss, sind wir alle sind zuhause. Generell kann man sagen: wir genießen das Zusammensein sehr.

Dadurch, dass ich Freelancerin bin, müssen sich oft alle nach mir richten!

Kannst du dir noch mehr Kinder vorstellen?

Oh ja, sehr sogar. Kay ist ein wundervoller Vater und Jamal wäre sicher ein toller großer Bruder. Kay hat ihn erst vor Kurzem darauf aufmerksam gemacht, dass die Mama immer ihre Hausschlappen vergisst, seitdem ist das für ihn seine Lebensaufgabe: Egal, wo ich bin, er bringt mir meine Schlappen. So fürsorglich ist er! Außerdem finde ich, Geschwister zu haben und die Verantwortung, die das mit sich bringt, fördert die Persönlichkeit auch nochmal anders. Also ja! Nur wann, ist die Frage.

Hat dich das Mama werden verändert?

Verändert würde ich nicht sagen, aber es hat mich definitiv “weitergebildet”. Emotional bin ich extrem gereift und ich bekomme auch alles besser organisiert, seit Jamal da ist. Ich als Mensch, also meine Persönlichkeit und alles drum herum, haben sich aber nicht verändert. Für mich war es immer wichtig, mich selbst nicht komplett zu vergessen.

Welche Vorstellungen hattest du vom Kinderhaben und haben sie sich bewahrheitet?

Um ehrlich zu sein hatte ich überhaupt keine Vorstellung. Durch meine viele Geschwister habe ich gelernt, dass Kinder sehr unterschiedlich sind und man einfach nichts vorplanen kann. Ich war mir sehr früh bewusst, welche Werte ich vertrete und was für Menschen ich bei mir haben wollte, darauf habe ich vertraut. Ist auch ganz gut gelaufen. So ganz nach dem Motto “trust the process”.

Was ist das Nervigste am Kinderhaben?

Nervig finde ich nichts. Das Einzige, was mir fehlt ist, dass ich meinen Schlafbedürfnis nicht mehr so nachgehen kann, wie ich es einmal konnte.

Und was ist das Schönste?

Ach, so vieles. Diese ungefilterte Liebe, das blinde Vertrauen und dass ich das Kind so emotional ausgeglichen wie nur irgendwie möglich erziehen darf!

Danke, Fatma!

Fatma Saltwater mit Jamal (3), August 2020
Interview: Isabel Robles Salgado
Fotos: Aimilia Theofilopoulos