Alexandra und Philipp von Frankenberg mit August
Wir werden das Kind schon schaukeln!


Alex und Philipp sind alte Freunde von mir, ich glaube, Philipp kenne ich seit über 20 Jahren! Zusammen mit ihrem Sohn August leben sie in einer traumhaften Dachgeschosswohnung im Norden von München-Schwabing – und wenn man da rein kommt, dann sieht man gleich: hier mag jemand gerne dekorieren. Jede Ecke ist Pinterest-würdig! Alex hat Modedesign studiert und irgendwann das Trachtenlabel Amsel gegründet, das meiner Meinung nach die schönsten Trachten überhaupt herstellt. Hochwertig, klassisch, einfach so schön. Für alle Bayern, oder die, die es werden wollen (zumindest ein Mal im Jahr, haha!) ein Muss. Philipp ist schon recht bald ins Unternehmen mit eingestiegen, auch sein Bruder und Alex’ Bruder arbeiten bei Amsel. Ein klassisches Familienunternehmen also! Wie das so ist, wenn man Tag und Nacht zusammen arbeitet und lebt, wie die Kombination aus eigener Firma und Kindern (das Zweite ist unterwegs!) klappt und warum die Zeit vor dem Oktoberfest für alle die stressigste ist – das erzählen uns Alex und Philipp im Interview.

Liebe Alex! Du bist ja wirklich eine Self Made Unternehmerin und das auch noch im Mode-Bereich, der ja nicht gerade als einfach gilt. Wie kam es dazu?

Alex: Naja, ich hatte mich jetzt nicht mit dem Plan hingesetzt, eine Trachtenfirma zu gründen, eigentlich bin ich da eher etwas reingerutscht. Ich hatte mir, damals beruflich in Berlin, ein paar Styles für die Wies’n gefertigt, die dann relativ schnell Anklang bei Freunden und Bekannten fanden. Die ersten Entwürfe hatten mit klassischer Tracht, wie wir sie heute fertigen, aber noch nicht wirklich viel zu tun.
Mit diesen Teilen hatte ich aber gleich erste Veröffentlichungen in Zeitschriften und Magazinen – und so kam eines zum anderen. Mit den Dirndln habe ich dann aufgrund einer Anfrage von Ludwig Beck angefangen. Eines Abends kurz vor Weihnachten, rief mich deren Einkäufer für die Tracht an, der kurz zuvor über einige Hüte von mir stolperte, die ich zu diesem Zeitpunkt in einem kleinen Laden in der Innenstadt anbot, und fragte, ob ich auch Dirndl fertigen würde.
Also saß ich kurz darauf mit meiner damaligen Praktikantin nächtelang an der Nähmaschine, um den versprochenen Liefertermin einzuhalten.
Das war der Startschuss. Wir beschlossen dann, den Vertrieb auszuweiten und haben erste Fachmessen besucht, um zu sehen, wie unsere Produkte von anderen Händlern angenommen werden. Noch im selben Jahr, 2012, haben wir das Label „Amsel“ dann offiziell gegründet.

Hast du immer davon geträumt, ein eigenes Label aufzubauen?

Alex: Wer träumt früher oder später nicht davon, etwas Eigenes zu gründen und sich „unabhängig“ zu machen? Um ehrlich zu sein hatte ich das Glück, zu einem Zeitpunkt im Leben, an dem ich keine Lust mehr hatte, angestellt zu sein, eine gehörige Portion unternehmerische Naivität und die richtigen Menschen um mich zu haben, um die Selbstständigkeit auszuprobieren. Letztlich sind wir ja zu einem Familienunternehmen herangewachsen und ich möchte, so oft wir uns auch zoffen, keinen missen. Mein Bruder, mein Mann, mein Schwager – alle haben ihre Expertisen, ohne die man diese Unternehmung sonst nicht führen könnte.

Wie lange seid ihr beiden zusammen und wolltet ihr immer Familie?

Philipp: Wir haben uns 2009 – also wow schon vor 10 Jahren – klassischerweise in der Schnapsbar vom Schützenfestzelt auf der Wiesn kennengelernt.

Alex: Philipp konnte sich zu diesem Zeitpunkt noch keine Kinder vorstellen, aber ich denke die wenigsten Männer planen das ernsthaft – und mit 30 sowieso noch nicht. Ich selbst bin vier Jahre jünger als mein Mann, dachte um ehrlich zu sein auch noch nicht darüber nach. Wir waren ja dann auch mit Firma etc. voll ausgelastet. Aber um ehrlich zu sein haben wir’s schon sehr „klassisch“ gemacht. 2013 haben wir geheiratet und weitere zwei Jahre später war ich dann schwanger.

Philipp: So geplant war das damals nicht, aber August war auf jeden Fall mehr als eine wundervolle Überraschung!

Erzählt mal ein bisschen, wie das war, als August geboren wurde. An welchem Punkt wart ihr da mit dem Unternehmen?

Alex: Puhh, August kam sicher nicht zu einem günstigen Zeitpunkt. Wir sind zwar zu diesem Zeitpunkt schon ganz manierlich gewachsen, waren aber dadurch auch chronisch unterfinanziert. Als Unternehmerin geht man ja auch nicht einfach so in Elternzeit. Erstens zahlt einem das keiner, zweitens, und das ist viel wichtiger: bleibt die die Arbeit ja zu tun. Grade die Bereiche Design bzw. Produktion übergibt man nicht so einfach.
Ich habe bis zwei Tage vor der Geburt und dann direkt zwei Wochen nach der Geburt wieder gearbeitet. Glücklicherweise leben unsere Großeltern in der derselben Stadt und so war meine Mami zu Beginn oft bei uns im Geschäft und hat August zwischen dem Stillen gehütet, während ich gearbeitet haben. DANKE MAMI!

Als Unternehmerin geht man ja nicht einfach so in Elternzeit!

Phillip ist ja auch bei Amsel tätig, ihr verbringt also ganz schön viel Zeit zusammen, wie ist das so?

Philipp: Als wir das Trachtenlabel gegründet haben, waren wir ja beide noch in Jobs und die Firma natürlich auch nach Büroschluss noch sehr oft Thema. Gerade durch den Start neben unseren damaligen Jobs haben wir in unserer Freizeit fast ständig über dieses Arbeitsprojekt geredet. Abends auf der Couch beim Rotwein: Wie fotografieren wir die neue Kollektion? Was hältst du von dem Flyer? Es hat uns einfach beide sehr beschäftigt und viel Spaß gemacht – mehr wie ein überdimensional großes, gemeinsames Hobby.

Alex: Seitdem unser Sohn August auf der Welt ist, hat sich das stark geändert. Heute versuchen wir, die Arbeit wenn irgend möglich, im Büro zu lassen, um zuhause ein möglichst privates Familienleben zu führen und nicht über Arbeit zu sprechen. Das war schon eine große Umstellung für uns beide, es hat auch ein paar Mal geknallt und sicher ein Jahr gedauert, bis wir uns neu sortiert hatten.
Aber indem wir uns jeden Morgen im Büro für einen kurzen „jour fixe“ treffen und alle anstehenden Themen besprechen, haben wir einen guten Weg gefunden. Mit Struktur und viel Disziplin im Büro funktioniert das ganz hervorragend. Dazu kommt natürlich auch, dass die Firma ein wenig gewachsen ist und wir zu Hause nicht mehr alle Entscheidungen treffen können – die gehören ins Team. Das tut uns auch als Paar ganz gut, denn wenn wir uns früher gegenseitig kritisiert haben, war das mitunter hart. Kritik vom Ehepartner fühlt sich eben nie so neutral an, wie von Kollegen.

Philipp: Heute beruhen die meisten Entscheidungen viel mehr auf Verkaufsanalysen und Lagerumschlagszahlen oder Ähnlichem, als auf emotionalen Themen.

Es hat sicher ein Jahr gedauert, bis wir uns neu sortiert hatten.

Wie organisiert ihr Familie und Familienbetrieb, wer kümmert sich wann um was und regelt ihr das spontan oder gibt es feste Pläne?

Alex: Philipp macht regulär den Morgen und ich den Abend, das liegt schlicht an unserer inneren Uhr – zum Glück können wir uns das so aufteilen und zum Glück laufen wir da auch konträr. Hat jemand Termine, die dem entgegengehen, organisieren wir uns natürlich um – Büro hat dann Vorrang. Allerdings kommt das sehr selten vor, das ist dann eben doch ein Vorteil der Selbstständigkeit: sich Termine so legen zu können, wie man das selbst möchte.
Ich bin sehr gespannt, ob das mit dem zweiten Kind – das kommt quasi „jeden Tag“ – auch noch so funktioniert…

Habt ihr Pläne gemacht, wie ihr euch nach der Geburt aufteilt, so richtig pausieren kannst du ja wahrscheinlich wieder gar nicht, oder?

Alex: So richtige Pläne haben wir um ehrlich zu sein noch nicht, ich denke wir spannen wieder so viel Familie wie möglich ein – zum Glück haben sich sowohl meine Schwiegereltern als auch meine Mami schon bereit erklärt.

Philipp: Letztlich lassen wir das ein bisschen auf uns zukommen, man weiß ja ohnehin noch nicht, wie sich das neue Menschlein macht und welche Bedürfnisse er hat. Als Familienunternehmen gehört es ja quasi zum guten Ton, FAMILIE groß zu schreiben. Wir werden das Kind schon schaukeln!

Als Familienunternehmen gehört es ja quasi zum guten Ton, FAMILIE groß zu schreiben!

Alex, Interieur ist ja dein Hobby, oder? Wann findest du Zeit dafür?

Alex: Ja sehr, mein nächstes Unternehmen wird sich eine Interieur-Firma! Zeit – gute Frage – Einrichtungshäuser kann man zum Glück mit Kindern besuchen und nachdem August ja auch schon viereinhalb ist, traue ich mich auch schon mal, ihm einen Pinsel in die Hand zu drücken und mir beim Streichen zu helfen. Sicher ist es von Vorteil, wenn man wie ich nicht still sitzen kann, dann wurstelt man immer durch die Wohnung, schiebt wie Tine Wittler, mal hier und mal da, stellt um oder dekoriert den neuesten Netz- oder Flohmarktfund ein.
Inspiration hole ich mir, wenn alle schlafen, von Insta, Pinterest oder Zeitschriften.

Freut August sich auf den kleinen Bruder?

Alex: Megaaa! Das Schöne ist, dass er das in seinem Alter natürlich auch wahrnimmt, auch wenn er sicherlich noch nicht weiß, was tatsächlich auf ihn oder uns alle zukommt.
Lustigerweise habe ich auch schon viel von Augusts Anfängen vergessen oder verdrängt… Also ich freue mich auch und bin ganz genauso aufgeregt!

Wie sieht ein ganz normaler Wochentag bei euch aus?

Philipp: 7 Uhr klingelt mein Wecker, ich koche dann für die „Großen“ Kaffe und für August eine Tigermilch (warme Milch mit Honig) – der Begriff stammt noch von einem Fläschchen, auf dem Tigger und Winnie the Poo abgebildet waren.

Alex: August kommt eher nach mir und schläft vor allem unter der Woche gerne etwas länger, also hat Philipp Zeit zum Duschen und Anziehen. Danach holt er August zum Frühstück und auch ich schäle mich dann aus den Kissen. Nachdem August sich oder wir ihn angezogen haben, radeln Philipp und August gegen 8:30 richtig Kindergarten.
Ich räume dann erst das Frühstückschaos und dann mich selbst auf. Wir treffen uns regulär gegen 9:30 im Büro und gehen jeder unserer Arbeit nach.
Je nachdem, wer am Tag weniger zu tun hat oder auch mal weniger Drive hat, holt dann gegen 16:30 Uhr August aus dem Kindergarten ab. Da einer von uns beiden meist 6 Tage die Woche arbeitet, kann man die Arbeit ganz gut ausgleichen. Alles was man nicht schafft, macht man halt wenn August im Bett ist.

Es macht den Eindruck, als würdet ihr ganz schön busy sein. Habt ihr Zeit für Hobbys und wann findet ihr Zeit als Paar?

Philipp: Hobby, was ist das? Nein, so richtig Zeit für Hobby bleibt derzeit nicht – auf der anderen Seite: welches Paar mit zwei kleinen Kindern und eigener Firma hat das schon. Je älter August wird, umso leichter wird es hoffentlich, gemeinsame Hobbys wie Skifahren, Radfahren oder Reisen zu pflegen: seit ein paar Tagen fährt August ohne Stützräder Rad und er hatte vor zwei Wochen seinen ersten Skikurs.

Alex: Durch unsere Arbeit sind wir glücklicherweise auch oft zu schönen Veranstaltungen eingeladen, das nutzen Philipp und ich dann oft auch gleich als Datenight.
Meine Schwiegermutter sagt immer: denkt auch an Eure Eheerhaltungstage! Und so unternehmen wir, dank unserer Eltern, ab und an übers Wochenende kleine Trips.

Teilt ihr Familien- und Erwerbstätigkeit gerecht auf?

Alex: Ja absolut gerecht. Das liegt aber auch daran, dass unsere Jobs nachgelagert sind – Philipp kann erst in den Vertrieb gehen, wenn ich eine Kollektion entwickelt habe bzw. gehe ich nicht ins Design, solange ich kein ordentliches Feedback aus der zuletzt vertriebenen Kollektion habe. Es gibt also immer Phasen, wo der eine mehr zu tun hat – und dann der andere.

Würdet ihr sagen, dass ihr Berufstätigkeit und Familie gut unter einen Hut bekommt?

Philipp: Das hängt etwas davon ab, um welche Jahreszeit es sich handelt. Wir haben ja mehr oder minder ein Saisongeschäft, d.h. im Sommer, vor der Wiesn, sind wir, auch weil wir neben den Retailern ja noch ein eigenes Geschäft betreuen, eingespannter als im Rest des Jahres. Da wird es stressig und die Vereinbarkeit leidet.

Alex: Ansonsten kommen wir – wie die meisten Arbeitnehmer – zwischen 18 und 19 Uhr aus dem Büro; und einer geht immer gegen 16 Uhr, um den Buben abzuholen!
Na gut, vielleicht schalten wir abends nachdem Essen statt dem Fernseher eher nochmal kurz den Laptop an.

Philipp: Letztlich bekommen wir alles gut unter den Hut, weil wir wie ein Kellner denken: „niemals leer gehen“. Wir sind schon ziemlich effizient, glaube ich.

Was ist das Nervigste am Elternsein?

Alex: Zu Hause nicht allein auf’s Klo zu können, geschweige denn in die Badewanne!

Und was das Schönste?

Alex: Wenn August mir morgens nach dem Aufwachen sagt „Du bist die beste Mami auf der Welt“ und so fest daran glaubt, auch wenn ich selbst manchmal ein schlechtes Gewissen habe, weil ich wieder länger gearbeitet habe am Abend vorher.

Danke, ihr beiden!

Alexandra und Philipp von Frankenberg mit August (4), Dezember 2019
Interview: Isabel Robles Salgado
Fotos: Sittig Fahr-Becker