Yay or Nay: Elterninitiativen

Wir hatten schon lange keinen Artikel mehr zu unserer Yay or Nay-Serie. Heute ist es aber soweit! Zwei Eltern, unterschiedliche Meinungen – denn Diskussionen finden wir definitiv YAY. In der Vergangenheit ging es schon um Fastfood, Haustiere, Familienbett und vieles mehr. Heute geht es um Kinderbetreuung und zwar konkret um Elterninitiativen. Elterninitiativen sind kleine, von Eltern und /oder Erzieher*innen selbstverwaltete Krippen, Kindergärten und Horte. Alicia kann Elterninitiativen – vor allem als Krippe – definitiv etwas abgewinnen. Isabel so gar nicht.

YAY

Einige Monate nach der Geburt unserer ersten Tochter haben wir uns auf die Suche nach einer Krippe gemacht. Damals noch etwas blauäugig wussten wir gar nicht so genau, was wir suchen. Und wir wussten auch nicht wirklich etwas über das Angebot in unserer Stadt. Also haben wir uns hilflos durch das Kinderbetreuungsportal geklickt und haben dabei vor allem nach drei Kriterien geschaut: Essen, Lage & Gruppengröße. Gesunde Ernährung und gutes Essen spielen in unserer Familie eine große Rolle, wir wollten außerdem möglichst kurze Wege und da unsere Tochter schon als Baby extrem reizoffen und sensibel war, wollten wir auch gerne eine kleiner Gruppe – wenn möglich. Wir haben dann einige Einrichtung angeschrieben und besichtigt. Ein halbes Jahr später ist unsere Tochter dann mit knapp 14 Monaten in einer Elterninitiative eingewöhnt worden. Inzwischen war auch unsere zweite Tochter dort, ich war sogar zweimal Vorständin und wir haben definitiv viel Erfahrung mit Elterninitiativen.
Auch wenn es viel Arbeit ist, hat sich das für uns immer gelohnt. Mir ist natürlich bewusst, dass es eine privilegierte Situation ist, dass wir die Zeit für die ehrenamtliche Arbeit überhaupt haben. Die kleine Gruppe hat unseren beiden Töchtern sehr gut getan – vor allem als sie noch sehr klein waren. Und auch die enge Zusammenarbeit mit den anderen Eltern war für uns schön. Wir waren damals erst ein Jahr in der Stadt und hatten noch keinerlei Freund*innen mit Kindern. Die Freundschaften, die sich damals entwickelt haben, halten heute noch – bei den Kleinen und Großen. Es gibt außerdem eine wirklich enge Begleitung und Kommunikation mit dem Team. Wir finden es zudem gut, ehrenamtliche Arbeit zu leisten. In unserer Stadt gäbe es ohne die Elterninitiativen, viel zu wenige Betreuungsplätze. Wir hatten aber auch großes Glück mit unserer Einrichtung. Wie bei vielen Kitas, unterscheiden sich Angebot und Qualität stark. Unsere Elterninitiative hatte keine kürzeren Öffnungszeiten und war nicht teurer als städtische Einrichtungen. Und auch die Elternarbeit fällt extrem unterschiedlich aus. Wir hatten zwar monatliche Elternabende, mussten kochen und alle paar Wochen einkaufen und Wäsche waschen, aber wir mussten nicht putzen und vor allem wurde immer geschaut, dass jede Familie auch nur so viel Arbeit machen muss, wie sie schafft. Für einzelne Fälle wurde auch immer besprochen, wie man entlasten oder unterstützen kann. So war zum Beispiel ganz klar, dass eine alleinerziehende Mutter, die damals mit zwei Kindern da war, nicht bei den Elternabenden dabei sein musste und auch ein recht unkompliziertes Elternamt hatte. Das ist wiederum ein Vorteil der Elterninitiative: Das große Mitbestimmungsrecht, mit dem man auch solche Entscheidungen treffen kann. Das Team ist sehr offen und dankbar gegenüber Vorschlägen von den Eltern. So haben wir als Elterngruppe in den letzten Jahren initiiert, dass das Bücherangebot sehr viel diverser geworden ist und manche Lieder nicht mehr im Morgenkreis gesungen werden. Auch wenn ich zu freien Schulen eine ganz andere Meinung habe und die Vorteile bei einem selbstverwalteten Hort für mich nicht mehr überwiegen, würde ich zu selbstverwalteten Krippen und Kindergärten immer sagen: Yay!

NAY

Ehrlicherweise sind meine beiden Kinder ja nun schon seit mehreren Monaten nicht mehr in Kita. Aber davor war ich immerhin acht Jahre lang im Kita-Business und ich weiss noch ganz genau, warum wir uns damals nicht für eine Elterninitiative entschieden haben…
Tatsächlich war das sogar ein Ausschlusskriterium, als wir 2013 auf der Suche nach einer Betreuung für unseren Sohn waren. Warum? Ich wollte mein Kind in die Obhut und Verantwortung anderer Menschen geben – und ich wollte, dass uns das als Familie auch wirklich entlastet und nicht noch zu weiteren To Dos auf der Liste führt. Bei der Vorstellung, einmal im Monat kochen zu müssen, begann ich zu schaudern. Ich koche zuhause schon ungern! Einmal im Monat die Räumlichkeiten Putzen? Oh nein. Dazu kommt, dass wir von Freunden und Bekannten gehört hatten, dass zu einer Elterninitiative eben auch viel “Initiative” gehört. Sprich: die Eltern mischen sich gerne in alles ein, was in der Kita, bzw. im “Kinderladen”, wie Elterninitiativen in Berlin meist heißen, passiert. Essen, Freizeitgestaltung, pädagogisches Konzept. Das hat sicher Vorteile und ganz bestimmt kommen da auch oft tolle Einrichtungen raus. Aber mir widerstrebt das total. Ich bin auch bei Elternabenden immer eine gewesen, die “Cringe” empfindet, wenn Eltern dem pädagogischen Fachpersonal zu sehr reinreden wollen. Die haben das gelernt, studiert, haben zum großen Teil viele Jahre Erfahrung mit Kindern und damit, wie man so eine Einrichtung führt. Ich vertraue ihnen. Und ich möchte ihnen auch vertrauen, denn ich vertraue ihnen schließlich mein Kind an! Deshalb habe ich mich immer nur eingemischt, wenn etwas wirklich nicht gut lief, wenn mein Kind unglücklich war, wenn es ein Thema gab, wo ich dachte: das muss man jetzt ansprechen. Das war zum Glück selten der Fall. Lange Rede, kurzer Sinn: auch bei dem Gedanken an sehr regelmäßige Elternabende und viel “Engagement” schauderte es mich.
Ich muss aber auch sagen, dass wir enorm Glück hatten. Unsere Kita war irre modern, es gab vegetarisches, gutes Essen, die Erzieher*innen waren zum großen Teil queer und es waren viele Männer dabei. Es war eine durch und durch moderne Kita, die irre warmherzig mit den Kindern war.
Aber es gab auch hier zwischendrin mal ein Jahr, in dem gar nichts lief. Die Fluktuation war hoch, die Leitung wechselte in einer Tour, es war nicht schön. Mit Baby im Schlepptau machte ich mich also 2016 auf die Suche nach einer neuen Kita für bald zwei Kinder… Eine Mammut-Aufgabe in Kreuzberg. Ich sah mir viele Kitas an, auch Elterninitiativen.
Und musste zugeben: Das kann schon schön sein, mit den altersgemischten, kleinen Gruppen. Und wenn man Glück hat, dann ist man da ja vielleicht auch mit Eltern zusammen, die man mag, mit denen man sich anfreundet. Dann lässt sich das mit dem Kochen und dem Putzen vielleicht auch verschmerzen. Dann aber wieder: Es sind mir zu viele unsichere Komponenten. WENN alles gut läuft, dann kann das sicher gut sein. Bei uns kam es nie dazu, und ich glaube auch nicht, dass es für uns funktioniert hätte. Wir vergessen am Laufenden Band den Obsttag in der Schule (mittlerweile doppelt), ganz sicher hätten wir auch Kinderladen-Pflichten verpennt und uns zum Gespött der engagierten Eltern gemacht.
Unsere Kinder fuhren auch immer sehr gut in ihren Gruppen, sie sind schon am liebsten mit Gleichaltrigen zusammen, wir hatten in unserer Kita aber ein offenes System, das bedeutet, sie hatten auch mit anderen Altersgruppen zu tun – und in den Jahren, als beide in der Kita waren, auch miteinander. Auch, dass es viele Kinder in der Kita gab (70-80) habe ich immer als Vorteile empfunden. Es gab Zeiten, da dachte ich, was Kleineres wäre für das eine oder andere Kind besser, weil weniger laut uns wuselig. Aber dann hat man ja auch weniger Auswahl, was die Spielpartner anbetrifft und das wäre eventuell auch zum Problem geworden… Was, wenn dann kein Kind in der gleichen Altergruppe dabei ist, mit dem man “klickt”?
Und dann gibt es noch einen wichtigen Faktor: In Berlin schließen die allermeisten Kinderläden um spätestens 15:30. Das ist für viele Eltern einfach nicht machbar. Die Schließzeiten und das gewünschte Engagement machen Elterninitiativen eben auch oft zu sehr privilegierten Orten. Für uns wäre das mit den Schließzeiten sogar möglich gewesen, wir haben die Kids selten später geholt. Aber zu wissen, dass es theoretisch und im Notfall möglich wäre, die Kinder bis 17 oder 18 Uhr betreuen zu lassen, fand ich enorm entspannend. Und ein paar Mal im Jahr trat der Notfall eben auch ein – und wir hatten nicht noch mehr Stress an der Backe, sondern haben die Kinder einfach länger in der Kita gelassen. Also: Wir waren immer happy in einem “normalen” Kindergarten. Mit vielen Kindern, mit viel qualifiziertem Personal, mit maximal zwei Elternabenden pro Jahr. Und der Garantie, dass wir uns nur um ganz ganz wenig kümmern mussten. Insofern: NAY!