Schmeckt mir nicht, mag ich nicht – warum sind Kinder manchmal so mäkelige Esser?

Mein Sohn war in den ersten Jahren seines Lebens der vorbildlichste Esser. Er hat alles, wirklich alles und das immer reichlich gegessen. Wir fanden das super und natürlich haben wir andere Eltern, deren Kinder immer nur Nudeln oder Pizza essen wollten auch immer ein bisschen mitleidig beäugt. Vielleicht haben wir heimlich sogar manchmal gedacht: Naja, wir haben eben alles richtig gemacht.

Wie macht man es denn richtig? Bei uns lief es so: das Kind wurde gestillt, nicht ewig lange zwar, aber das soll ja schon mal geschmackliche Vielfalt bieten. Ab seinem siebten Lebensmonat hat es zusätzlich Brei und Fingerfood bekommen, meistens frisch, aber auch mal ein Gläschen. Wir haben ihn immer am Esstisch mit dabei gehabt und ihn alles probieren lassen. Es gab einfach eine große Vielfalt an Lebensmitteln und er fand das spannend. Wir dachten: ist ja ganz einfach! Gutes Vorbild sein, viel Variation anbieten, gemeinsame Mahlzeiten – voilá. Eines seiner ersten Worte war “Bugguli” – Brokkoli, er liebte Fisch und Kapern, Oliven und Basilikum. “Basilikum ist gesund UND lecker” hat er eine Zeit lang oft gesagt und die Blätter wie Salat verputzt.

Irgendwann doch mäkelig

Ungefähr um seinen vierten Geburtstag herum wurde der Sohnemann dann wählerischer. Alle paar Wochen gab es jetzt ein neues Leibgericht, das dann am liebsten täglich serviert werden sollte. Mal waren das Calamari (das war in Kapstadt), mal Avokadobrot, mal Nudeln mit Tomatensoße, mal Pizza. Immerhin war noch echt viel Abwechslung drin, wenn er auch schon stark zu Süßem tendierte, aber das machen ja alle Kinder. Außerdem hatte er Tage, an denen er fast nichts aß, und dann wieder Tage, an denen er drei Portionen verdrückte. Wir ließen ihn machen, waren aber natürlich auch ein bisschen enttäuscht, wir waren schließlich immer so stolz auf unseren guten Esser gewesen!

Etwa um seinen fünften Geburtstag herum war es dann vorbei mit den Variationen. Morgens sollte es bitte Grießbrei oder Marmeladenbrot sein, abends am liebsten Pizza oder Sushi. Wir kochten weiter das, was wir mochten und der Junge bekam dann eben abends ein Brot. Auch das “am Tisch sitzen bleiben” war eine Zeit lang nicht wirklich sein Favorit. Anstrengend… Früher gab es mal die Regel “probieren, bevor man sagt, dass man etwas nicht mag”, aber weil wir unser Kind ja nicht zum Essen zwingen wollten, haben wir auch das nach der ersten Verweigerung sein gelassen. Die Folge? Großer Frust bei den Eltern, vor allem bei dem Elternteil, der gekocht hatte. Jeden Abend Diskussion – und dann Resignation.

Evolutionsbiologisch macht das wohl sogar Sinn

Ich habe oft festgestellt, dass ich meinen Kindern entspannter gegenübertreten kann, wenn ich ihr Verhalten VERSTEHE. Ich muss es dann immer noch nicht gutheißen oder einfach so hinnehmen, aber wenn ich verstehe, worum es geht, dann ist ganz oft der Druck draußen und alles geht leichter. Ich las also ein bisschen und überall stand das Gleiche: Es ist ganz normal, dass Kinder ab einem gewissen Alter picky werden. Sie essen nur Dinge, die sie gut kennen. Evolutionsbiologisch könnte das sogar damit zu tun haben, dass Kinder früher in diesem Altern alleine losgezogen sind – das wählerische Verhalten hielt sie davon ab, giftige Beeren oder ähnliches zu essen. Außerdem sind einige Menschen einfach mit sensibleren Geschmacksnerven ausgestattet als andere. Manche sagen auch, Kinder hätten einfach generell feinere Geschmäcker – Bitteres liegt ihnen deshalb zum Beispiel überhaupt nicht. Hier steht sogar, dass picky eaters oft sensiblere Kinder sind. Könnte auch sein, oder?

Die Ratschläge waren auch immer die gleichen: kein Druck, nicht über gesunde Ernährung fachsimpeln, anbieten, anbieten, anbieten. Immer wieder las ich auch, man solle die Kinder ruhig wochenlang Nudeln essen lassen. Irgendwann würden sie ihnen zum Hals raushängen und sie würden selbstständig nach Variation verlangen.

Anbieten, anbieten, anbieten

Genau das machten wir. Einmal sagte ich: „Dann ist das eben das Jahr, in dem das Kind jeden Abend ein Brot isst.“ Und wir lachten. Jetzt ist es wirklich fast ein Jahr, die Brote kommen immer noch gut an. Lache ich noch? Ja. Denn ich habe auch gelesen, dass Kinder nicht krank werden, selbst wenn sie über Jahre nur Nudeln mit Butter essen. Hier steht auch, dass es okay ist, wenn die Kids Gemüse mit Ketchup essen, und dass man Essen nicht bewerten soll, auch Süßigkeiten nicht! Unsere Kita ist außerdem vegetarisch, was zur Folge hat, dass die Kids Gemüse als ganz normal empfinden und weniger wählerisch sein können. Unser Kind isst also zumindest ein Mal am Tag etwas einigermaßen Gesundes. Morgens stelle ich den Kindern gerne VOR dem Griessbrei geschnittenes Obst hin, das verputzen sie manchmal, um den ersten Hunger zu stillen. Nicht immer – dann esse ich es. Auch abends laufen Gurkensticks super, wieder: vor dem eigentlichen Essen. Oder eben Erbsen!

So haben wir diese teilweise schwierige Zeit ganz gut herumbekommen, wobei: vorbei ist sie leider noch nicht. Hier steht: “Ab dem 5. bis 7. Lebensjahr fangen alle Kinder an, ihr Essens-Repertoire zu erweitern. Ohne Druck und Zwang.” Ein bisschen Zeit haben wir also noch! Und es ist ja alles gut: Der Sohnemann ist schlank, aber nicht dürr, er ist gesund und robust, wird selten krank und ist sportlich. Das “Bitte ein Mal Probieren” führt jetzt auch öfter zu einem “Okay, es schmeckt mir”, als zu völliger Verweigerung. Auch kleine Widder werden eben mit dem Alter vernünftiger. Mittlerweile haben wir sogar wieder gemütliche gemeinsame Abendessen. Manchmal gehen wir am Samstag zum Markt und abends bereiten wir das gekaufte Essen gemeinsam zu. Das Leibgericht im Moment: Kürbissuppe! Unglaublich, welch Wonne. Dafür beginnt meine kleine Tochter jetzt, mäkelig zu werden. Sie verweigert Brot, isst selten Gemüse, dafür alles, was möglichst viel Eiweiß oder Zucker enthält. Wir lassen sie. Ist ja alles eine Phase. Wird schon wieder vorbeigehen!