The French – Mon Dieu!

Die Franzosen sind ja schon ein Phänomen. Ihre Frauen werden anscheinend nicht dick (behauptet zumindest Mireille Guiliano in ihrem Bestseller), sie gelten als Vorreiter in Sachen Kinderbetreuung und der berühmten Vereinbarkeit von Familie und Arbeit. Dazu kommt, dass die entzückendste Kindermode irgendwie immer aus Frankreich ist, das Gleiche gilt für Kindermöbel. Und jetzt sollen sie auch noch in Sachen Erziehung alles richtiger machen?

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Bei unseren Nachbarn läuft Einiges so, wie auch viele deutsche Frauen sich das wünschen würden: Ein Kind, oder eine Familie en general, wird nicht als Hindernis für die Karriere empfunden, sondern es scheint einfach dazu zugehören. Kinder können ab drei Monaten Vollzeit beaufsichtigt werden. Alle größeren Unternehmen bieten rund um die Uhr Kinderbetreuung an. In Frankreich geht der Nachwuchs in die École maternelle, sobald er keine Windel mehr trägt. Außerdem gibt es verschiedene Arten von Crèches (Krippen) und auf den Spielplätzen in Paris und Marseille trifft man tagsüber keine Mütter an, dort spielen Full-Time-Nannys mit den Kindern. Was hier als grausam empfunden würde, nämlich die Kinder von ganz klein auf regelmäßig von der Mutter zu trennen, scheint ganz normal zu sein.

Ist das gut oder ist das schlecht? Manche munkeln, es hätte zumindest eine positive Wirkung auf die Wirtschaft. Hier sind noch weitere Leseproben zum Thema (teilweise älter, aber nicht minder aktuell):

In Frankreich sind Kinder erfolgreicher, wenn die Mutter arbeitet (FAZ)

Betreuungsgeld – so ein Unsinn fiele in Frankreich keinem ein (SPON)

Adieu, Rabenmutter (Süddeutsche)

Sicher ist auf jeden Fall, dass sich all das in den Geburtenraten bemerkbar macht. Auch die Europäische Union sieht hier einen Zusammenhang. Frankreich gilt immer wieder als Fruchtbarkeits-Europameister, während in Deutschland mittlerweile seit Jahrzehnten über zu wenig Kinder geklagt wird. Deutsche Frauen bekommen im Durchschnitt 1,4 Kinder pro Frau, in Frankreich sind es knapp über zwei.

Die entspannte Einstellung zum Kinderkriegen und Muttersein hat auch noch andere Folgen: In Frankreich ist der Aufstieg auf der Karriereleiter mit der Schwangerschaft nicht beendet, ja nicht mal unterbrochen! Man kann anscheinend mit dickem Bauch beim Bewerbungsgespräch sitzen und den Job bekommen. Die Geschichte einer Bekannten, die in der Modebranche arbeitet, und im neunten Monat von Louis Vuitton abgeworden wurde, hat sich bei mir eingeprägt. In Deutschland undenkbar!

Und, wie gesagt, nun gibt es auch noch mehrere Bücher, die sich mit französischer Kindererziehung beschäftigen. Der Tenor ist: Die Franzosen lassen sich nicht so viel bieten von ihren Kindern, sie verbringen Quality-time statt Full-time mit ihren Sprösslingen und sagen diesen öfter und vehementer, wo’s lang geht. Kann es sein, dass der allgemein lässigere Umgang mit dem Thema auch zu anderen Erziehungsmethoden führt, und wenn ja: Werden die kleinen Franzosen dann am Ende zu besseren Menschen? Ich bin nicht sicher und denke, dass unendlich viele andere Faktoren eine Rolle spielen. Trotzdem bin ich irgendwie beeindruckt von der Diskussion und glaube schon, dass viele deutsche Eltern sich eine Scheibe abschneiden könnten. Oder was denkt ihr?

Hier sind ein paar Buchtipps zum Thema:

Pamela Druckerman: French Children don’t throw food (Gibt es auch auf deutsch: “Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris”)

Ebenfalls von Pamela Druckerman: Bringing Up Bébé: One American Mother Discovers the Wisdom of French Parenting

und von Karen Le Billon: French Kids Eat Everything: How Our Family Moved to France, Cured Picky Eating, Banned Snacking, and Discovered 10 Simple Rules for Raising Happy, Healthy Eaters

 

Preview Bild: © Kera Till (übrigens eine Halb-Französin…)