Die emotionale Achterbahn beginnt direkt nach dem Aufwachen

7:30. Quinn weckt mich mit einem etwas unsanften Stupser am Kopf. Oh hey. Guten Morgen! Sie lacht, kichert, kuschelt. Herrjee, ist das süß. Du zerstrubbeltes, warmes Wesen. So sehr mich das nervt, dass sie wieder bei uns schläft, neben ihr aufwachen ist einfach schön.

Der Mann ist auf Geschäftsreise, ich bin mit den beiden alleine seit ein paar Tagen. Quinn und ich gehen in die Küche, ich mache die Kaffeemaschine an, sie verlangt lautstark nach einer Banane. “Mane!” Seit sie nachts keine Milch mehr bekommt, hat sie morgens immer gleich großen Hunger und jetzt sitzt sie auf dem Küchenschrank, in ihrem Schlafanzug und mümmelt ihre Mane. Wieder: ist das niedlich.

Xaver kommt aus seinem Zimmer getapst. Auch noch ganz verschlafen. “Ach, ihr seid schon auf, schade. Ich wollte noch kuscheln”. Ach, du Süßmatz! Ich nehme ihn auf den Arm. “Magst du was trinken? Ich mache gleich Griesbrei”.

Morgens sind sie so süß. Meistens…

Dann muss das Töchterchen gewickelt werden und der Große tanzt um meine Beine herum. Sie wehrt sich lautstark, wickeln ist nicht mehr beliebt. Dazu der Große: “Mama, kann ich einen kleinen Film kucken?” Das ist ein Trigger-Punkt, das weiß er, wir diskutieren immer wieder zu diesem Thema. Ich bleibe ruhig. “Xaver, du weißt, dass ich das nicht mag, wenn gleich morgens gefragt wird. Und du kennst die Regeln: vor dem Abendessen, und nicht jeden Tag.” “Kann ich dann dein Handy?” “Nein.” “Blöde Regeln. Du bist doof! Einfach die blödeste Mama!” schimpf er und stapft aus dem Zimmer. Schluck. Kurzer Herzstich-Moment, auch wenn ich natürlich weiß, wie ich solche Sätze zu nehmen habe.

Die Milch kocht gleich über, Mist. Gerade noch gerettet, Griesbrei gemacht, in Schüsseln gefüllt, Apfel drüber gerieben. Für Xaver mit ein bisschen Agavendicksaft und Zimt, Quinn bekommt nur Zimt. “Griesbrei ist fertig!”. Die Kleine meckert: “heiißßßßßß!!!” Ich puste. Der Große meckert auch. Erst leise, dann laut. “Du hast umgerührt! ICH wollte das machen! Du hast alles falsch gemacht! Ich esse das nicht!” Er schreit tatsächlich und liegt auch schon auf dem Boden. Ich weise ihn sehr gereizt darauf hin, dass ich es vergessen habe, dass er das aber auch anders sagen kann und dass er bitte nicht so schreien soll. Tief durchatmen, nicht selbst wütend werden, puh. Er verlangt nach mehr Agave. Dann isst er. Thank god.

Ich mache so lange die Spülmaschine, nippe an meinem Kaffee. Irgendwann steht er auf, ich hatte unseren Disput schon fast wieder vergessen. “Mama”. Ich drehe mich um. “Es tut mir leid”. Oh Gott, mein Herz, gleich zerplatzt es. Ich gehe in die Hocke, umarme meinen großen Schlafanzug-Jungen fest und sage: “Angenommen, sowas von”.

Er geht sich anziehen, ohne dass ich etwas sagen muss, hach! Die Kleine löffelt immer noch Griesbrei, die Uhr läuft. Soll ich sie jetzt einfach da sitzen lassen, alleine am Tisch und duschen gehen? Ist das nicht fahrlässig? Das Bad ist direkt nebenan, ich würde die Tür offen lassen. Ich will sie nicht unterbrechen, müsste aber genau jetzt eigentlich mal duschen. Ich mache es einfach. “Süße, ich gehe kurz ins Bad, ja? Wenn du fertig bist, dann ruf mich!” Blitzdusche. Angst. Horchen. Alles gut gegangen. Puh.

Als ich in die Küche zurückkomme, steht Xaver auf dem Stuhl und macht den Löwen “ROAAAARRRR”, seine Schwester sitzt in ihrem Hochstuhl, strahlt ihn an und lacht. Wir lachen alle! “Und lachen ist gesund!” sagt Xaver, Recht hat er. Das sind die Momente, die ich am meisten liebe. Wenn wir alle zusammen lachen. Ist das schön.

Ich hebe die Kleine im Handtuch aus dem Hochstuhl. Beide haben ihren Griesbrei ausgelöffelt, und keinen Fitzel übrig gelassen. Wow. Xaver erzählt und erzählt mir was von Geistern und Lego und der Kita und von Vulkanen. Ich tapse ins Schlafzimmer, um mich anzuziehen. Er folgt mir und erzählt und erzählt. Fast fünf ist das beste Alter, diese Geschichten! Ich will sie alle aufschreiben und archivieren. Quinn ist währenddessen im Bad, räumt sicher wieder irgendetwas aus. Als ich sie – mittlerweile angezogen – suchen gehe, stelle ich fest: es ist schlimmer. Sie steht am Wasserhahn und macht ihn auf und zu, und auf und zu. Wasserparty. “Oh Mann, Quinn! Nein!” Sie lächelt mich schelmisch an und macht einfach weiter. Warum nehmen meine Kinder mein NEIN nicht ernst? Nie?

Der Große kommt dazu, dann streiten sie um den Platz auf dem Hocker. Ich schlichte wie ein Weltmeister. “Quinn, du warst doch schon so lange da oben, jetzt darf er mal. Eigentlich passt ihr da auch beide drauf, wenn ihr euch nicht gegenseitig wegdrücken würdet! Hey Quinn! Nicht beißen! Xaver! Bitte lass dich nicht provozieren!” Uff. Irgendwann sind beide Münder geputzt, zumindest so einigermaßen und ich entferne Quinn unter großem Protest aus dem Bad. Sie ist pitschnass.

Während ich den strampelnden Oktopus umziehe, will Xaver schon seinen Schneeanzug anziehen und schafft es nicht alleine. Großer Frust. “Warte doch noch kurz mit Anziehen, ich brauche hier noch.” “Heute will ich aber mal erster sein!”. Eigentlich löblich aber… “MAMAAAAAA – Hilf mir jetzt SOFORT!” – “Ey, Achtung, Kommandoton! Ich komme gleich, jetzt warte doch bitte.” Als wir den Anzug anhaben, legt er sich gleich wieder auf den Boden. “Mir ist heiß” “Ja, wir beeilen uns.” Quinn will die Schuhe nicht. Also diese, oder was? Irgendwann sind beide angezogen, jetzt fehle noch ich. Stress. Es wird warm. Die Kinder quengeln. Sicher habe ich wieder was vergessen. Jacke, Mütze, Schal. Wenn Sommer wäre, wäre alles einfacher.

Wir sind zur Tür raus! Unfassbar.

Tochter will nicht im Kinderwagen sitzen, muss aber. Schon wieder der Schnuller drin, tsss, Rabenmutter. Dann laufen wir zum Bus. “Xaver bitte nicht so trödeln. Bitte!! Ich will den Bus nicht verpassen!” Im Bus ist es heiß, die Leute schauen alle so gleichgültig. Wahnsinn. Meine Liebsten sind vorbildlich. Schauen aus dem Fenster, verziehen keine Miene.

Als ich die Kinder in der Kita abgegeben habe, gehe ich raus, atme die kalte Luft ein, fühle mich ganz leicht. War kein schlechter Morgen, es gab keinen richtigen Streit, ich habe nicht die Nerven verloren, die beiden haben kaum getrödelt und wir haben es pünktlich in die Kita geschafft.

Als ich noch keine Kinder hatte, bin ich morgens aufgewacht, habe einen Kaffee getrunken, mich geduscht, angezogen und habe das Haus verlassen. Ich hatte eigentlich kaum Emotionen in der Früh, alles war ganz gerade und in Balance. Ja, fast ein bisschen gleichgültig.

Jetzt ist mein Morgen eine emotionale Achterbahnfahrt. Liebe, Wärme, Rührung, Genervtsein, Wut, Diplomatie, Lachen, Herzschmerz, Unsicherheit, Selbstzweifel, Angst, Multitasking, Stress. Und dann: Erleichterung. Mal wieder alles gut gegangen. Eigentlich ist das ganze Leben mit Kindern genau so. Dazu kommt bei mir immer wieder die Gewissheit, dass alles doch genau so ist, wie es sein soll, dass ich das immer genau so wollte. Und zwei wundertolle Kinder habe.

Jetzt kann der Tag losgehen.

Wenn man den Morgen erst mal geschafft hat, kann einen nichts mehr aus der Ruhe bringen!