Gibt es was Schöneres, als Kindern dabei zuzusehen, wie sie sich in Büchern verlieren? Wenn sie ganz vertieft sind, voll in der Geschichte drin, wenn sie nichts anderes im Kopf zu haben scheinen und gleich morgens nach dem Aufwachen als Erstes zum Buch greifen, weil sie wissen wollen, wie die Geschichte weitergeht.
Buchtipp: „Sieben Tage Mo“
Meine Kinder dürfen fernsehen, zocken, bei uns sind elektronische Medien total präsent. Aber beide lesen auch gerne. Und das macht mich sehr glücklich, denn ich bin eine absolute Leseratte und wenn ich meine Kinder so sehe, dann erinnere ich mich an meine eigenen ersten Leseerlebnisse und ich kann mich tatsächlich heute noch erinnern, wie großartig das war, wenn man so richtig in ein Buch versunken ist. Es muss allerdings das richtige Buch sein. Das ist bei mir bis heute so – und meine Kinder sind sogar noch wählerischer.
Bei “Sieben Tage Mo” von Oliver Scherz war mein Sohn aber tatsächlich sofort in der Geschichte drin. Das hat sicher mit dem Timing zu tun (Sommerferien), mit dem Wetter (es hat viel geregnet, wir waren ein paar Tage in den Ferien einfach nur zuhause), aber auch mit dem flüssigen, sehr leserlichen Schreibstil. Empfohlen ist das Buch ab elf Jahren, mein Sohn ist etwas jünger, ich denke, ab zwölf ist es perfekt. Denn auch Mo und Karl, die beiden Hauptpersonen sind zwölf Jahre alt.
Sie sind zweieiige Zwillinge – mit einem großen Unterschied. Mo hat eine geistige Behinderung. In dem Dorf, in dem die beiden mit ihren Eltern wohnen (der Vater ist allerdings nicht präsent, da im Ausland arbeitend), gibt es keine ganztägige Betreuung für Mo. Deshalb bleiben viele Nachmittage in der Woche an seinem Bruder hängen.
Ich fand das ehrlich gesagt ganz schön krass, das einem Zwöljährigen zuzumuten, mein Sohn hat es aber nicht in Frage gestellt. Ihn faszinierte die Geschichte, auch die widersprüchlichen Gedanken und Gefühle von Karl. Denn der liebt seinen Bruder. Ihn begeistert auch dessen Unberechenbarkeit, man kann mit ihm verrückte Dinge erleben, weil er so sorglos ist. Karl wäre vielleicht auch gerne ein bisschen so – kann es aber nicht sein, weil er so viel Verantwortung hat. Und natürlich ist er auch ganz oft genervt von seinem Bruder, der ihn mehr als ein Mal in wirklich blöde Situationen bringt.
Es ist so eine schöne Geschichte, weil sie Kindern wirklich nahe bringt, wie das Leben mit einem Menschen mit Behinderung ist. Wie anstrengend, wie andauernd, aber eben auch wie bereichernd. Für mich ist es eh so, dass ich das unheimlich toll finde, wie ungezwungen meine Kinder gerade mit geistigen Behinderungen aufwachsen und umgehen lernen. Ich erinnere mich daran, dass ich davor als Kind eher Angst hatte (und noch heute habe ich große Berührungsängste), meine Kinder sind da viel offener, natürlicher, interessiert. Auch deshalb hat meinen Sohn die Geschichte total in einen Sog gezogen. Er hat ziemlich genau eine Woche gebraucht dafür: “Ich habe jetzt auch sieben Tage mit Mo, verbracht.” Niedlich, oder? Er ist ihm echt ans Herz gewachsen…
Außerdem ist es einfach eine wunderbare und spannende Geschichte über Liebe und Kameradschaft, gemeinsam Quatschmachen, Zuneigung, Scham, die Unberechenbarkeit von Gefühlen. Ich weiß, dass viele Mädchen in unserem Umfeld das Buch auch sehr mochten, aber ich liebe es gerade, dass beide Protagonisten Jungs sind, denn solche Bücher sind gerade für diese selten – und so nötig.
Also, ihr Lieben! Eine absolute Empfehlung.
“Sieben Tage Mo” von Oliver Scherz ist bei Thienemann Esslinger erschienen.