Und plötzlich war er da – eine “Kaisergeburt”

… “dieses Wesen aus einer anderen Welt”, wie es eine Freundin so treffend beschrieb. Und das ist auch tatsächlich das große Rätsel, welches buchstäblich vor mir liegt: Wer bist du? Und wo kommst du eigentlich her? Es scheint eigentlich absurd, dass ich dieses Kind, das in meinem Bauch wuchs, noch kennenlernen muss.

Es ist in mir und aus mir entstanden und trotzdem lag es dann erstmal wie ein kleines Alien auf mir. Vergeblich suchte ich nach Ähnlichkeiten, nach einem Hinweis, dass dieses Kind tatsächlich meines ist. Trotz der offensichtlichen Tatsache, dass ich gerade gesehen hatte, wie das Baby aus meinem Bauch herausgeholt wurde, kam es mir erstmal fremd vor.

Der Kleine kam zwei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin. Ich war einerseits überrascht, und andererseits auch nicht: Das Kind war groß und vom Gefühl her einfach “schon fertig”. Ich schleppte mich durch die letzten Tage der Schwangerschaft. Am Abend bevor es losging, ging es mir nicht so richtig gut, ich war nervös, erschöpft und unruhig. Ich hatte das Bedürfnis, noch schnell alles zu erledigen. Schrieb noch ein paar Emails, räumte noch die ein oder andere Umzugskiste aus. Am nächsten Morgen spürte ich ein Ziehen im unterem Rücken. Wahrscheinlich hatte ich mich am Tag zuvor ein wenig übernommen, mutmaßte ich, und begann den Tag mit eine paar Yoga-Übungen. Es wurde nicht besser. Also ab in die Badewanne! Als ich mich wieder angezogen und geschminkt hatte – denn eigentlich war ich auf dem Weg zu einem Meeting! – wurde mir klar: Das hier sind keine Verspannungen. Das sind auch keine Übungswehen. Das geht jetzt los!

Eine “Kaisergeburt”

Nur kurze Zeit später war ich im Kreißsaal, und wiederum kurze Zeit später zeichnete sich ab: Es wird wieder ein Kaiserschnitt. Und trotzdem hatte es nichts mit der schwierigen Geburtserfahrung meines ersten Sohnes gemein, die auch ein Kaiserschnitt war. Sicherlich lag das an den Umständen, die ganz andere waren, an einer tollen Beleghebamme, aber auch: An einem Konzept namens Kaisergeburt. Was ich erstmal für Quatsch hielt, machte für mich letztendlich doch einen großen Unterschied. Als klar wurde, dass es auf einen weiteren Kaiserschnitt hinauslief, war für mich auch klar, dass ich in meinem Leben keine “natürliche” Geburt mehr erleben würde. Das ist nicht schlimm, ein wenig traurig war ich trotzdem. Die sogenannte Kaisergeburt ist immer noch ein medizinischer Eingriff, es ist ein Kaiserschnitt. Allerdings erlebt man diesen Eingriff “geburtsnaher”. Kurz bevor das Kind aus dem Bauch geholt wurde, hatte man nämlich das blaue Tuch gesenkt, und ich sah das Köpfchen (ohne natürlich in den offenen Schnitt zu gucken, der ist abgedeckt). Nun hieß es “Drücken sie mal”, was ich erst etwas albern fand, weil ich ja dank Spinalanästhesie nicht wirklich “drücken” konnte. Trotzdem: Es war im Nachhinein ein schönes Gefühl, aktiver an der Geburt teilgenommen zu haben. Beim zweiten Mal Drücken wurde das Kind also aus meinem Bauch gehoben, es schrie und die Nabelschnur wurde durchtrennt. Sofort wurde es mir auf die Brust gelegt. Er war da. Groß und lang und schmierig und süß. Ziemlich überwältigend.

Die ersten Tage verbrachten wir dann im Krankenhaus. Und so langsam erholte ich mich und verbrachte viel Zeit damit, dieses Kind anzustarren. Die Milch kam, das Oxytocin, die Liebe. Und dieser ganze Babykram! Er macht mir Spaß. Das Wickeln, das An- und Ausziehen. Der wahnsinnig gute Babygeruch. Zuhause ist alles eine einzige Umstellung: Das große Kind büßt Aufmerksamkeit ein, plötzlich kommt er mir unglaublich groß vor – und ich muss mich ganz bewusst daran erinnern, dass er ja auch noch klein ist. Meine Aufmerksamkeit zu teilen, ist auch eine Lernaufgabe für mich. Generell spreche ich in letzter Zeit von “familienbildenden Maßnahmen”. Denn gefühlt tun wir nichts anderes, als Kinder umsorgen und gemeinsam einen neuen Rhythmus finden. Auch das ist schön und anstrengend zugleich.

Zweimal Glück

Das Wochenbett war bisher genau so, wie es im Buche steht: Schön und verkuschelt. Emotional. Anstrengend. Manchmal musste ich weinen, einfach so. Die Hormone spielten verrückt. Nun komme ich ganz langsam im neuen Leben an. Der Kopf wird etwas klarer. Und wie schön ist es, jetzt von “den Kindern” sprechen zu können! Alles kommt mir noch vor wie im Traum. Zwei Kinder. Ein schönes Zuhause. Wenn das Leben es so gut mit einem meint, beschleicht mich manchmal die Angst, bald müsse etwas gewaltig schiefgehen. So als ob man das Glück nur geliehen hätte. Aber es ist echt und da und es bleibt erstmal, das haben wir fest beschlossen.

Foto: Anne Freitag