50/50 Paare: Alexandra und Philipp

Alexandra ist Vielen von euch sicher ein Begriff: auf Instagram teilt sie regelmäßig ihre Gedanken zu Gleichberechtigung, Vereinbarkeit, Feminismus und Diversität, und trifft damit ziemlich oft ganz genau den Nerv der Zeit. Als ich sie fragte, ob sie sich vorstellen könnte, bei unserer 50/50 Serie mitzumachen, antwortete sie: "Na klar! Ich hab mich schon die ganze Zeit gefragt, wann ihr mich endlich mal anschreibt!" Wie wunderbar, dachten wir da. Gestern hat Alexandra übrigens erzählt, dass sie gerade sogar mehr arbeitet als ihr Partner. Und anstatt sich dann noch mit dem Haushalt zu überfrachten, wünscht sie sich, dass ihr Mann ihr "den Rücken frei hält". O-Ton: "Ich will dass du der Mann bist, über den ich sage: 'All das hätte ich nicht machen können, ohne meinen Mann, der mir den Rücken frei hielt.' Kannst du das?" Er kann. Unser Interview stammt noch aus 50/50 Zeiten, ist aber dennoch unheimlich erhellend, informativ und unterhaltsam. Danke an Alexandra und Philipp!

Liebe Alexandra, wir legen direkt los: Was und wie viel arbeitet ihr beide, seid ihr fest angestellt oder frei?

Ich arbeite als Journalistin in einem großen Verlagshaus, auf einer Vollzeitstelle, bei uns in der Abteilung heißt das 36 Stunden. Ich habe mehrere Chefinnen sowohl mit Kindern als auch ohne und tatsächlich sind alle sehr familienfreundlich eingestellt. Kinder krank – kein Problem. Home Office – klar, sag nur einen Tag vorher Bescheid. Konferenzen sind nie nach 15.30 Uhr. Ich kann an jedem Tag früher oder später anfangen und dann dementsprechend früher oder später gehen, so lange ich das abspreche und keine wichtigen Termine verpasse. Das ist unfassbar toll und ich bin da sehr priviligiert, das weiß ich. Aber: Ich war auch schon angestellt in Unternehmen, bei denen Home Office oder Gleitzeit ein Fremdwort waren – und ich dann die erste Mitarbeiterin war, die z.B. Gleitzeit durchboxen musste. Klar, war es nervig und unter der Hand, aber es hat funktioniert. Ich glaube fest daran, dass zur Vereinbarkeit zwei Parteien gehören und sowohl Arbeitgeber*in als auch Arbeitnehmer*in ihren Teil erfüllen müssen. Heißt auch: hingehen, unbequem werden, Lösungsvorschläge anbieten und diskutieren. Wenn es nicht geht, kann man daraus immer noch seine Konsequenzen ziehen. Aber als Arbeitnehmer*in (also Mutter UND auch Vater) einfach zu akzeptieren, wenn es heißt “Reduzieren/Homeoffice/Gleitzeit geht bei uns in der Abteilung einfach nicht” ist zu wenig. Wobei es natürlich immer Ausnahmen gibt: bei Schichtarbeit, in Krankenhäusern oder wenn man alleinerziehend ist, da ist es um Einiges schwieriger.

Philipp arbeitet als Lehrer in einer Stadtteilschule. Bei ihm ist Homeoffice natürlich nicht drin. Dafür ist er nie später als 16/17 Uhr zu Hause, verlässt aber auch um kurz nach 7 Uhr das Haus. Auch wenn er als Lehrer eigentlich schon einen sehr familienfreundlichen Job hat, fordert er trotzdem viel ein. Er nahm unseren Sohn früher, als er noch nicht in der Kita war,  z. B. Mal mit in den Unterricht. Er geht auch mal früher aus Konferenzen raus, wenn sie nach 16 Uhr sind. Da trifft er viel auf Verständnis, was nicht heißt, dass es selbstverständlich ist, dass er das so macht. Wir sind tatsächlich beide so eingestellt, dass wir finden, der/die Arbeitgeber*in MUSS familienfreundlich sein, komme was wolle, egal ob für Väter oder für Mütter – und kommunizieren das auch so.

Wie alt sind eure Kinder und gehen sie in eine Betreuung?

Unser Sohn ist fast sechs und unsere Tochter zwei Jahre alt. Seit sie jeweils ein Jahr alt sind, gehen beide in eine Kita, die von 8 bis 16 Uhr auf hat. Sie sind meist von 8.30 bis 15.30 Uhr da.

Seid ihr zufrieden mit der Betreuungssituation?

Wir hatten viel Glück, in Hamburg ist es – ähnlich wie in anderen Großstädten – schwer, einen Kita-Platz zu bekommen. Es ist eine kleine, überschaubare Kita mit insgesamt rund 40 Kindern und vier Haupt-Erzieher*innen. Als der Große drin war, war dann durch den Geschwisterbonus klar, dass unsere Tochter da später auch einen Platz kriegen würde. Wobei wir sie eigentlich im Monat Mai eingewöhnen wollten und es dann hieß: es gibt einen Platz ab Februar oder erst im September. Da mussten wir dann auch rumjustieren, aber es ging.

Wie habt ihr eure Woche aufgeteilt, gibt es feste Tage?

Wir haben einen exakt nach Tagen aufgeteilten Alltag und eine akribische Aufgabenverteilung. Manche sagen, dass wir zu dogmatisch durchorganisiert sind. Philipp stresst das auch manchmal, dass es so streng nach “Das ist meine Aufgabe, das ist deine Aufgabe” geht. Er hätte es manchmal gern lockerer. Ich aber habe das Gefühl, dass, wenn es lockerer aufgeteilt wäre, ich in meinen Ruhepausen zu kurz kommen würde und viel mehr Care-Arbeit übernehmen müsste. Ich bewundere Paare, die sagen: bei uns geht es auch ohne Absprache 50/50 auf. Ich weiß echt nicht, wie das ohne Absprache funktionieren soll. Wenn wir seit Jahrhunderten so erzogen wurden, dass die Frauen mehr übernehmen, wie sollen dann solche Denkmuster bei einigen wenigen von uns einfach so ohne Absprachen und Diskussionen auf einmal aufgebrochen worden sein? Das Geheimnis dahinter würde ich gern erfahren. Bis dahin fällt es mir ehrlicherweise echt schwer, zu glauben, dass bei solchen Paaren, die Frau nicht trotzdem mehr Care-Arbeit übernimmt. Und es beide mit Sätzen wie “Ich kann die Kids eben schneller ins Bett bringen als er” oder “Ich habe einfach höhere Sauberkeitsstandards als er und wische eben schnell selbst” verschleiern. Diese Verschleierungen auch seitens der Frauen selbst belegen tatsächlich auch neuere Studien.

Ansonsten sieht unsere Woche folgendermaßen aus:
Montag: Ich mache Frühschicht, das heißt ich stehe auf wenn die Kinder wach sind, also gegen 6 Uhr, wenn ich Glück habe gegen 6.30 Uhr, mache Frühstück und die Brote. Dazu muss man wissen: Frühschichten sind echt mein Endgegner, das ist für mich wirklich, wirklich hart. Philipp lacht mich da immer ein bisschen aus, aber für mich ist alles, was vor 7 Uhr morgens stattfindet, unmenschlich. Daher muss ich auch nur zwei mal die Woche Frühschicht machen, er macht die restlichen Tage. Als Gegenzug mache ich alle Nächte mit der Kleinen. Aber zurück zum Montag: Ich mache also mich und die Kinder fertig, und gehe um kurz vor 8 Uhr alleine aus’m Haus. Philipp bringt die Kinder in die Kita. Ich hole um kurz vor 16 Uhr die Kinder wieder ab und mache das Nachmittagsprogramm. So läuft auch unser Mittwoch. Dienstag und Donnerstag bringe ich die Kids zur Kita, arbeite bis 18 Uhr und Philipp macht das Nachmittagsprogramm. Also 50/50 an den vier Tagen. Freitag sind wir beide gegen 15/16 Uhr zu Hause und machen was zusammen. Abendbrot machen wir regulär zusammen. Das Ins-Bett-bringen wechseln wir uns auch 50/50 ab: heute bringe ich den Großen, er die Kleine, morgen umgekehrt.

Das Wochenende (normalerweise): Samstag schläft Philipp aus bis 9 Uhr und ich mache meine zweite Frühschicht. Bis Mittags machen wir was zusammen, Mittags darf sich der Frühschichtler hinlegen. Nachmittags wieder gemeinsames Programm. Sonntag umgekehrter Spaß: ich darf ausschlafen bis 9 Uhr und Philipp legt sich mittags hin. Ich sage “normalerweise”, denn aktuell machen mich die Frühschichten so fertig, dass ich das ganze Wochenende echt unerträglich bin. Endgegner, sagte ich ja schon. Also probieren wir gerade, ob nicht Philipp beide Frühschichten macht, sich aber dafür sofort danach hinlegen kann und wir erst ab nachmittags alle zusammen was machen. Ich bin schon eher ein Strukturmensch, mir gefällt die Vorstellung, alles 50/50 aufzuteilen total gut. Aber ich verstehe auch langsam, dass man sich die Flexibilität trotzdem bewahren muss (Philipp nickt gerade sehr doll!) und sie auf die Bedürfnisse der anderen anzupassen. Nicht leicht für mich, aber ok.

Zurück zum Sonntag: Wenn dann alles klappt, kommt Sonntag Nachmittag immer die Babysitterin für 2/3 Stunden, damit Philipp und ich auch mal zusammen was essen oder Kaffee trinken gehen können. Das gönnen wir uns jeden einzelnen Sonntag (es sei denn, jemand ist krank), weil wir das als so irre wichtig empfinden, zu wissen, jeder Sonntag Nachmittag ist ein bisschen “wie früher”, für uns als Paar. Klar, muss man sich das auch leisten können, dafür gehen wir selten abends ins Kino. Diese Sonntagnachmittag-Dates sind uns wichtiger als abendliche Dates. Und ich flippe immer regelmäßig aus, wenn Philipp in diese unsere Coupletime-Zeitfenster irgendwelche Unterrichtsvorbereitungen legt. Aber ist leider auch nicht ganz zu umgehen.

Das klingt wirklich sehr strukturiert. Welche Tools nutzt ihr für die Planung? 

Tatsächlich nur WhatsApp. Wir fotografieren Termine und Ausgänge in der Kita oder Arzttermine oft ab und schicken es einander und wissen, dass es bei einem von uns im WhatsApp-Verlauf drin ist. Philipp hat seine Berufstermine auf seinem Kalender im Handy, ich meine auf meinem Arbeitsrechner. Ich glaube, das ginge mit Synchronisierung noch besser, kann aber auch echt alle überfrachten, also fahren wir so ganz gut.

Geht da nicht manchmal was verloren?

Verloren nicht. Ich finde es tatsächlich sehr entspannend, dass unsere Kita nur sehr selten Input wie Bastelsachen, Kuchen, Utensilien o.ä. von uns Eltern braucht. Die würde ich ständig vergessen. Wenn Windeln alle sind, muss mich die Erzieherin auch öfter dran erinnern. Das ist mir doppelt unangenehm: erstens, weil ich es wieder vergessen habe und zweitens, weil meistens ich als Mutter darauf angesprochen werde und nicht Philipp als Vater. Als ob das nur in meinem Aufgabenbereich liegt. Und manchmal verteilen wir dann einfach Sachen um: ich habe zum Beispiel wochenlang vergessen, den nächsten Impftermin für unsere Tochter zu machen. Mir fiel das immer um 23 Uhr abends ein. Also sagte ich um 23.01 Uhr zu Philipp: kümmerst Du Dich bitte um einen Impftermin, ich will das endlich aus meinem Kopf streichen. Hat er gemacht. Fertig. Klar, ist der Mental Load dadurch nur zur Hälfte weg, denn man könnte berechtigterweise fragen, warum ich als Mutter ihn als solche Dinge erinnern oder ihn beauftragen muss. Aber wie gesagt: Jahrhunderte lange Strukturen und Denkmuster sind nicht einfach aufzubrechen. Ein Schritt nach dem anderen.

Habt ihr einzeln Hobbies, oder macht Sport? 

Philipp spielt Tischtennis in einem Verein. Freitagabend ist er, wenn Saison ist, ab 18.30 Uhr bis spät nachts auf Auswärtsspielen. Daher schläft er ja auch Samstag aus. Und ein mal die Woche trainiert er abends, aber erst nach 19.30 Uhr, sodass da immerhin ein Kind von ihm ins Bett gebracht wird. Ich machte Montag ab 20 Uhr ein halbes Jahr lang Pilates, aber das ist mir gerade zu viel. Ich will abends meist auf die Couch oder ehrlicherweise ans Handy.

Ein Clou und unser “Retreat” vom durch getakteten Alltag ist: Einmal alle sechs bis acht Wochen schnappt sich einer von uns übers Wochenende die Kinder und düst zu den jeweiligen Großeltern und der andere hat dann von Freitag bis Sonntag Nachmittag Zeit für sich. Das ist unser mega-mega Deal, den wir vor einem Jahr, als die Kleine abgestillt war, ins Leben gerufen haben und es funktioniert grandios. Und jeder weiß, dass er immer alle 3 Monate ca. ein freies Wochenende hat. Das hilft so, so doll, wenn es mal wieder stressig wird oder die Ressourcen aufgebraucht sind. Ich bin von der Idee so begeistert und erzähle es seitdem meinen ganzen Mama-Freundinnen und alle finden es gleichermaßen toll, aber es macht bisher kaum jemand. Und ich verstehe es nicht, weil es wirklich machbar ist. Und wenn man keine Großeltern hat, fährt eben einer von uns weg, besucht die beste Freundin, den Kumpel, whatever und der andere macht Pläne mit den Kids daheim. Es geht einfach und das Wiederauftanken! Es ist unvergleichbar und die Vorfreude auf die Familie danach unermesslich groß.

Habt ihr außer den Sonntags-Dates noch Paarzeit?

Selten… Was wir tatsächlich verpasst haben, ist, die Kids mal bei unseren Großeltern oder bei Kinderfreunden übernachten zu lassen. Ich kenne einige Paare, die das regelmäßig machen. Da müssen wir noch ran. Sodass dann auch endlich mal ein erster Parents-Only-Urlaub nach sechs Jahren hoffentlich diesen Herbst mal stattfinden kann. Nur so zwei, drei Tage. Dann kommt Oma und wohnt bei uns. Ich hoffe sehr, dass das von allen Seiten aus klappt.

Habt ihr denn ansonsten Hilfe, sonntags kommt ja immer eine Sitterin, oder?

Ja, wenn eine stetige Babysitterin da ist, kommt sie Sonntagnachmittag zwei, drei Stunden und Donnerstagnachmittag zwei Stunden für die Kleine, damit Philipp mit dem Großen in Ruhe zum Kinder-Sport gehen kann. Zur Not kommt die Kleine da aber eben mit. Ansonsten kriegen wir es irgendwie noch nicht so gut hin, dass wir uns zum Beispiel beim Abholen mit anderen Eltern absprechen. Das schaffen Freunde von uns besser. Es gibt zwar Großeltern, aber die sind jeweils mindestens zwei, drei Stunden Fahrt entfernt, sie mussten schon mal anrücken, wenn die Kinder krank waren und wir aber beide nicht komplett zuhause sein konnten. Einmal musste sogar Philipps Mutter kommen, weil Philipp krank wurde und die Kleine auch und ich meine erste Woche im neuen Job hatte. Ich wollte und konnte einfach nicht das Klischee bedienen, dass Mütter ja ständig wegen der Kinder im Job ausfallen – und dann auch noch in der ERSTEN Woche! Dann kam also die Oma für eine halbe Woche zu uns. Das berühmte Dorf. Es ist so toll zu wissen, dass, auch wenn weit weg, die Hilfe trotzdem kommt, wenn man sie denn braucht und – wichtig – trotz völlig unnötigen schlechten Gewissens auch darum bittet.

Habt ihr das Gefühl, genug Zeit mit den Kindern zu verbringen?

Total! Ich kriege ja oft durch die Blume oder gerade heraus, die Frage gestellt, ob ich denn genug Zeit mit meinen Kids verbringe. Oder ob ich nicht das Gefühl habe, ihre Kindheit zu verpassen. Der zweite Satz kam tatsächlich mal von einer engen Freundin, da war ich schon sehr erstaunt, und auch verletzt. Bei solchen Sätzen sage ich ganz klar: nein. Ich sehe meine Kinder morgens, an drei Nachmittagen, zwei Abenden und das ganze Wochenende. Ich hatte noch nie das Gefühl, auch nur ein einziges kleines Stückchen aus ihrer Kindheit zu verpassen. Und ich finde es absurd, dass diese Frage Vätern null komma null gestellt wird.
Gleichzeitig finde ich es auch problematisch, dass Eltern heutzutage suggeriert wird, jeden einzelnen Schritt ihrer Kinder unbedingt hautnah erleben zu müssen und es am besten auch noch in zig hübsch designten Erinnerungsbüchern zu dokumentieren. Das macht unglaublichen Druck. Und wenn man mal nicht dabei ist, hat man zu dem ganzen Alltagsstress auch noch ein extrem schlechtes Gewissen. Das will ich nicht und plädiere für den Mut zur Lücke, auch bei den Erlebnissen oder Entwicklungsschritten unserer Kids. Alles mitzukriegen, ist schier unmöglich und macht nur Druck. Und alles wichtige kriegen wir doch am Ende des Tages eh mit.

Sprechen wir über den Haushalt: Wie teilt ihr euch hier auf?

Es kommt eine Putzfrau, die einmal die Woche die Grundreinigung übernimmt. Ansonsten kümmert sich Philipp um seine Wäsche und die von dem Großen. Ich mache meine und die von der Kleinen. Das war lange ein Streitpunkt, weil ich mich mit der Wäsche allein gelassen fühlte. Nach einem großen Knall hatten wir dann diese Aufteilung, seitdem läuft das.
Ich hasse Lebensmittel einkaufen, das macht meistens Philipp, dafür ist der Geschirrspüler meine Aufgabe. Windeln einkaufen usw. machen wir beide. Ich kaufe die Klamotten für die Kids, er meist die Spielsachen. Geschenke für Geburtstagspartys habe früher ich besorgt, bis mir auch das zu viel wurde, weil ich dann auch noch den Druck hatte, dass es hübsch verpackt ist mit einer tollen Karte und das ganze Gedöns. Und irgendwann dachte ich: für wen? Dem jeweiligen Kind sind Karte und Verpackung völlig wurscht und nur weil ich den Anspruch habe, dass es hübsch auszusehen hat? Irgendwann merkte ich, dass das Quatsch ist, also besorgt die Geschenke jetzt immer der, der Zeit hat.

Ich habe tatsächlich lernen müssen, solche Dinge abzugeben. Oder auch das Anziehen der Kinder. Philipp zieht sie genauso wunderbar an wie ich. Nur eben anders. Who cares? Er hat zu Recht oft gesagt: Alex, wenn du willst, dass ich es mache, dann lass es mich es auf meine Art machen. Oder mach es eben selbst. Und damit hat er vollkommen Recht.

Seid ihr beide zufrieden mit eurem Haushaltssystem?

Eigentlich schon. Man muss auch dazu sagen, dass es jetzt so funktioniert, das entstand langsam und mühsam in den letzten sechs Jahren und führte auch immer wieder zu Diskussionen und auch Streit. Wir haben sehr viel geredet, diskutiert, justiert, immer wieder. Das entsteht ja nicht einfach so. Plötzlich beobachtet man sich von der Seite, wie man sinngemäß sowas argumentiert wie: Wäsche machen fürs Baby ist anstrengender als für ein Schulkind, weil die Socken des Babys viel zeitaufwendiger zu sortieren sind. Natürlich ist das absurd. Aber ich denke, Reden ist wirklich unfassbar wichtig. Also das Aussprechen von Bedürfnissen. Egal, ob sie jetzt kollidieren mit dem allgemeinen Konsens “dass man das als Mutter/Vater eben so macht.” Wer sagt das? Wer entscheidet, dass man das eben so macht? Doch jeder für sich.

Es war also sehr viel Justieren nötig. Auch weil auch in uns tradierte Rollenbilder fester verankert waren, als wir beide vielleicht zugeben wollten. Die aufzubrechen ist Arbeit. Und einfach auch: Streit. Das muss man sich nicht schön reden. Philipp sehnt sich manchmal auch danach, dass es bei vielen Kumpels traditioneller aufgeteilt ist und dadurch ja auch irgendwo einfacher und klarer. Aber ich sage ihm dann immer, dass er sich ja schließlich mich ausgesucht hat. Und er wusste, ich würde das niemals anders machen wollen. Das mag pathetisch klingen: aber ich will meinen Kindern keine Rollenbilder vorleben, in denen die Mutter die Hauptverantwortung für die Familie und das Haus trägt und der Vater größtenteils für die Arbeit und das Geld. Nein! Beide Kids sollen sehen, dass beide Eltern sich den kompletten Familienalltag + Job 50/50 aufteilen können. Ich weiß, dass es viele Frauen gibt, die meine Meinung nicht teilen und sich auf den Schlips getreten fühlen. Sie sagen, dass sie reduzieren oder auch ganz ihr Leben der Erziehung und den Kindern widmen. Und sie sagen, dass es ihre freie Entscheidung war. Ich denke da anders und denke, dass durch die tradierten Rollenbilder ihre Entscheidung nie wirklich ihre eigene, freiwillige war. Am Ende entscheidet jede Frau und Familie selbst, das stimmt. Nur muss ich hier ganz klar dafür plädieren, dass die finanzielle Absicherung der Frau geregelt sein muss. Und mit geregelt meine ich nicht: die Frau ist halt verheiratet und der Mann versorgt sie. Sondern mit eigenen Anlagen, ETF-Sparplänen, privaten Rentenvorsorgen, Immobilien, die auf beide Namen laufen oder was auch immer. Also irgendetwas, was die Frau absichert, auch ohne den Mann klarzukommen.
Und ja, klar, spielt bei 50/50-Modellen Geld eine besondere Rolle, das muss man auch ehrlicherweise sagen. Für 50/50 ist es fast schon Voraussetzung, dass beide auch ungefähr gleich verdienen müssen – 50/50 eben. Ist das Lohngefälle sehr groß, geht die Argumentation “Wir machen alles 50/50” leider sehr oft flöten. Es ist ätzend, dass Geld da immer noch so unfassbar die Rollenbilder diktiert. Weil ja auch die Männer meist die Besserverdiener sind, wird auch dadurch das traditionelle Bild immer weiter tradiert.

Gutes Thema. Wie habt ihr denn die Finanzen geregelt?

Ja, ein großes und wichtiges Thema, das wir seit Jahren angehen, das aber immer noch teilweise eine Baustelle ist. Wir haben jeder unsere einzelnen Konten, manche Posten gehen von seinem ab, manche von meinem. Der jeweils andere gleicht das mit Daueraufträgen aus. Während meiner Elternzeiten hat Philipp meine finanziellen Ausfälle ausgeglichen, indem er mir die Differenz jeden Monat überwiesen hat. Wir sorgen unterschiedlich für das Alter vor. Er hat als Beamter eh eine sehr privilegierte finanzielle Absicherung und Ersparnisse. Ich riestere und habe seit einem halben Jahr zwei ETF-Sparpläne laufen. Für meine Rente und für die Ausbildung der Kids später. Philipp überlegt auch noch, einen ETF-Sparplan anzulegen, aber ihm ist Börse noch zu gruselig. Ich finde es hingegen mega spannend und extrem wichtig, sich da einzulesen, weil es meiner Meinung nach der einzige Weg ist, für das Alter vorzusorgen. Baustelle ist noch über eine Anwältin eine Art Ehevertrag für Nicht-Verheiratete abzuschließen, der alles regelt, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert.

Seid ihr denn generell happy mit eurem System?

Manchmal ist es uns zu dogmatisch. Ich beneide wie gesagt Eltern, die es hinkriegen, dass beide einfach alles machen, was so anfällt und keiner in seinen Ruhephasen dabei zu kurz kommt. Und wenn ich ganz ehrlich bin, glaube ich einfach nicht, dass es ohne Absprachen wirklich funktioniert. Ich denke, irgendjemand kommt dann trotzdem zu kurz – und Statistiken zeigen: es ist immer noch in den allermeisten Fällen die Mutter. Ich könnte mir vorstellen, dass wir in ein paar Jahren vielleicht beide auf 80 Prozent reduzieren. Aber wirklich beide. Es wird auf gar keinen Fall so sein, dass ich reduziere und Philipp Vollzeit arbeitet. Er verdreht bei sowas immer ein Stück weit die Augen, aber ich will so ein Modell einfach nicht vorleben. Und ich weiß, dass das nur funktioniert, wenn beide ungefähr gleich viel verdienen. Trotzdem ist die Argumentation: die Frau verdient weniger, also reduziert sie automatisch, meiner Meinung nach auch zu einfach gedacht. Denn durch das ständige regelmäßige, jahrelange Reduzieren nimmt sich die Frau die Chance, jemals beruflich voranzukommen und irgendwann eben auch mehr zu verdienen.

Was würdet ihr euch vom Staat, von eurem Umfeld, vom Arbeitgeber wünschen?

Dass es viel, viel, viel normaler werden muss, dass Väter in Elternzeit gehen. Und zwar die Hälfte der Zeit und nicht nur die obligatorischen zwei Monate. Dass man nur dann das volle Elterngeld kriegt. Dass es endlich keine Arbeitgeber*innen mehr gibt, die ernsthaft nicht wissen, dass auch Väter in Elternzeit gehen. Und dass auch Väter sich da aufregen, wenn Chef*innen ihnen dieses Recht verweigern. Dass auch sie sich dafür einsetzen, dass es keine Konferenzen nach 15 Uhr gibt, usw. Und dann müssen die Mütter noch mehr einfordern. Sowohl von ihren Arbeitgeber*innen, als auch von ihren Partnern. Ja, es wird Streit bedeuten. Aber wie ich neulich auf einem Demoplakat der Fridays for future-Kids gelesen habe: Keine Revolution ohne Wut. Was die Vereinbarkeit angeht, müssten wir alle noch viel wütender werden.

Was macht euch im Alltag am meisten Freude?

Dass es klappt. Dass es wirklich klappt, wenn auch nicht immer, wenn es auch quietscht im Motor und manchmal auch ganz schön krächzt. Aber dass das so, wie wir es machen, im Großen und Ganzen klappt – und hoffentlich immer klappen wird. Ich habe neulich einen ganz tollen Spruch dazu gelesen, der ging sinngemäß so: Es ächzt immer im Getriebe, wenn das Leben in den nächsten Gang schaltet. Das hilft mir oft, wenn es eben nicht so glatt läuft und wir uns wieder wegen Kuchen backen oder Kindersocken in die Haare kriegen.
Aber wir sind echt stolz auf uns, dass wir es hinkriegen. Dass wir unsere Kinder genießen und uns gleichzeitig beruflich verwirklichen können. Dass wir unseren Kindern, Sohn UND Tochter, vorleben, dass man beides haben kann. Und keiner von beiden, weder Mutter noch Vater, sich später zwischen Kind und Karriere entscheiden muss. Und dass es so ganz selbstverständlich funktionieren kann. Ich hoffe sehr, sehr doll, dass wir das bis zum Ende so werden durchziehen können.

Viel Erfolg damit und danke, Alexandra!