Let’s talk about: Co-Parenting

Seitdem ich auf die Mitte 30 zusteuere, ist Familienplanung ein großes Thema. Bei Dates unter urbanen Mittdreißigern geht's immer ziemlich schnell ans Eingemachte: Kann man sich ein gemeinsames Leben vorstellen? Kinder? Und wenn es dann wieder nicht klappt, und die Jahre vergehen, dann erwische ich mich schon bei dem Gedanken: Was mache ich eigentlich, wenn Mr. Right nicht aufkreuzt bevor ich 40 bin? Und obwohl ich noch Zeit habe, denke ich durchaus über Optionen jenseits der romantischen Paarbeziehung nach.

Co-Parenting ist ein Begriff, der mir seit einiger Zeit um die Ohren flattert und der mich immer mehr beschäftigt: Ein Kind zu bekommen außerhalb einer (mehr oder wenigen) romantischen Beziehung. Vor einer Weile bin ich auf dem Blog Planning Mathilda gelandet, in der eine Mutter an ihrem Weg zum Wunschkind teilhaben lässt. Sehr wohl mit Vater, aber ohne Beziehung. Die beiden haben Mathilda bekommen und sich für eine Co-Elternschaft entschieden. Durchgeplant und gewollt. Er ist ein Freund, den sie über Kollegen kennengelernt hat, gezeugt wurde das Kind durch die Bechermethode. Alle Eventualitäten wurden vorher besprochen, soweit das möglich ist. Nun leben die beiden als Co-Eltern in derselben Stadt natürlich, aber getrennt voneinander. Das Kind wird abwechselnd betreut.

Dass es mit Beziehungen zuweilen schwierig sein kann, diese Erfahrung habe ich schon oft gemacht. Wie befreiend ist da der Gedanke, auch unabhängig eines männlichen Partners ein Kind bekommen zu können! Denn wir Frauen haben dafür eben nur begrenzt Zeit, irgendwann tickt dann die Uhr. Co-Parenting, das klingt für mich wie das vernünftigere Pendant zu ungeschützem Sex mit “irgendwem”, oder gar “Samenraub”. Katharina hat vor Kurzem über das Konzept “Erst das Kind, dann der Mann dazu” geschrieben und stellt die Frage, wie wir unseren Kindern Beziehungsfähigkeit beibringen wollen, wenn wir es selbst gar nicht vorleben: “Zumal diese Abgrenzung für meine Begriffe alleine deshalb absurd ist, weil wir damit konterkarieren, was wir für uns und unsere Kinder wollen: Beziehungsfähigkeit. Ich frage mich, wie das eine ohne das andere funktionieren soll? ” Und das ist auch so der Gedanke, der in mir brodelt: Wenn wir die Auseinandersetzungen, die Nähe mit dem Partner, mit denen wir das Kind haben, weg organisieren können (eben durch eine Co-Parenting-Einigung), fehlt uns da nicht ein wichtiger Bestandteil des Lebens – der Austausch, die Nähe, das Zusammentreffen mit “dem Anderen”? Aber wahrscheinlich birgt auch eine Co-Elternschaft Konflikte, nur eben weniger essenzielle, weil man sich darauf ja schon geeinigt hat.

Nicht nur für Frauen oder Männer ohne Partner ist Co-Parenting eine Option. Besonders für homosexuelle Pärchen oder Väter ist Co-Parenting mitunter ein wichtiger Weg zu Elternschaft. Auf Co-Parenting-Websiten findet man verschiedene Optionen: Von der Samenspende über den “aktiven” Vater/Mutter zum Vater/Mutter mit Onkel-/Tantenfunktion. Ich in meinem Bekanntenkreis kenne mehrere, die sich Letzteres gut vorstellen können: Ein Vater, für den klar ist, dass das Kind bei der Mama aufwächst. Der aber trotzdem regelmäßig da ist, sich kümmert und Verantwortung übernimmt.

Lebensoptimierung und Planbarkeit

Und so fliege ich aus purer Neugierde über die Co-Parenting Portale: co-eltern.de, parenting.com und, dieses sagt mir am meisten zu: Familyship, gegründet von einem lesbischen Pärchen in Berlin, das vor einigen Jahren einen Vater für ihr Kind suchte. So ein wenig komisch fühlt es sich trotzdem an. So als ob man unheimlich viel Kontrolle hat, über etwas, das eigentlich als ein Wunder “der Natur” ins Leben tritt. Plötzlich alles da, ich kann aussuchen, steuern. Aber – wie Jochen König, Buchautor und Blogger, der in einer Co-Parenting-Familie lebt, betont – so durchorganisiert wie es scheinen mag, ist so ein Portal zu wenig, um eine Familie zu gründen. Es folgt immer eine längere Phase des Kennenlernens, es ist Arbeit, es gibt kein Allheilmittel, letztendlich trifft man dort eben auch “nur” Menschen.

Wenn man manchen Zeitungsberichten glauben schenkt, dann ist die aus Frau und Mann bestehende “Kernfamilie” ein Auslaufmodell. Und so frage ich mich: Ist Co-Parenting wirklich die Alternative zur Partnerschaft mit Kind? Ich denke eigentlich, dass das der falsche Ansatz ist. Co-Parenting steht nicht in Konkurrenz zur romantischen Beziehung. Vielleicht ist es einfach eine andere Form der Beziehung, eine andere Form der Familie. Eine Form, bei der man ein kleines bisschen besser planen kann. Bei der die Wahrscheinlichkeit von Konflikten geringer ist? Dem Vorwurf der Optimierbarkeit, der “selbstbestimmten“, “individualisierten” aka neoliberalen Mutterschaft, weil es so schön in den Lebensentwurf, in, wie Katharina schreibt, “unsere Bedürfnisskette” passt, muss ich hier doch widersprechen. Denn ist der Kinderwunsch nicht immer etwas tief Irrationales, etwas Triebhaftes, etwas dem Menschen – nicht allen, aber vielen – Immanentes?

Mathildas Mama sagt dazu: “Deshalb finde ich den Vorwurf, ich hätte egoistisch gehandelt, eigentlich gar nicht zutreffend, denn ja, es ist immer egoistisch, ein Kind zu bekommen, das Kind wird schließlich niemals gefragt, ob es das so wollte, aber ich finde, eine bewusste Entscheidung für ein Kind, die sehr gut durchdacht ist und der Versuch, diesem Kind im Rahmen meiner Möglichkeiten das beste Lebensmodell zu gewährleisten, ist nicht egoistisch.”

In manchen Medienberichten wird ein anderer Ton angeschlagen: So als hätte man Angst, dass nun niemand mehr in Beziehungen leben möchte, wenn es diese Optionen gibt. Aber Menschen sind unterschiedlich, und dass ein Modell für den einen funktioniert, heißt nicht, dass es auch für den anderen klappen muss. Letztendlich heißt mehr Diversität einfach mehr Menschen, die so leben können, wie es sie glücklich macht.

Und was ist mit den Kindern?

Es gibt nicht das “beste” Modell um Kinder groß zuziehen. An so etwas glaube ich nicht. Aber manchmal, wenn mein Sohn sich wieder einmal wünscht – obwohl er sich an seine kurzen Babymonate gar nicht erinnern kann, also definitiv gar nicht weiß, wie es ist, wenn Mama und Papa zusammen sind – wenn er sich also wieder wünscht, dass wir beide zusammenleben, einfach weil er immer einen von uns beiden vermisst, dann erwische ich mich schon bei dem Gedanken, dass ich mir für mein nächstes Kind Mama und Papa wünsche, und das zusammen. Nicht, weil “es von der Natur” so gewollt ist. Solchen Naturalisierungen stehe ich höchst kritisch gegenüber und halte sie, ich bin mal so frei, für konservativen, gefährlichen Quatsch. Sondern, weil ich spüre, dass es das ist, was er sich wünscht. Obwohl er es nie erlebt hat. Nun lässt sich aus diesem speziellen Fall kein allgemeingültiges Bedürfnis aller Kinder ableiten. Für mich weiß ich, ich möchte noch ein Kind. Aber: it’s complicated. Ich habe noch Zeit, und wenn alle Stricke reißen, dann gibt es Optionen wie das Co-Parenting, und diese Freiheit halte ich für einen großen Fortschritt.