Moderne Aufklärungsbücher!

Ich werde oft im Bekannten- und Freundeskreis gefragt, wenn es um Tipps und um bestimme Familien- und Kinderthemen geht. „Kennst du ein gutes Familienhotel?“, „Welchen Buggy würdest du empfehlen?“ „Welche Smart Watch?“ Eine Frage, die ich sehr sehr oft höre: „Welche Bücher sind gut, um das Thema Aufklärung anzugehen?“
Dieser Post ist deshalb total überfällig, denn seitdem Marie hier schon mal über Aufklärungsbücher geschrieben hat, hat sich Einiges auf dem Buchmarkt getan. EINIGES! Es folgen: ein paar Aufklärungsbücher, die ich gut finde und die das Thema etwas moderner angehen als “Peter, Ida und Minimum” (auch wenn das ein zeitloser Klassiker ist).

Aufklärung von Anfang an

Wann beginnt man damit, das Thema einzuführen? Auf jeden Fall vor der Grundschule, finde ich. Wenn es bis dahin noch nie aufkam, würde ich versuchen, es ein bisschen anzuteasern…

Und ansonsten, einfach dann, wenn Interesse besteht. Manche Kinder haben zum Beispiel eine Phase, in der sie kichernd mit den Namen von Geschlechtsteilen um sich werfen und das ist ein guter Anlass, da mal etwas ins Detail zu gehen. Viele wollen auch – ganz klischeehaft – wissen, wie die Babys in den Bauch kommen. Und sie haben eine gute Antwort verdient!

Diese Bücher sind für jüngere Kinder ein super Einstieg:

Von wegen Bienchen und Blümchen

Den Autor dieses fabelhaften Buches haben wir hier schon mal interviewt. Er erklärt in dem Interview wirklich alles, was man wissen muss. Und dieses Buch ist tatsächlich ein Alleskönner, ich bin total begeistert. Unverkrampft und sogar lustig wird alles besprochen, was in Sachen Sexualität wichtig ist. Wie die primären Geschlechtsteile richtig heißen (bitte immer die korrekten Namen verwenden…), was das dritte Geschlecht ist, welche Gefühle angenehm und eventuell auch nicht sind. Warum es zwischen den Beinen kribbelt, wie Geschlechtsverkehr und Befruchtung funktionieren, welche Familienformen es gibt, wie sich verliebt sein anfühlt und was die Pubertät mit sich bringt. Es ist wirklich ganz toll gemacht. Für die Eltern gibt es eine Einführung und auch auf vielen Seiten kleine Kästchen mit Orientierungshilfen und Tipps (zum Beispiel: wie bei Doktorspielen reagieren, oder wenn das Kind sich plötzlich schämt, nackt zu sein). Großartig! Ab fünf Jahren, ich finde, jünger geht auch schon – und es ist bis in die Pubertät aktuell.

Erbesenklein, Melonengroß

Für kleinere Kinder ist dieses gendersensible Buch eine gute Wahl. Auf recht klassischem Wege wird erklärt, wie ein Baby entsteht und sich entwickelt. Klassisch, denn es geht um eine Familie, die Zuwachs bekommt und das Geschwisterchen ist neugierig. Dann wird das Buch aber eben viel moderner. Auch künstliche Befruchtung, Regenbogen-Familien, alle Arten von Familien, Bauchgeburten, und und und werden angesprochen. Eben alle Möglichkeiten, wie ein Baby und eine Familie entstehen können. Natürlich ist es auch in Sachen Hautfarbe sehr divers und obwohl das jetzt total progressiv klingt, ist es wirklich sehr einfühlsam und kindgerecht gestaltet. Ein wirklich schönes Buch für Kinder ab vier Jahren (oder noch früher).

Mein erstes Aufklärungsbuch

Das einzige Buch in der Auflistung, das schon etwas älter ist und auch schon in Maries Liste dabei war. Es ist ziemlich heteronormativ und ein bisschen altmodischer aufgebaut, als die anderen Bücher, ich habe es trotzdem bewusst mit in diesen Artikel genommen, denn es hat einen großen Vorteil: Im ersten Teil geht es  um “Mein Körper gehört mir” und ich finde, das wird sehr gut und kindgerecht eingeführt, sodass Kinder es wirklich verinnerlichen. Im zweiten Teil geht es dann um die Gefühlswelt von Kindern und ich finde, auch das ist sehr gut gemacht. Erst der dritte Teil behandelt das Thema Aufklärung, aber da all diese Dinge ja auch zusammengehören und Missbrauchs-Prävention viel mehr Raum bekommen sollte, finde ich das Buch sehr empfehlenswert. Ab fünf, aber auch hier: gerne schon früher.

Wie entsteht ein Baby?

In diesem Buch wird tatsächlich kein einziges Mal von Männern und Frauen gesprochen! Und ich finde das so schön, dass man diese ganze Thematik so modern und offen in einem Kinderbuch darstellen kann, ohne dass es auch nur ein Mal gewollt oder verkrampft wirkt. Menschen mit Gebärmutter, Menschen mit Samenzellen, ganz einfach. Im weiteren geht es um die Entwicklung des Babys und um die Geburt (der Kaiserschnitt wird auch angesprochen, klar). Das Buch ist super bunt illustriert, sehr sehr kindgerecht und wirklich süß. Ab drei Jahren!

Hinweisen möchte ich auch noch mal auf “Ein Baby! Wie eine Familie entsteht“, das Buch haben wir hier schon mal ausführlich vorgestellt, es ist in der heutigen Liste nicht dabei, aber es ist auch wirklich ein sehr gutes Aufklärungsbuch, wie ich finde.

Das eigene Geschlecht entdecken

Vielen – ich behaupte sogar mal: den meisten! – Eltern ist es total unangenehm, wenn ihre Kinder “da unten” rumfummeln. Wenn sie gar reiben und sich verkrümmen, um mal genau hinzusehen. Dabei ist das natürlich ein ganz normaler und auch verständlicher Prozess, es ist ja auch spannend und es fühlt sich eben auch anders an, als andere Körperteile! Im Achse Verlag sind zwei wunderbare Bücher erschienen, die genau dann zum Einsatz kommen können. Oft hat das dann auch den angenehmen Nebeneffekt, dass nicht mehr ganz so viel gefummelt wird. Denn Kinder sind eben vor allem neugierig und diese Bücher stillen ihr Wissen sicher bis zu einem gewissen Grad. In

Bruno will hoch hinaus

geht es um das männliche Geschlecht, um Penisse und wie man noch dazu sagen kann, um die Vorhaut, um die richtige Hygiene, um Schwellkörper und um Gefühle. Total schön gemacht und für Kinder ab vier Jahren geeignet. Evtl auch früher!

Lina, die Entdeckerin

Das weibliche Pendant. Vulven in allen Farben und Formen und natürlich werden auch alle weiteren Details sehr detailliert beschrieben. Ich finde das Buch super, merkte aber, dass ich mich räuspern musste beim Lesen, weil es eben schon SEHR detailliert ist! Dann dachte ich wieder: was soll das, warum ist mir das jetzt peinlich. Ich finde das ja selbst total problematisch, dass es in meiner Generation diese Bücher nicht gab, dass es Frauen in meinem Alter gibt, die ihr eigenes Geschlechtsteil nicht gut kennen, nicht anfassen, nicht ansehen wollen. So soll das bitte nicht sein, deshalb: Free the Vulva! Ein wichtiges Buch für unsere Töchter. Ab drei. Finden manche in diversen Rezensionen zu früh, aber warum eigentlich? Ich finde: sobald Interesse besteht.

 

Für ältere Kinder (und Erwachsene!)

Was “älter” ist, müsst ihr selbst definieren! Ich meine, man sollte auf jeden Fall ordentlich selbst lesen können. Wobei!

Der Tag, an dem Papa ein heikles Gespräch führen wollte

kann man auch vorlesen. Von allem hier vorgestellten Büchern ist dieses das mit Abstand Lustigste – Marc Uwe Kling eben! Herrlich. Wir haben so gelacht. Es geht um ein heikles Gespräch, um Verhütung, um “heterosexuellen, vaginalpenetrativen, prokreativen Sex”, um die unterschiedlichen Generationen und es ist einfach superlustig gemacht. Aber, also sechs/sieben Jahre sollte man schon alt sein dafür, denke ich. Sonst versteht man den Witz nicht!

Selma, Küsse, Kuddelmuddel

Ein super schönes Buch für den Beginn der (Vor-) Pubertät. Selma bekommt ihre Periode, um sie herum beginnen alle, rumzuknutschen und sie muss diese überwältigende Zeit auch noch mit ihrem Vater managen, der ziemlich hilflos dargestellt wird. Dafür übernimmt das Buch einiges an Aufklärungsarbeit und das – wie ich finde – ziemlich gut! Unterhaltsam ist es nebenbei auch, ich glaube, es holt ganz ganz viele Mädchen sehr gut ab. Hätte ich damals gerne gelesen… Ab 10 Jahren.

Unverblümt

Eher ein Lexikon als ein Buch und da konnte ich auch noch Einiges lernen. Es ist sicher nur als “Ergänzung” gedacht, aber auch hier muss ich sagen: hätte ich gerne gehabt in der Pubertät. Es ist total auf Höhe der Zeit, Begriffe wie “Genderfluid”, “Polyamorie” und “Slut Shaming” werden erklärt – und wer sich mal mit Jugendlichen unterhalten hat in letzter Zeit weiß, wie wichtig das ist. Die sind dermaßen modern und offen, es gibt so viele sexuelle Möglichkeiten und Ansätze, was sicher auch verwirrend sein kann, aber eben auch unglaublich viel Freiheit mit sich bringt. Gute Sache! Ab 14, aber vielleicht auch schon so ab 12? Je nachdem, wie weit eure Kids schon sind.