Kinderhaben Anderswo: Daniela in der Dominikanischen Republik

Nachdem es vorletzte Woche ums Familienleben in Tokio ging, berichtet uns heute Daniela aus der Dominikanischen Republik. Auch da läuft vieles ziemlich anders als bei uns, so wurden ihre Tochter gleich nach der Geburt Ohrstecker gesetzt - ohne, dass Daniela vorher gefragt wurde. Andere Länder, andere Sitten. Warum sie ihr Leben auf der Insel aber trotzdem nicht eintauschen würde, erfahrt ihr hier...

Mein Mann und ich haben uns im März 2010 in Deutschland kennengelernt. Er hat damals in Barcelona studiert und war mit Freunden eine Woche in Deutschland unterwegs. Wir haben uns zufällig in Frankfurt in einem Club beim Tanzen kennengelernt wir lieben beide elektronische Musik! Ich wollte damals, mit 30 Jahren, Erfahrung im Ausland sammeln, statt für ein Jobangebot in London habe ich mich aber dann für die Liebe entschieden und bin nach fast zwei Jahren Fernbeziehung mit zwei Koffern und ein paar Kisten in die Dominikanische Republik gezogen. Einen Job hatte ich schon von Deutschland aus klar gemacht, als Marketing Managerin bei der dominikanischen Mercedes-Benz Niederlassung. Ihr könnt euch vorstellen, dass das erste Jahr sehr aufregend war, neuer Job, Kultur, Sprache, Beziehung, Familie!

Family first!

Wir wohnten erst einige Monate bei seinen Eltern, ein komisches aber auch schönes Gefühl, nachdem ich ja schon zehn Jahre alleine wohnte. Dort wurde mir klar, dass Familie hier eine viel größere und wichtigere Rolle spielt, als für mich damals in Deutschland. Wir zogen dann in eine gemeinsame Wohnung, etwas was man hier eigentlich erst macht, wenn man heiratet. Nach einem Jahr wechselte ich den Job, nachdem ich wegen einer „Umstrukturierung“ entlassen wurde. Ich war wohl einfach auch unglaublich teuer mit meinem „deutschen“ Gehalt, das ich verhandelt hatte. Nach zweieinhalb Jahren im Land wurde ich schwanger und wir haben kurz nach Nikos Geburt geheiratet. Über drei Jahre später kam dann Karla auf die Welt.

Jetzt, nach fast acht Jahren, hab ich mich natürlich an ganz viel gewöhnt, was mir am Anfang noch komisch vorkam. Ich kann mich erinnern, dass mein Mann immer sagte, ich frage so viel!

Ich habe aber recht schnell Spanisch gelernt, konnte allerdings davor Italienisch. Der Switch zwischen den beiden Sprachen fiel mir leicht. Ich hatte bei meinem ersten Arbeitgeber einen Intensivsprachkurs verhandelt, und so habe ich in vier Wochen richtig viel gelernt, um im Alltag und auf der Arbeit gut klarzukommen. Mir hat auch geholfen, dass meine Kolleg*innen und die Familie meine Mannes kein Englisch konnten, so war ich gezwungen Spanisch zu reden! Mit meinem Mann spreche ich bis heute eine Mischung aus Englisch, Spanisch und Deutsch. Unsere Kinder wachsen mehr oder weniger dreisprachig auf. Niko hat anfänglich nur Spanisch gesprochen, auf deutsch versteht er eigentlich alles, aber er antwortet erst seit dem letzten Urlaub in Deutschland auf deutsch. In der Schule ist der Unterricht auf Englisch und Spanisch.

Großer Unterschied zwischen arm und reich

Am Anfang, und eigentlich bis heute, macht mich der große Unterschied zwischen arm und reich oft traurig. Wir haben zum Beispiel eine Haushaltshilfe, die auf unsere Kinder aufpasst und dafür ihre eigenen Kinder sechs Stunden Busfahrt entfernt bei einer Ziehmutter aufwachsen lassen muss, und das ist wirklich bei fast allen Frauen, die als Haushaltshilfe arbeiten der Fall. 
Der Verkehr ist auch sehr anders als in Deutschland, Regeln gibt es, aber keiner kennt sie oder hält sich an sie. Ampeln gibt es auch, aber gerade zu den Stosszeiten „regeln“ Verkehrspolizisten den Verkehr. Auch Rettungsgassen im Stau gibt es nicht, und Vorfahrt bekommt, wer sich am dreistesten reindrückt. Das kann ich inzwischen ganz gut ☺.

Unser Leben

Wir wohnen in der Hauptstadt Santo Domingo, mit ca. drei Millionen Einwohnern. Wir beide arbeiten Vollzeit, was ungefähr 40 Stunden entspricht. Die Kinder sind vormittags im Kindergarten und in der Vorschule und nachmittags zu Hause oder im Schwimmunterricht. Da wir hier aus Sicherheitsgründen nur mit dem Auto unterwegs sind, sind wir auf die Familie meines Mannes angewiesen. Morgens teilen wir uns auf, mein Mann bringt Niko in die Schule, ich Karla in den Kindergarten. Mittags holt der Opa beide ab. Er ist dafür fast zwei Stunden unterwegs. Nachmittags sind sie dann mit ihrer Nana – dem Kindermadchen bzw. der Haushaltshilfe zu Hause. Das ist hier normal, da viele Frauen voll berufstätig sind. Kitas mit Ganztagsbetreuung gibt es auch, aber ich kenne nur wenige, die das so machen.

Natürliche Geburten sind die absolute Ausnahme – Stillen ist kein Standard

Beide meiner Kinder kamen über natürliche Geburten auf die Welt, was hier eine totale Ausnahme ist. Über 90% der Frauen bekommen ihre Kinder per Kaiserschnitt, meistens mit festgelegtem Datum und Uhrzeit schon bei der Feststellung der Schwangerschaft. Die Gründe dafür sind vielfältig: Es ist planbar für Ärzte und Krankenhauser, die mehr Geld damit verdienen. Außerdem haben viele Frauen Angst vor der Geburt, es gibt keine Aufklärung vor der Geburt und nur sehr wenige Doulas (Hebammen). Der Frauenarzt führt die Geburt im Krankenhaus aus, der Kinderarzt, der später das Kind betreut, ist mit dabei.

Während der Schwangerschaften hatte ich Bluthochdruck, weswegen beide Geburten eingeleitet wurden, um das Risiko einer Schwangerschaftsvergiftung zu verringern, also auch mit vorher festgelegtem Geburtsdatum. Beide Male mit eingeführtem Ballon, wehenauslösenden Hormonen und aufgestochener Fruchtblase. Das klingt jetzt ganz schrecklich, aber ich vertraute meiner Ärztin und ihrem Team. Beide Geburten waren auf ihre Weise schön. Beim ersten Mal dauerte es 14 Stunden, mit PDA und Co… darauf hatte ich dann beim zweiten Mal keine Lust. Ich ließ die PDA weg, es war zwar schmerzvoller, aber ging dafür mit drei Stunden viel schneller. Auch bestand ich auf Hautkontakt nach der Geburt und aufs Stillen, was hier nicht zum Standard gehört. Im Krankenhaus bekommen die Kleinen meist erstmal Pre-Milch, damit sie nicht mehr weinen. Wir hatten ein kleines Schockerlebnis bei Karla, sie wurde mir nach dem Baden und Anziehen mit Ohrsteckern wieder gebracht! Das ist hier so üblich, weiblichen Babys werden gleich nach der Geburt Ohrlöcher gestochen. Dabei hatten wir überhaupt nicht eingewilligt.

Eine Hebammenbetreuung nach der Geburt gibt es hier offiziell nicht, es gibt zwar ein oder zwei Doulas (für die ganze Stadt!), aber die Familie kümmert sich gewollt oder ungewollt um einen. Mit den Ratschlägen der Mütter, Schwiegermütter, Tanten, Nachbarn, Freundinnen und denen wildfremder Menschen muss man dann lernen umzugehen. Da ich aber sehr intuitiv handele und sowieso tat, was sich für mich und das Baby gut und richtig anfühlte, waren mir die Kommentare nicht sehr wichtig.

Drei Monate Elternzeit – danach arbeitet man wieder

Mutterschutz tritt hier zwei Wochen vor dem geplanten Geburtstermin ein, bis dahin arbeitet man ganz normal. Nach der Geburt gelten dann drei Monate Elternzeit, danach steigt man wieder Vollzeit ein. Ohne Hilfe der Familie und Nannies schlicht unmöglich! In der Elternzeit bekommt man sein Gehalt voll weiterbezahlt, eine Verlängerung oder Verkürzung ist nicht möglich, weil das Gesetz da keine Flexibilität gibt. Einige Firmen bieten etwas flexiblere Zeiten an, aber das sind dann Ausnahmen.

Ich habe beide Kinder gestillt, Karla stille ich mit über einem Jahr immer noch. Dank eines Stillraums auf meiner Arbeit war das möglich, so konnte ich abpumpen. Ich habe aber auch oft während des Autofahrens abgepumpt. Seit einem Jahr habe ich auch die Möglichkeit Homeoffice zu machen, das mache ich dann einmal pro Woche. Freitag nachmittags habe ich frei, die Zeit nutze ich um mit den Kindern an den Pool zu gehen, Kekse zu backen oder einfach nur zu spielen.

Unter der Woche ist unser Alltag denke ich, nicht sehr anders als in Deutschland. An den Wochenenden erledigen wir, was wir unter der Woche nicht schaffen, Frühstucken gehen, einkaufen, etc. Sonntags ist dann Familientag, wir fahren in den Park, auf den Spielplatz oder treffen uns mit Freunden, die auch Kinder haben. So alle zwei Monate fahren wir auch mal an den Strand. Wenn ein verlängertes Wochenende ansteht fahren wir meistens ans Meer oder in den Wintermonaten auch mal in die Berge. Dort ist es dann angenehm kühl, so zwischen 19 und 25 Grad, eine schöne Abwechslung zu den sonst 25 bis 35 Grad!

Alle sind kinderfreundlich – und die Sonne strahlt

Am besten gefällt mir die liebenswerte und hilfsbereite Art der Menschen, ihre Freundlichkeit, gute Laune und natürlich das Wetter. Alle, wirklich alle sind hier sehr kinderfreundlich, ob im Restaurant, im Supermarkt, auf der Arbeit, in der Nachbarschaft, ganz egal wo, alle lieben Kinder, suchen den Kontakt, sprechen und lachen mit ihnen, fragen nach, sind besorgt. Ich habe wirklich noch nie böse Blicke oder Kommentare für ein schreiendes oder freches Kind bekommen (anders als z.B. im Flugzeug nach Deutschland oder im Café in Deutschland). Und natürlich die Nähe zu traumhaften Stränden ist toll, auch wenn wir momentan nicht so abenteuerlustig sind und eher zu nahegelegenen Stränden fahren (Karla ist jetzt ein Jahr alt). Trotzdem sind solche Kurzurlaube pure Entspannung und #IliveWhereYouVacation ist mein liebster hashtag ☺

Downsides

Etwas nervig finde ich, dass man wirklich sehr ans Auto gebunden ist – aus Sicherheitsgründen. Die Überfallrate ist hier sehr hoch, Niko war sogar schon dabei als ein Motorradfahrer das Handy seines Opas mit einer Waffe eingefordert hat.

Die staatliche Schulbildung ist sehr schlecht und Privatschulen kosten viel Geld (ca. zwei bis drei Monatslöhne in unserem Fall), sind aber die einzige Möglichkeit eine halbwegs anständige Bildung für die Kinder zu gewährleisten. Sehr schade finde ich auch, dass es kaum Bewusstsein für den Umweltschutz gibt. Der Müll wird häufig einfach auf die Straße oder in Flüsse geworfen und gelangt von da aus ins Meer. Die Müllhalden sind provisorisch, immer mal wieder wird der Müll einfach verbrannt. Inzwischen gibt es einige Initiativen, die versuchen Aufmerksamkeit und Awareness für dieses Thema zu generieren. Auch ich spreche mit Nachbarn, Freunden und Kollegen darüber um Alternativen aufzuzeigen. Auf meiner Arbeit und in den Schulen der Kinder habe ich da schon viel Veränderung erreicht.

Immer mal wieder überkommt uns der Wunsch nach Deutschland zu gehen, vor allem mit Hinblick auf die Bildung unserer Kinder und weil mir trotz skype und whatsapp meine Familie und Freunde fehlen. Und dann fahren wir an den Strand und dann ist der Wunsch wieder weg ☺.

Er könnt Daniela auf ihrem Instagram-Account daniindr folgen!