Den ganzen Tag zu Hause – wie ist es, jetzt alleinerziehend zu sein?

... und damit meine ich das, was Katharina mal als "so richtig, richtig alleinerziehend" beschrieben hat. Kein Partner weit und breit, kein Wechselmodell, keiner, der das Kind mal übernimmt. Vor welchen Herausforderungen Patchwork-Familien in diesen Tagen stehen, haben wir hier ja schon mal angesprochen. Aber wie ist es, wenn man wirklich ganz alleine mit Kind ist und ja eigentlich niemanden mehr sehen darf?

Katja Hentschel, die wir hier schon mal ausführlich vorgestellt haben, ist eine von denen, die so richtig, richtig alleinerziehend ist. Sie hat in ihren Insta-Stories schon früh über ihre Selbstisolation gesprochen und ist nun auch schon seit über vier Wochen mit ihrem Sohn Atlas zuhause. Und obwohl Katja die Situation ernst nimmt, finde ich, sie geht unheimlich toll damit um. Es ist nicht schlimm, wenn ihr nicht so positiv sein könnt, wie sie. Jeder begegnet solchen Krisen anders, einige werden produktiv, andere verzweifeln eher. Oder beides wechselt sich ab. Und trotzdem ist Katja, wie ich finde, dieser Tage ein schönes Vorbild. Ich habe ihr deshalb ein paar Fragen gestellt!

Liebe Katja, ihr habt schon recht früh mit der Isolation begonnen, sprich: Du hast das Virus von Anfang an ernst genommen. Warum war das so?

Ich kam Ende Februar aus Bali zurück, wo das nur ganz nebenbei ein Thema war, als etwas, das eben in China passierte. Ich war ganz überrascht, als ich nach Deutschland kam und die Nachrichten über das Virus auf einmal überall waren. Sehr schnell habe ich verfolgt, was in Italien passierte, und mir war klar, dass uns dasselbe bevorstehen würde. Ich bin sofort in den Problem-Solving-Mode übergegangen und habe versucht, mich bestgehend vorzubereiten. Was mir am meisten gefehlt hatte, waren eigentlich Erfahrungsberichte von infizierten Einzelpersonen, die sogar jetzt nur schwer zu finden sind. Ich nehme an, dass das Thema noch mit so viel Stigma behaftet ist, dass nur wenige sich trauen, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Das finde ich natürlich schade, weil es einen großen Graubereich in der Thematik hinterlässt. Zum einen bekam man aus Italien den Eindruck, dass es nur alte Menschen betrifft, und aus New York kommt jetzt auf einmal die News, dass 40% der Menschen auf der Intensivstation unter 44 sind. Da hat sich bei mir Einiges an Druck aufgebaut. Ich habe in der Woche vor der Ausgangsbeschränkung jeden Tag eingekauft (übrigens nur eine Packung Klopapier), habe mich mit einem Vorrat an Medizin versorgt und Atlas ab Freitag zu Hause behalten.

Du hast immer erzählt, dass du dir durch Babysitter und Kita recht viele Freiräume schaffst. Jetzt bist du den ganzen Tag mit Atlas – wie ist es?

Überraschenderweise läuft es richtig gut! Da wir nirgendwohin müssen, keine großen To-do’s haben und ich meine Arbeitszeit frei einteilen kann, gibt es keinen Anlass, sich aneinander zu reiben. Bislang gab es immer nur Tränen, wenn mal ich im Uno gewonnen hab und nicht er. Grundsätzlich geht es uns mit der Situation echt sehr gut und für Atlas sind es kleine Highlights, wie am Wochenende einen Kinoabend zu planen (mit Eis, Sushi und lange wach bleiben), bei gutem Wetter auf dem Balkon zu grillen oder jetzt noch öfter mit seinem Papa in New York zu skypen. Für mich nutze ich die Zeit für Dinge, die ich schon immer mal ausprobieren wollte und habe dementsprechend meinen ersten Sauerteig gestartet, meinen ersten Apple Pie gebacken, fermentieren gelernt – ganz dem Klischee entsprechend also.

Habt ihr einen Tagesplan oder lebt ihr in den Tag? Und was macht ihr so?

Wie so viele habe ich am ersten Tag ohne Kita einen Plan erstellt für die “Zuhausekita”, den Atlas mit großem Enthusiasmus für sich aufgenommen hat. Danach gibt es um 9 Frühstück, gefolgt von Meditation oder Sport, digitalem Morgenkreis mit den Kitakindern, Basteln oder Backen, Vorschule, Mittagessen, Hörspiel oder iPad und Rausgehen. Jetzt, über vier Wochen später, machen wir all diese Dinge immer noch, aber nicht mehr nach irgendeinem Plan. Wenn ich mal keine Energie habe, finde ich es okay, wenn wir auch mal den ganzen Tag vor der Glotze hängen. Ich denke, das muss in Zeiten wie diesen einfach drin sein.

Manche Alleinerziehende suchen sich Freunde, mit denen sie in dieser Zeit eine „Familie“ bilden. Hast du sowas auch?

Ich hätte es gern getan, aber die Freundinnen, die in Frage kommen, hatten alle schon anderweitig vorgesorgt mit Aupairs oder zu den Eltern umziehen, etc. Halb so wild, denn wir kommen echt gut klar. Wer kleinere Kinder hat, für den macht so etwas aber wirklich total Sinn, denn ein Kind unter drei den ganzen Tag bei Laune zu halten ist knochenharte Arbeit, wenn man nicht mal richtig raus kann.

Wie sieht es bei dir arbeitstechnisch aus? Wann arbeitest du? Sind dir Aufträge weggebrochen?

Mein Haupteinkommen besteht aus Social Media Consulting Gigs und die bestehen weiterhin, und florieren sogar! Mein Nebeneinkommen als Fotografin ist natürlich erst einmal weggebrochen, aber das fällt nicht enorm ins Gewicht.

Die Krise trifft viele Alleinerziehende hart. Bekommst du das mit? Hast du auch Existenzängste?

Ich muss sagen, dass die Alleinerziehenden in meinem Bekanntenkreis fast durch die Bank gut aufgestellt sind, eventuell auch, weil man automatisch nach flexiblen Jobmodellen sucht, wenn man öfter mal zu Hause bleiben muss, aufgrund der Kinder. Da das Internet jetzt prominenter denn je ist, und ich seit 12 Jahren nichts Anderes mache, bin auch ich in einer wirklich guten Position. Dafür bin ich gerade jetzt extrem dankbar. Denn ich weiß natürlich, dass diese Krise viele Menschen wirtschaftlich hart trifft und selbstverständlich sind Alleinerziehende jetzt mehr denn je wirklich armutsgefährdet. Es gibt viele, die sich in Kurzarbeit nicht über Wasser halten können und die jetzt schon Hilfe beantragen mussten. Wer außerdem keine Kinderbetreuung mehr hat und starre acht Stunden arbeiten muss – das ist eigentlich nicht machbar. Alleinerziehende sollten unter bestimmten Kriterien auch Notbetreuung bekommen, und generell sollte es mehr Unterstützung geben. Das ist aber auch ohne Krise so.

Du hast auch Angst davor, dich zu infizieren und dann alleine mit Atlas zu sein, wie gehst du damit um?

Ja, ich habe schon Angst, da ich mittlerweile einige Frauen und Mütter persönlich kenne, die es ziemlich bitter getroffen hat. Da ich sehr offen mit dem Thema in meinen Instagram-Stories umgehe, schreiben mir auch immer wieder Leute, die selbst betroffen waren und viele waren echt sehr krank. Ich hatte seit meiner Kindheit kein Fieber und kann mir kaum vorstellen, wie es sein muss, wochenlang 40 Grad Fieber zu haben und nebenbei noch Mutter sein zu müssen. Ich bereite Atlas aktuell sanft darauf vor, dass er mich ganz viel schlafen lassen müsste, sollte ich ernsthaft krank werden. Ich versuche das natürlich hübsch zu verpacken in: Alle Freiheiten, All-Day-iPad und so. Ich habe mir eine große Apotheke zugelegt und sowas wie Bentoboxen besorgt, in die ich gegebenenfalls Essen für Atlas portionieren könnte, was er sich selbst aus dem Kühlschrank holen könnte. Auch Einweghandschuhe und Mundschutz habe ich besorgt, was ich notfalls einer Freundin vor die Tür legen könnte, die reinkommt um nach uns zu sehen oder Essen vorbeizubringen.

Hast du Tipps, wie man sich um sich selbst kümmert trotz 24h mit Kind?

Jeden Abend ein Glas Sekt! Spaß beiseite, mir hilft es wirklich, mir selbst kleine Erfolgserlebnisse in meinen Tag zu bauen, wie eben Brot backen, fermentieren, etc. Wenn so etwas zum ersten Mal klappt, ist das schon ein nettes High. Außerdem telefoniere ich eigentlich täglich mit Freunden und habe zwei Zoom-Gruppen, mit denen ich immer wieder quatsche. Das Gute an all dem ist ja, dass man keine FOMO haben muss, weil ja niemand irgendwas Spannendes erlebt. Ich glaube, das Allerwichtigste ist es, diese Sache als Chance zu sehen und nicht als Strafe. Endlich den Blog starten, eine neue Karriere planen, Programmieren lernen, mit Homeworkouts anfangen, was auch immer. Aber auch ganz wichtig: Man darf nicht zu hart zu sich sein, wenn man eben nichts auf die Kette bekommt, oder das Kind mal den ganzen Tag nur ferngesehen hat. Es wird definitiv nicht verblöden und du bist deswegen auch keine schlechte Mutter. Das Stigma um Screentime herum ist in Zeiten wie diesen wirklich erdrückend.

Worauf freust du dich am meisten wenn das alles überstanden ist?

Das Fitnessstudio! Ich habe mich Kuchen und Pasta völlig hingegeben und Sport eigentlich komplett eingestellt. Sobald das hier vorbei ist, bin ich wieder am Start und auch gern!

Danke Katja – und alles Gute!!

 

Fotos: Katja Hentschel