Wie regeln Patchworkfamilien den Umgang in der Corona-Krise?

Patchwork heißt ja eigentlich Flickwerk. Das vergisst man heute, wo der Begriff so allgegenwärtig ist und meist Familienkonstellationen und keine Decken beschreibt, gerne mal. Vielen Eltern, die getrennt leben und die Kinder abwechselnd betreuen, dürfte die Ausbreitung des Corona-Virus erneut vor Augen führen, wie zusammengeflickt das Leben im Patchwork-Alltag ist. Denn es stellt sie teilweise vor große Herausforderungen.

Puh, doch keine Ausgangssperre! Am Sonntag gab Kanzlerin Angela Merkel die neuen Richtlinien zum Umgang mit dem Coronavirus bekannt, es gilt ein Kontaktverbot, keine absolute Ausgangssperre. Minderjährige zu begleiten und das Sorgerecht wahrzunehmen ist weiterhin erlaubt, Kinder können dem jeweils anderen Elternteil übergeben werden.

Doch auch so sehen sich jetzt viele Patchworkfamilien mit Fragen konfrontiert, die sie sich bis vor kurzem nie gestellt haben. Wie den Umgang regeln, wenn das Kind im Wechselmodell mal bei Papa, mal bei Mama ist, selbst wenn keiner in der Familie Kontakt zu bestätigten Infizierten oder Rückkehrern aus Risikogebiten hatte? Wie vorsichtig ist vorsichtig genug? Was tun, wenn der Umgang aufgrund von Quarantäne nicht stattfinden kann? Oder man den Verdacht hat, ein Elternteil würde diese missbrauchen, um den Umgang zu verhindern? Mal abgesehen von den juristischen Aspekten: Wie gut Absprachen gelingen, hängt natürlich wie immer auch stark davon ab, in welchem Verhältnis beide Elternteile zueinander stehen. Jetzt, wo bei vielen die Nerven ohnehin blankliegen, ist das nicht ganz einfach. Nicht zu wissen, was kommt – die Corona-Krise ist für uns alle, aber besonders für Patchworkfamilien eine unfreiwillige Übung in Sachen Zen. Auf einmal leben wir nur noch im Hier und Jetzt.

Wie viele von euch wissen, lebt Maries großer Sohn im Wechselmodell und pendelt wochenweise zwischen Mama und Papa hin und her. Die beiden machen das immer noch so – auch in Zeiten von Corona – weil vertraute Strukturen beizubehalten besonders jetzt wichtig ist. Solange keiner krank ist oder Kontakt zu Kranken hatte, wird das auch weiter so laufen. “Aber mir fällt es wahnsinnig schwer, gerade ohne meinen Sohn zu sein. Besonders in Zeiten wie diesen will man seine Liebsten ja immer bei sich haben”, sagt Marie.

Wie regeln das unsere Leser*innen? 

Wir haben die Frage auch an unsere Leser*innen gerichtet: Wie regelt ihr Quarantäne? Praktiziert ihr weiterhin das Wechselmodell? 53 Prozent von euch sagten: Nein, 47 Prozent hingegen haben ihr Betreuungsmodell schon umgestellt. Das zeigt vielleicht ganz gut, wie gespalten Eltern gerade sind und wie hier jeder für sich ganz andere, individuelle Lösungen findet.

Unsere Leserin Luisa schrieb uns zum Beispiel: “Wir haben in dem Sinn keinen Masterplan, sondern reagieren auf die aktuelle Situation und haben uns seit Freitag in Eigenquarantäne begeben. Die Kinder (4, 11 und 16) wechseln normalerweise im Wochenrhythmus, nun haben wir uns darauf geeinigt, sie jeweils zwei Wochen in einem Haushalt zu lassen, um so wenig Austausch wie möglich zu provozieren. Es gibt überhaupt keine Besuche zur Zeit und einkaufen geht immer nur einer von uns. Tagsüber gestalten wir einen Mix aus Schule, Sport oder Spazieren, Kochen und Netflix, und ich muss sagen, nach einer Woche habe ich noch nicht das Gefühl,dass uns die Decke auf den Kopf fällt.”

Leserin Nina, 38, lebt seit dreieinhalb Jahren in Trennung von ihrem Mann. Sie ist in leitender Funktion in der IT-Branche tätig, arbeitet 37,5 Stunden pro Woche, hat zwei Kinder im Alter von 7 und 5 Jahren – und die sind derzeit mit ihrem Vater in Quarantäne. Nina hat uns ihre Patchworksituation und die spezielle Lage, in der sich ihre Familie aufgrund von Corona befindet, kurz geschildert.

Kinder und Mann in Quarantäne, Mama alleine zuhause

“Mein Ex-Mann und ich teilen uns normalerweise die Betreuung genau hälftig auf, er hat die Kinder montags und dienstags, ich mittwochs und donnerstags und an den Wochenenden wechseln wir uns ab. Am Anfang hatten wir alle keine Ahnung, keine Vorlage, und haben ein Jahr gebraucht, bis sich alles eingegrooved hatte. Aber seit zwei Jahren läuft es total gut und wir essen entweder freitags oder sonntags sogar zusammen und tauschen uns aus. Die Kinder pochen auch immer ziemlich strikt auf die Einhaltung der festen Tage. Seit vergangenem Jahr wechseln wir aber manchmal auch, wenn es einfach so besser passt. Jetzt waren mein Mann und die Kinder so richtig, richtig krank – mit Husten und Fieber. Wir wissen nicht, was es ist, können aber nicht ausschließen, dass es Kontakt zu Personen aus Risikogebieten gab. Mein Mann und die Kinder haben durch Kirchenbesuche Kontakte, die nicht nachvollziehbar sind. Wir haben lange darüber gesprochen und uns für die Variante “gar kein Risiko” entschieden. Seit Sonntag habe ich meine Kinder jetzt nicht gesehen.

Wir telefonieren acht Mal am Tag und sie wollen danach auch längere Zeit bei mir sein – aber ich bin jetzt im Home Office und die Schulen und Kitas haben ja zu, deswegen musste ich schon andeuten, dass das nicht möglich sein wird. Da mein Ex-Mann es sich leichter einrichten kann als ich, zuhause zu sein, waren sie oft bei ihm, wenn sie krank waren. Ich weiß, dass er sich super kümmert. Mittlerweile sind sie auch wieder gesund. Das setzt mir nicht so sehr zu wie die Tatsache, dass alles, was gerade passiert und was wir tagtäglich verarbeiten müssen total unwirklich ist. Aber dass ich nicht genau weiß, wann ich sie wieder sehe, belastet mich sehr. Am Sonntag können sie vielleicht getestet werden und dann können wir unser Leben eventuell etwas weiterplanen. Diese Ungewissheit macht mir zu schaffen.”

Danke an Luisa und Nina für das Teilen ihrer Erfahrungen!

Ein Blick nach Österreich

In Österreich, wo derzeit eine Ausgangssperre gilt, sieht man sehr gut, wie komplex das Thema Umgang in Zeiten der Pandemie dann noch einmal wird. Dort gab das Justizministerium am Donnerstag erst Folgendes bekannt: “Kinder, deren Eltern nicht zusammenwohnen, müssen im Haushalt des betreuenden Elternteils bleiben und dürfen den zweiten Elternteil weder besuchen noch von diesem besucht werden.” Uff. Der Kontakt sollte stattdessen per Telefon oder Videochat stattfinden. Viele Eltern waren der Meinung, diese strikte Regelung schieße über das Ziel hinaus. Das Ministerium verkündete dann wenige Stunden später:  Es soll eine spezielle Ausnahmeregelung für diese Familien geben, ab dieser Woche wird dazu beraten. Wie genau diese aussehen sollen? Um mal einen Allgemeinposten zu bemühen: Die Lage bleibt dynamisch.