Let’s talk about: Und dann fallen auch noch die Haare aus…

„Ich weiß, ihr habt schon mal einen kleinen Artikel zu dem Thema gemacht. Aber ich finde, es sollte noch mal größer besprochen werden. Ich hätte gerne gewusst, wie schlimm das sein kann mit dem Haarausfall – und gemeinsam meckern hilft ja bekanntlich auch.“ Das schrieb uns Louisa! Und da es bei uns schon eine Weile her ist mit dem Haarausfall, haben wir sie gebeten, ihren kleinen Rant selbst zu tippen. Und ja, sie hat Recht. Auch wir sind immer noch ein bisschen beleidigt darüber, was die Schwangerschaften mit unseren Haaren gemacht haben… Geht es euch auch so?

Ich war auf Vieles vorbereitet. Wirklich auf Vieles. Ich wusste, dass ich in der Schwangerschaft viel zunehmen würde. Ich wusste, dass Streifen entstehen könnten, dass es lange dauern würde, bis der Körper nicht mehr weich und massig ist. Ich wusste, dass ich mich anders fühlen würde, dass ich launisch sein könnte, sogar eventuell depressiv. Ich wusste von den Stillhormonen, von den Schmerzen während und nach der Geburt und beim Stillen. Ich wusste, glaube ich, das Meiste. Ich wollte es in Kauf nehmen, für mein Kind. Und habe das auch nie bereut. Überhaupt habe ich nie auch nur einen Tag etwas bereut. Aber es gibt etwas, das ich nicht wusste und das mich kalt erwischt hat. Das mich noch heute, zwei Jahre nach der Geburt belastet: Das mit den Haaren.

Es begann etwa ein halbes Jahr nach der Geburt, ich stillte noch voll. Die Haarbürste war eines Tages voller Haare. In der Dusche sammelten sie sich. Das ging dann täglich so. Wenn ich mir durch die Haare fuhr, hatte ich einen Büschel Haare in der Hand. Ich erschrak, fand das richtig schockierend. Googelte. Hormone also. Ich lief verzweifelt zu meiner Frauenärztin, die lachte mich fast aus. „Das ist ganz normal,“ sagte sie. „Da kann man nichts machen.“

Ich hatte ohnehin nie “tolle Haare”. Sie sind dunkelblond, oder, wie meine Mutter sagt, “straßenköterblond”. Nicht besonders dick, nicht voluminös, gerade und ohne Struktur. Aber ich fand meine Haare okay. Sie waren gesund, mir standen Pferdeschwänze und Dutt-Frisuren, ich konnte sie sogar flechten. In der Schwangerschaft waren sie natürlich dicker als vorher, wirkten gepflegter und glänzender. Ich kannte das von der Pille und nahm es als angenehme “Ausgleichszahlung” für die ansonsten sehr beschwerliche Schwangerschaft.

Zwei Jahre später…

Jetzt, zwei Jahre später, sieht mein Kopf immer noch nicht aus, wie vorher und ich denke, das wird er auch nie wieder tun. Ich hatte zwischendrin richtige Geheimratsecken, die Haare fielen ja auch über Monate büschelweise aus, ich habe definitiv viel mehr Haare verloren, als ich in der Schwangerschaft gewonnen hatte. Diese Geheimratsecken sind bis heute nicht ganz weg. Es hat sich lediglich ein Flaum “Babyhaare” darüber gelegt. Am Rest des Kopfes sind natürlich auch Haare nachgewachsen, die standen dann ab, fügten sich nicht ins Ganze ein. Ich habe zwischendrin gescherzt, dass ich einen “Wischmopp” auf dem Kopf habe, denn so sah es aus. Ich konnte keinen Pferdeschwanz tragen und bis heute mache ich das auch ungern, weil diese Geheimratsecken und die vielen kürzeren Haare einfach nicht gut aussehen. Ich überlegte wirklich, mir eine Glatze zu scheren und danach zu hoffen, dass die Haare besser nachwachsen. Aber am Ende war ich nicht mutig genug. Nicht mal für einen Kurzhaarschnitt war ich mutig genug.

Jetzt kann man argumentieren, dass das dumm ist von mir, dass ich mich so über Haare und Aussehen definiere und dass das so wichtig für mich ist. Ich höre die bösen (weiblichen) Stimmen: „Ist doch nicht so wichtig, immerhin hast du einen MENSCHEN erschaffen!“ Ja, aber mir gelingt das eben nicht. Es sitzt zu tief, dass eine Frau attraktiv zu sein hat. Dass sie sonst weniger wert ist. Dass sie nicht “nachlässig” sein darf. Ich komme nicht raus aus dieser Prägung. Ich bewerte mich danach. Und Haare sind nun mal ein großer Teil davon. Attraktive Frauen haben viele Haare, lange Haare, dicke Haare, gesunde Haare. Ich habe das jetzt schon seit Jahren nicht mehr. Und es belastet mich. Wirklich psychisch. Ich fühle mich unattraktiv und wertlos, ich mag meinen Kopf nicht mehr, trage oft Caps und Hüte, um ihn zu verstecken. Mein Friseur sah mich anfangs mitleidig an, mittlerweile fällt es ihm nicht mehr auf – und man sieht es ja auch nicht mehr, nur ICH sehe es, weil meine Haare eben einfach anders sind, als vor der Schwangerschaft. NOCH weniger schön.

Es ist belastend.

Haarausfall IST psychisch belastend. Das ist für alle Menschen so. Bei vielen ist er eine psychische Reaktion. Meine Großmutter hatte Krebs und auch wenn ich meinen Haarausfall natürlich nicht mit dem nach einer Chemotherapie vergleichen will, weiß ich, dass sie dieser damals mit am meisten belastet hat. Und dass ich das nachvollziehen kann. Denn es IST schlimm, wenn die Haare ausfallen. Es IST belastend. Es belastet mich bis heute. Und ich werde nie die abfällige Reaktion meiner Gynäkologin vergessen. „Haha, das ist eben so.“ Danke für nichts. Ich finde es schlimm, dass Frauen nicht geholfen wird. Wenn es keine Möglichkeit gibt, den Haarausfall zu stoppen (es gibt, glaube ich, wirklich keine, ich habe gegoogelt ohne Ende), dann wäre es wenigstens schön, wenn man ernst genommen würde, mit seinen Sorgen. Ich war verzweifelt, schockiert, ich denke, man hat mir das angemerkt. Ich fühlte mich so wenig ernst genommen. Zusätzlich zu allem anderen, was frau nach der Geburt eines Kindes durchmachen muss, finde ich diesen Haarausfall wirklich die Kirsche auf der Torte. Es ist alles SO schwer und SO neu – und dann fallen auch noch die Haare aus.

Ich weiß nicht, ob dieser Artikel jemandem weiterhilft, aber ich musste meinem Unmut mal Luft machen. Man liest so viel über Post-Partum, so viele gute und wichtige Informationen sind da draußen zu finden. Und ich denke, wir sollten auch mehr über Haarausfall sprechen. Denn er ist für viele Frauen Realität. Und er ist schrecklich.

Danke, Louisa!