Unsere 50/50 Serie – und was sie bei mir ausgelöst hat

Ich liebe es, zu erfahren, wie andere Familien ihr Leben organisieren - wie sie ticken, was sie umtreibt, wie sie alles auf die Reihe bekommen, was sie für Tricks haben. Das war ein Hauptgrund, warum ich diese Seite und die Porträt-Reihe machen wollte: Mäuschen spielen, fragen, sich inspirieren lassen. All das. Vor einigen Monaten dachte ich: Ich frage mal Paare, die 50/50 machen, wie die sich so organisieren. Fragen wie: Wie teilt ihr eure Arbeitstage auf? Wie die Finanzen? Wie den Haushalt? geisterten mir im Kopf herum.

Der Hintergrund ist natürlich mein eigenes Interesse gewesen. Mein Freund und ich machen nämlich (wieder, nach der Geburt von Quinn hatten wir eine Zeit lang ein anderes System), selbst 50/50 zuhause und es ist ein einziges Herum-Organisiere, weil unser Alltag so flexibel ist. Ich fragte mich also: Welche Kalender nutzen die Paare? Gibt es Apps? Ich wollte aber auch inspirieren, Schwangere zum Beispiel ermutigen, 50/50 zu probieren. Ich wollte zeigen, dass es möglich ist, aber eben selten von selbst passiert.

Was bedeutet 50/50 für mich? Na, dass man alles teilt. Die Finanzen, die Kinderbetreuung, den Haushalt, die Organisation drum herum. Mitten in meinen Recherche-Prozess platzte das große Thema Mental Load, das ich dann natürlich auch noch mal abgefragt habe.

Recherche-Prozess – unbefriedigend

Ich habe im Freundes- und Bekanntenkreis herumgefragt, wer 50/50 macht und wer Lust auf ein Interview hätte. Ich wollte bewusst keine oder wenige Selbstständige interviewen (davon gibt es in meiner Bubble viele), sondern am liebsten Leute in klassischen Angestellten-Verhältnissen. Einfach weil sich damit am Ende doch die meisten identifizieren können, bzw. weil sonst immer das Argument kommt: Ja, selbstständig geht das, aber in Festanstellung eben nicht.

Das Ergebnis war so was von ernüchternd. So sehr, dass ich die ganze 50/50 Serie erst mal auf Eis gelegt habe. Es gibt in meinem gesamten Dunstkreis – und der ist nicht klein – nur eine Hand voll Paare, die wirklich so richtig 50/50 machen. Die Frauen arbeiten fast immer in Teilzeit, die Männer Vollzeit-nah. Entsprechend verdienen fast alle Frauen wesentlich weniger. Die Männer übernehmen fast immer einen kleineren Teil der unbezahlten Arbeit.

Ich will hier niemandem vorschreiben, wie er zu leben hat. Nicht jeder muss 50/50 machen.

Aber es ist nun mal so: Frauen sind heute genauso gut ausgebildet wie Männer. Sie arbeiten auch viel häufiger als noch vor 20 Jahren. Aber wenn ein Kind ins Spiel kommt, ist es ganz schnell vorbei mit der Gleichberechtigung. Klar: Wir Frauen sind die, die schwanger sind. Wir sind die ersten Monate durch das Stillen so eng mit den Kindern verbunden. Wir sind einfach KÖRPERLICH so involviert, von Anfang an. Irgendwann fangen die meisten dennoch wieder an zu arbeiten, aber eben nicht Vollzeit. Das hat zur Folge, dass es karriere-technisch meistens nicht wirklich weiter geht, weil deutsche Arbeitgeber immer noch zu altmodisch sind, in Teilzeit Aufstiegschancen zu ermöglichen. Es hat auch weniger Gehalt zur Folge, und natürlich: weniger Rentenpunkte. Die meisten machen aber ja nicht Teilzeit, weil sie den Rest der Zeit schlafen wollen. Sie erledigen nebenbei den Haushalt und kümmern sich um die Kinder. Das ist unbezahlte Arbeit, die auch keine Rentenpunkte bringt.

Das sind einfach klare wirtschaftliche, finanzielle, karrieretechnische, zukunftswichtige Nachteile, die Frauen sich so erwirtschaften. Ich schreibe das mal total neutral runter, weil, so ist es einfach. Es ist ein Nachteil, und er ist durch nichts wieder aufzuholen. Ich weiß, was jetzt viele denken: aber ich will das so. Ich will keine 40 Stunden arbeiten. Ich will meine Kinder sehen. Mir geht es da genauso! Aber Gevatter Staat ist leider erbarmungslos. Und diese (oft – nicht immer) selbst gewählten Nachteile haben eben Folgen. Im Falle einer Trennung sitzen viele Frauen ohne alles da. Es gibt kein Gesetz mehr, das Frauen nach einer Trennung schützt. Das neue Unterhaltsgesetz wurde damals übrigens mit dem Argument durchgesetzt, dass beide Partner finanziell auf eigenen Beinen stehen sollen. Ist aber eben meistens nicht so. Bis heute. Dafür bräuchte es ganz andere Gesetze.

Ein Ausgleich ist nur gerecht!

Ich kann deshalb nur wiederholen, was ich hier schon mal aufgeschrieben habe: Wenn ihr weniger oder nicht arbeitet und dafür mehr Care-Arbeit macht: Lasst euch ausgleichen! Rechnet aus, wie viel Geld und Rente euch flöten geht – und knappt das dann vom Gehalt des Mannes oder aus der Familienkasse ab. Das ist der Lohn für die unbezahlte Arbeit, die Frauen machen und für die Zeit, in der die dazugehörigen Männer bezahlter Arbeit nachgehen können. Lasst euch diese Differenz auszahlen! Kein Mann will, dass seine Frau in Altersarmut endet, oder? Das ist also nicht unromantisch, sondern nur fair. Man kann das Geld zum Beispiel in einem Fonds anlegen, in einer Immobilie, die beiden gehört, oder in einer privaten Rentenversicherung.

So. Zurück zum Thema: 50/50! Ich habe am Ende einige Paare interviewt. Paare, die – wie ich finde, sehr gleichberechtigt leben. Paare, die ich inspirierend finde und wo ich mich frage: Wie bekommen die das hin? Nicht alle machen zu 100% 50/50, aber sie haben zumindest das Gefühl, dass es ziemlich gleichberechtigt ist. Die wenigsten haben zwei Festanstellungen, dennoch. Es gibt schon einige!

Das Private ist politisch!

Aber die Tatsache, dass es doch immer noch ganz schön wenige gibt – anscheinend – hat mich so traurig gemacht. Weil das Private eben doch politisch ist. Und weil ich denke, wir können noch so viel von Gleichberechtigung sprechen: wenn wir es nicht mal zuhause, in der Familie, auf Mikro-Ebene schaffen, wie soll es dann im Großen jemals wirklich gleichberechtigt zugehen?

Und ja, es sind eher die Selbstständigen, die es wirklich und ganz ehrlich hinbekommen. Die Männer, die mich anrufen, um Playdates auszumachen, die Geburtstage organisieren, die abends am Herd stehen, deren Frauen ich oft abends treffe, weil der Mann selbstverständlich die Kinder alleine ins Bett bringen kann. Das sind eigentlich immer nicht die, die in einer festen Anstellung arbeiten. Auch die Familien, in denen die Frauen mehr verdienen und die Männer sogar mehr Care-Arbeit machen – sind meistens selbstständig. Ist das nicht ein Armutszeugnis für die Arbeitswelt?

Die meisten bestätigten mir das: die Strukturen sind schuld. Ehegattensplitting, verständnislose Chefs, Branchen, in denen „noch nie ein Mann Elternzeit genommen hat“. Gibt’s alles immer noch. Was ich daran nicht verstehe: Männer wollen es doch auch!! Die meisten wollen es anders. Wollen mehr Zeit mit der Familie, rackern sich ab, schlafen wenig, damit sie was von ihren Kindern haben und nicht das Gefühl haben, dass die Frau alles macht. Warum gehen die Männer nicht mal auf die Barrikaden?? Wenn in jedem Unternehmen nur eine Hand voll Männer sagen würde: Ich mache das jetzt. Ich nehme mir zwei Nachmittage frei. Ich nehme sieben Monate Elternzeit. Dann würde doch innerhalb kürzester Zeit alles anders werden. Männer, Väter! Warum kämpft ihr nicht mehr?

Unter Zwang scheint es besser zu klappen…

Naja und – diese Feststellung schmerzt mich besonders – bei getrennten Paaren klappt 50/50 auch oft gut. Nicht bei allen, ich kenne auch Paare, bei denen das Wechselmodell vor allem zu Konflikten führt, die darunter leiden und es zum Teufel wünschen. Aber eben auch viele, bei denen es gut klappt. Und auch mehrere Frauen, die mir erzählen: „Früher hat der Vater keinen Finger gekrümmt. Das war auch einer der Trennungsgründe. Seit er muss, weil er das Kind genauso viel sehen will, und eben auch alleine ist – klappt es super.“  Was sagt uns das? Warum klappt es außerhalb der Beziehung gefühlt besser als in der Beziehung?

Vielleicht weil zu wenig darüber gesprochen wird, in der Beziehung (hier kommt sicher wieder das Argument: unromantisch)? Weil das Thema zu Streit führt? Ich weiß es nicht.

Denn was spricht gegen 50/50?

In der Theorie NICHTS. Die meisten von uns wollen gleichberechtigt sein, also könnten wir doch einfach gleichberechtig leben.

Okay, die Biologie spricht dagegen, das System auch. Dazu kommt noch unsere Prägung. Jede, die mal tief in sich hineinhorcht, hat eben doch das Bedürfnis, eine „super duper gute Mutter“ zu sein. Oft weil sie selbst eine Hausfrau als Mutter hatte. Vor allem im Westen ist das oft so… dieses Super Duper Sein geht mit Fähigkeiten im Haushalt einher, mit viel Zeit für die Kinder, und so weiter. Und lässt sich oft schwer mit 50/50 vereinbaren.

Ich habe mich dann entschieden, den Fragebogen selbst auszufüllen. Wir bekommen es nämlich auch ganz gut hin. Und ich arbeite fest! Mich quält an langen Arbeitstagen immer noch manchmal ein schlechtes Gewissen, ich vermisse die Kinder, wenn ich sie mehrere Tage hintereinander kaum sehe. Aber das wird besser. Und es ist wichtig. Für mich, auch für uns als Familie. Die Biologie hat mir natürlich auch ein Schnippchen geschlagen, nach Quinns Geburt wollte ich NUR Mama sein. Nichts anderes. Irgendwann war dieses Gefühl vorbei, aber ich sag‘s euch: Wenn man die Elternzeit nicht 50/50 teilt, hat man schlechte Karten, dass es danach gleichberechtigt weitergeht… Sogar bei uns ist das passiert! Wir haben dann 100x neu verhandelt. Jetzt sind wir wieder bei 50/50. Mein Partner bekommt alles wunderbar ohne mich gebacken und das ist ein tolles Gefühl.

50/50 ist machbar. In ganz vielen Konstellationen. Wie gesagt: Nächste Woche geht es mit den Interviews los, ihr dürft euch inspirieren lassen.

Und hier noch der obligatorische Aufruf: Wer von unseren Lesern lebt den  50/50?? Vielleicht sogar in Festanstellung? Schreibt mir bitte unbedingt!!