Wieso will ich eigentlich vor Anderen die „strenge Muddi“ sein?
Innerlich tue ich das immer noch, die Augen verdrehen, denn warum zum Teufel möchte ich vor anderen etwas sein, was so gar nicht meinem Naturell entspricht?
Von Geburt an haben mein Freund und ich eigentlich ziemlich intuitiv gehandelt. Ratgeber waren nicht so meins und irgendwie kam dann eh alles anders als geplant; Notkaiserschnitt statt natürlicher Geburt, Pre-Milch statt Stillen, Baby-Blues statt perfektem Familienfoto.
Go with the Flow
Wenn also eh alles Freestyle läuft, machen wir halt so weiter. Ohne Choreographie, einfach „go with the flow“. Das hat für uns wunderbar funktioniert und auch wenn ich hier und da rückwirkend denke: da hätte man vielleicht hier und da etwas anders machen können – haben wir glaube ich einen ziemlich guten Job gemacht. Kleiner Schulterklopfer. Im Großen und Ganzen habe ich mich oder mein Verhalten unserem Kind gegenüber also nie angezweifelt. Klingt ganz schön selbstbewusst, ich weiß. Überrascht mich auch selber auf eine Art, dass mir das „Mutter-sein“ so leicht von der Hand geht und ich mich in dieser Rolle sehr sicher fühle. Warum jetzt diese Selbstbeweihräucherung? Die muss leider kurz sein an dieser Stelle, sonst wird meine Diskrepanz, auf die ich in diesem Text hinaus will, nicht deutlich. Denn jetzt kommt’s…
Die Mutter die ich nie sein wollte
Zuhause ist das immer noch so. Ich spiele und spreche, erkläre und bin so, wie ich eben bin mit meinem Kind. Wenn ich mich aber mit anderen Müttern und unseren Kindern verabrede, tendiere ich plötzlich dazu, deutlich strenger mit meinen Sohn zu sein, als ich es in Wirklichkeit und wenn wir alleine sind, bin. Ist das nicht völlig bekloppt? Ich habe eine ganze Zeit gebraucht, um zu merken, was da eigentlich passiert und wieso ich mich ab und zu von der „Easypeasy-Mutter“ in die „Erhobene-Zeigefinger-Mutter“ verwandle. Es sind die typischen Situationen: wenn der Sohn mal wieder seinen Keks nicht teilen möchte, die anderen Kinder wegdrückt oder leicht ins Gesicht schlägt, weil ihm irgendwas nicht passt, oder wenn sie ihm, für sein Empfinden, zu nah auf die Pelle rücken. Situationen also, wo man begleitet, erklärt und ruhig bleibt. Zu Hause mache ich das wie ‘ne Große und völlig intuitiv, vor anderen Müttern packe ich den oben erwähnten Zeigefinger aus und falle unbeabsichtigt meinen Sohn in den Rücken, ermahne und schimpfe… Fühlt sich unnatürlich an. Unnatürlich doof, um genau zu sein. Vor allem, wenn man sich selber Sätze sagen hört, die man eigentlich lebenslang vermeiden wollte.
„Wird mein Kind ein kleines Arschloch werden?“
Anscheinend wird da irgendein Schalter in mir umgelegt, der vermeiden soll, dass ich doch bitte bloß nicht wie eine Mutter dastehe, die ihr Kind nicht unter Kontrolle hat. Schließlich lässt sich sein Verhalten doch auf meine Erziehung zurückführen, oder? Es gibt da diese eigene Unsicherheit, die mich plötzlich nicht mehr intuitiv handeln lässt. Dass ein 1,5-jähriges Kind das Konzept Teilen noch nicht verinnerlicht hat, ist mir natürlich klar. Und trotzdem kann ich es schwer ertragen, wenn er sich alle Kekse selber in den Mund stopft. Die Gedanken rattern: „Was, wenn man Kind völlig egoistisch ist und einfach ganz anders als ich? Wird er niemals teilen können und ein kleines Arschloch werden?“
Ist natürlich Bullshit, weiß ich selbst und auch die anderen, die mich kennen, wissen natürlich, dass wir nicht die Flodders sind und bleiben in solchen Situationen völlig tiefenentspannt. Den Druck mache ich mir selbst. Ich will nach außen hin unbewusst alles richtig machen – und schieße dabei ein richtig fettes Eigentor. Statt auch in solchen Situation einfach intuitiv die Mutter zu sein, die ich sein möchte, mache ich mir und meinen Play-Dates etwas vor. Ernst nehmen kann ich mich dabei selber nicht.
Gnädig sein – und lernen
Das Einzige, was mir hilft, ist gnädig zu sein mit mir selbst. Es ist mein erstes Kind und immerhin habe ich schon mal verstanden, dass mein Verhalten zumindest widersprüchlich ist. Jetzt arbeite ich gerade an mir selbst: so langsam geht es ja wieder los mit dem Spielplatz und ich versuche jetzt in Situationen, in denen ich mich selbst für das völlig normale Verhalten meines Kindes schäme, ruhig und zugewandt zu bleiben. Also so, wie ich zuhause wäre, wo ich vielleicht mal genervt bin, aber eben nicht vermeintlich anderen etwas beweisen muss.
Das klappt ganz gut, aber ich muss mich immer wieder überwinden. Und stelle fest: Ruhig und begleitend zu sein, easypeasy, lieb, verständnisvoll – selbst wenn das Kind sich nicht wie aus dem Bilderbuch benimmt.
Das ist viel schwieriger, als übertrieben streng zu sein!