Trust your Beckenboden! (nur nicht auf dem Trampolin)

Es muss Sommer gewesen sein, etwa zehn Monate nach der Geburt meines Sohnes, als ich auf einem Sommerfest auf dem Land plötzlich auf einem Trampolin stand. So ein richtig großes, mit einem Netz drum und um mich herum jede Menge Kinder. Ein mal gesprungen, zwei Mal noch ein bisschen höher, ups... Was war das denn gerade? Bevor ich verstand, was da gerade passiert war, sagt eine Freundin, die direkt daneben stand und meine Sprung-Versuche beobachtet hatte: „Mutig Daniela, dass du das schon wieder kannst!“ Es machte klick - jetzt hatte ich es gecheckt. Und nein, wie es aussah konnte ich NOCH NICHT wieder. Er hatte mich im Stich gelassen. Mein Beckenboden.

Das wird mir doch nicht passieren! Oder doch?

Man liest und hört ja so allerhand, was während der Schwangerschaft auf den Körper und speziell den Beckenboden so alles zukommen wird. Vieles davon hatte ich nach der Geburt aber irgendwie schnell wieder verdrängt. Vielleicht auch, weil ich letztendlich einen Kaiserschnitt hatte und fälschlicherweise der Meinung war, dass bestimmt alles top in Schuss sein müsste. Und wenn es dann doch eine undichte Stelle geben sollte, dann würde doch spätestens der Rückbildungskurs alles wieder richten, oder?

Jetzt, über zwei Jahre später, besteht meine Erinnerung an den Rückbildungskurs allerdings nur noch daraus, dass ich hauptsächlich damit beschäftigt war, mein damals zwei Monate altes Baby bei Laune zu halten. Die Übungen sind eindeutig zu kurz gekommen. Und somit auch, wie es scheint, mein Beckenboden. Denn neulich passierte es wieder, diesmal beim normalen Home-Workout… irgendwas mit Springen war es und das Ergebnis – ein feuchtes Höschen. Wie es aussieht ist es doch an der Zeit, noch mal was für den Beckenboden zu tun!

Das kleine Beckenboden Einmaleins

Kaum dass ich mein Vorhaben in die Tat umwandeln möchte, merke ich, dass ich eigentlich nicht so wahnsinnig viel über den Beckenboden im Allgemeinen weiß. Wahrscheinlich habe ich ihn überhaupt erst kennengelernt, als ich vor vielen Jahren mit Yoga angefangen habe. Dann gibt es nämlich kein Weg an ihm vorbei. Ich weiß also ungefähr, wo er sitzt und wie ich ihn anspannen kann, aber mehr auch nicht. Recherche musste her und zu meinem Glück stieß ich, dank Marie, auf den Podcast „Gyncast“ vom Tagesspiegel, da heisst eine der letzten Folgen doch tatsächlich „Der Beckenboden – Garant für starke Gefühle“. Thank god! Besser geht’s nicht, Kopfhörer rein, Podcast an und los gehts…

Hier also das Wichtigste zusammengefasst, falls ihr gerade keine Zeit habt für 51 Minuten pures Wissen. Wobei Gynäkologin Dr. Mandy Mangler zusammen mit den Redakteurinnen Ester Kogelboom und Julia Prosinger wirklich sehr zu empfehlen ist, mit ihrer frischen und direkten Art, über den weiblichen Körper zu sprechen. Ich höre schnell raus, dass der Beckenboden nicht nur zum Pinkeln unverzichtbar ist, sondern auch beim Sex bzw. den Orgasmen eine wichtige Rolle spielt. Außerdem hilft er beim Sachen heben, beim Sport, natürlich bei der Geburt und auch beim Niesen. Oder da halt eben nicht, wenn er nicht mehr ganz so gut in Schuss ist. Ganz schön wichtiger Muskel also, der ganz schön oft vernachlässigt wird, bzw. überhaupt erst schmerzlich vermisst wird, wenn er eben nicht mehr so funktioniert, wie er soll. Isabel hat hier schon mal über das Thema geschrieben und richtig festgestellt: Er ist ein lebenslanges Thema! Was kann man also tun, um seinen Beckenboden aktiv zu stärken? Wie ich erfahre: Einiges. Und vor allem hätte ich ihn schon präventiv trainieren können, lange vor der Schwangerschaft. Um so leichter hat man es dann nämlich mit ihm, auch nach der Geburt. Er wird nicht erst für Mütter zum Problem, sondern kann allgemein im schwachen Zustand bei Frauen (und auch bei Männern!) zu chronischen Rückenschmerzen führen. Außerdem zu Einschränkungen beim Sex. Also wenn das nicht Motivation genug ist…

Finger rein und los!

Tatsächlich bietet es sich an, sich zu Beginn mal eine Skizze eines Beckenbodens anzusehen, um genau zu verstehen, wie er aufgebaut ist und wo er sitzt. Um so einfacher ist es dann auch, ihn für die Übungen zu orten und zu trainieren. Ein zweiter Schritt wäre, zu testen, wie stark der eigene Beckenboden ist. Ganz besonders nach einer Geburt. Das Beckenboden-Zentrum Berlin empfiehlt für diesen Test die sogenannten Oxford-Skala, die folgendermaßen funktioniert: Man steckt sich einen Finger in die Vagina und zieht den Beckenboden anschließend zusammen. Dabei versucht man, den Finger wieder rauszuziehen. Wenn das kaum möglich ist, dann hat der Beckenboden besonders viel Kraft und man kann ihm im Alltag mehr als vertrauen. Spürt man nur einen sehr leichten Widerstand am Finger, dann sind dementsprechend die Muskeln nicht besonders aktiv. Perfekt also als Kontrolle, wenn man anfängt, den Beckenboden zu trainieren und so seine Erfolge messen möchte.

Eine Runde Kegeln bitte!

Kegeln ist sicher eine super Sportart, aber in dem Fall geht geht es um den amerikanischen Gynäkologen Arnold H. Kegel, der bereits in den 1940er Jahren seinen Patientinnen einfaches Beckenbodentraining ans Herz legte. Er stellte damals fest, dass viele Frauen nach der Geburt mit reizempfindlichen Blasen zu kämpfen hatte und suchte nach einer Methode die, wie damals üblich, nicht Medikamente oder Operation hieß. Danke Herr Kegel!
Seiner Meinung nach reicht es schon, wenn man die flache Hand zwischen das Schambein und den Anus legt und ganz tief ein- und aus atmet – sozusagen gegen die Hand atmet. Dadurch wird der Beckenboden schon bewusst bewegt. Diese Übung, 20 mal am Tag, mit Kraft ausgeführt, sorgt auf Dauer für ein trockenes Höschen. Wer noch mehr Übungen von dem guten Mann wissen möchte, findet im Netz genügend Anleitungen. Laut Podcast auch wichtig ist, sich beim Niesen und Husten eher lang zu machen und dabei über die Schulter weg zu drehen. Habe ich immer komplett falsch gemacht – klein machen, Beine zusammen drücken und Daumen drücken war mein Motto bisher. Wenn der Beckenboden aber wieder volle Leistung erreicht hat, kann man sich diese Angst zum Glück sparen.

Die Pandemie schlägt uns auf den Beckenboden!

Auch sehr spannend fand ich die Beobachtung, dass es seit der Pandemie wohl sehr viel mehr verkrampfte Beckenböden gibt als vorher. Das ganze Homeschooling, Organisieren und Sorgen machen, schlägt wohl nicht nur auf die Nerven, sondern auch auf den Beckenboden. Umso wichtiger also, ihm mal eine kleine Pause zu gönnen und sich zu entspannen. Mit lockeren Umkehrübungen. Das kann die Kerze auf dem Boden sein, oder im Bett liegend die Beine senkrecht an die Wand lehnen. Einfacher als Pfannkuchen essen also. Die Entspannung selber ist nämlich mindestens genau so wichtig, wie das Training selber – sagt Doktor Mandy Mangler.

Wenn die „einfachen“ Übungen nicht zu reichen scheinen, oder man sehr ambitioniert ist und Miss Beckenboden 2021 werden möchte, gibt es auch noch viele weitere Hilfsmittel, die zur Stärkung der Muskeln dienen. Zum Beispiel diverse Kugeln und Eier, die in die Scheide eingeführt werden und durch ihr Gewicht die Muskulatur stärken. Es gibt Gerätschaften, die über Strom funktionieren, andere funktionieren mit Apps – und vieles davon kann sogar nach der Geburt geliehen oder verschrieben werden. Es macht also wirklich Sinn, keine Scheu zu haben und den Frauenarzt/Frauenärztin um Aufklärung zu bieten. Ein gesunder Beckenboden sollte genau so liebevoll in shape gebracht werden, wie alle anderen Muskelregionen. Unser Date ist jetzt immer morgens und abends beim Zähneputzen. So vergesse ich es garantiert nicht mehr.

Vielleicht probiere ich es im Sommer dann noch mal, das mit dem Trampolin springen.