Wie sicher ist unsere Rente?
Lieber Peter, die gesetzliche Rente hat nicht gerade einen guten Ruf. Wie sicher ist sie denn nun wirklich? Und wie wird sich das Beitragsniveau in den nächsten Jahren entwickeln?
Ich würde nicht unbedingt sagen, dass die gesetzliche Rente einen schlechten Ruf hat. Die Erfahrungen der letzten acht Jahre haben nur gezeigt, dass in die gesetzliche Rente massiv durch den Gesetzgeber eingegriffen wurde. Wenn dieser sich im gefühlten Minutentakt etwas Neues einfallen lässt, dann kommen die Mitarbeiter*innen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) einfach irgendwann nicht mehr hinterher. Dazu kommt, dass die öffentlichen Verwaltungen immer älter werden. Angestellte gehen in den Ruhestand und es gibt keinen Ersatz mehr. Arbeit bleibt liegen, die Dauer der Bearbeitung von Rentenanträgen hat sich deutlich verlängert und die Beratungsleistung – wenn die überhaupt noch stattfindet wegen Corona – hat sich auch verschlechtert. Dazu die Auswirkungen der Grundrente. In vielen Telefonaten, die wir mit Mitarbeiter*innen der DRV geführt haben, wurde uns von einem gefühlten Chaos, berichtet. Auch von Ohnmacht wegen der ständig neuen Gesetzesänderungen, von Druck der von oben kommt, von viel zu wenigen Arbeitskräften und von einer schlechten Bezahlung.
Doch trotz aller Widrigkeiten kann ich aus meiner Beobachtung sagen, dass viele Menschen froh darüber sind, dass es die gesetzliche Rente gibt. Sie wird pünktlich ausbezahlt, sie ist im Zahlbetrag sicher und wirft sogar Rentensteigerungen aus. Wenn man da im Vergleich private Geldanlagen oder Betriebsrentensysteme sieht, die in Schieflage geraten sind, würde ich sogar sagen, die gesetzliche Rente ist alternativlos. Wer auf die Rendite schaut und einen sicheren Hafen sucht, ist bei der gesetzlichen Rente aktuell genau richtig. Laut eigenen Prognosen der DRV wird es auch in den nächsten Jahren zwei bis drei Prozent Rendite auf Beitragsleistungen in die Rentenkasse geben.
Das klingt doch gar nicht so schlecht. Dennoch: In ein paar Jahren wird es deutlich mehr Rentner geben als heute. Wie wird die Politik und die DRV darauf reagieren?
Tatsächlich weiß aus meiner Sicht in Deutschland niemand, wie es mit der gesetzlichen Rente ab 2025 weitergeht. Auf die drängenden Fragen in Sachen Altersdemografie hat die Politik bisher keine Antworten gefunden. Wir werden immer mehr Rentner*innen bekommen und haben im Verhältnis dann zu wenig Beitragszahler. Die Regelaltersgrenze kann der Gesetzgeber jedoch nicht endlos hoch drehen, also von aktuell 67 auf 70 oder noch älter. Die gesetzliche Rente muss demnach zwingend neugestaltet werden. Wir brauchen eine einheitliche gesetzliche Rentenversicherung, in die ausnahmslos alle Bürger*innen einzahlen. Bei Beamten wäre eine Übergangsphase aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.
Die monatliche Rente muss anderes berechnet werden. Für Frauen müssen endlich Bedingungen geschaffen werden, dass sie neben der Care-Arbeit auch arbeiten und gutes Geld verdienen können. Nur gute Löhne und Gehälter sichern auch auskömmliche Renten im Alter. Bei einem Mindestlohn von 12 Euro bekommt man in 45 Jahren Erwerbsarbeit eine Altersrente im Hartz IV-Bereich. Das geht nicht.
Im Jahr 2025 sollen es sage und schreibe über 122 Milliarden sein, die der Steuerzahler in die Rentenkasse zusätzlich einzahlen muss, um dass ganze System zu finanzieren. Dass es so nicht weiter gehen kann, liegt auf der Hand. Wenn der Gesetzgeber nichts macht, werden die Rentenversicherungsbeiträge nach der gesetzlichen Logik steigen, damit Einnahmeausfälle kompensiert werden.
Und ab 2040 müssen wir unsere Rente zu 100 Prozent versteuern. Was bedeutet das konkret?
Seit 2005 gibt es die sogenannte nachgelagerte Versteuerung von Renteneinkünften. Das bedeutet, dass die Altersrente mit Beginn nach 2005 mit einem bestimmten Prozentsatz steuerfrei waren. Ab 2005 waren es noch 50 Prozent. Bis 2040 sinkt dieser steuerfreie Rentenanteil auf 0 Prozent. Dann unterliegen 100 Prozent der gesamten Renteneinkünfte der Besteuerung. Für die Bestimmung des steuerfreien Anteils an der Rente kommt es also nur darauf an, wann die Rente in der Zeit von 2005 bis 2040 begonnen hat. Wenn die Rente 2021 beginnt, beträgt der steuerfreie Anteil an der Jahresrente 19 Prozent. Beginnt die Rente im Jahr 2040 sind es 100 Prozent.
Die Rente wird ja nach Entgeltpunkten berechnet. Könntest du dieses Prinzip mal genau erklären?
Ganz grob ist das so zu verstehen: Der oder die Versicherte erhält ein bestimmtes Jahreseinkommen – sagen wir mal, für 2021 sind es genau 41.541 Euro. Dieser Betrag wird durch das Durchschnittseinkommen, das für 2021 gilt, geteilt. Dies sind nach der Anlage 1 zum SGB VI genau 41.541 Euro. Im Ergebnis erhält unser/e Versicherte/r genau 1,0000 Entgeltpunkte. Der Entgeltpunkt muss mit vier Stellen hinter dem Komma ausgewiesen werden. In diesem Fall erhält der oder die Versicherte für 1,0 Entgeltpunkte lebenslang (Stand 2021) – mit Wohnsitz im Westdeutschland – eine Bruttorente von 34,19 Euro pro Monat. Vorausgesetzt, der/die Versicherte kann mindestens 60 Kalendermonate an Beitragszeiten nachweisen. Nur dann hat er/sie einen Rentenanspruch auf die Regelaltersrente.
Was genau ist die Mütterrente? Und wie funktioniert sie?
Die Mütterrente ist nichts anderes als ein politischer Begriff. Er umschreibt ganz einfach die Tatsache, dass es für Mütter, die vor 1992 Kinder geboren und erzogen haben, eine Aufwertung der eigenen Rente durch Extra Entgeltpunkte und weitere Wartezeiten für die Rente gibt. Wir unterscheiden dabei die Mütterrente 1 und 2. Die Mütterrente 1 ist am 01.07.2014 unter der damaligen Ministerin Nahles in Kraft getreten. Mütter, die vor 1992 Kinder geboren und erzogen haben, haben damit weitere 12 Kalendermonate Kindererziehungszeiten anerkannt bekommen. Was rechnerisch einen Entgeltpunkt ausmacht, also umgerechnet pro Monat 34,19 Euro mehr Rente. Bei der Mütterrente 2, die ab dem 01.01.2019 in Kraft getreten ist, wurden zusätzlich noch einmal sechs Kalendermonate Kindererziehungszeiten für Mütter anerkannt, die vor 1992 ein Kind geboren und erzogen haben.
Aktuell erhalten Mütter, die Kinder vor 1992 geboren und erzogen haben, insgesamt 30 Kalendermonate Kindererziehungszeit pro Kind anerkannt. Im Gegensatz dazu bekommt eine Mutter, die ein Kind nach 1992 geboren und erzogen hat, insgesamt bis zu 36 Kalendermonate Kindererziehungszeit zuerkannt.
Werden die Erziehungszeiten automatisch angerechnet oder muss man sich aktiv darum kümmern?
Im Normalfall meldet die Mutter die Geburt des Kindes bei ihrer Rentenversicherung, dann wird die Kindererziehungszeit dort erfasst und maschinell im Versicherungsverlauf der Mutter oder gegebenenfalls auch beim Vater eingespeichert. Von allein geht das nicht, denn die Rentenversicherung erfährt nicht automatisch von der Geburt eines Kindes. Die Meldung ist also wichtig. Die Eltern des Kindes können mit einer gemeinsamen Erklärung aber bestimmen, wer von beiden wie viel Kindererziehungszeiten zuerkannt bekommen kann. Man kann die Wartezeitmonate auch untereinander aufteilen. Eine solche Erklärung muss aber innerhalb der ersten 36 Kalendermonate nach der Geburt des Kindes erfolgen. Grundsätzlich ist eine einmal abgeschlossene gemeinsame schriftliche Erklärung gegenüber der DRV bindend. Sie kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Hier sollten sich die Eltern also genau beraten lassen, entweder beim eigenen Rententräger oder bei einem unabhängigen Rentenberater.
Wenn ein Elternteil Teilzeit arbeitet, ergibt sich automatisch ein Ungleichgewicht. Wie könnte man dieses unter Partnern fair ausgleichen?
In dem die Mutter zum Beispiel, die ja meistens in Teilzeit arbeitet, die vollen Kindererziehungszeiten erhält und damit ihre Rente aufwertet. Da sie nur Teilzeit arbeitet, erhält sie auch nur in Höhe des Teilzeiteinkommen Entgeltpunkte, hingegen der Vater bei vollem Gehalt die höheren Rentenpunkte bekommt. Einen anderen Ausgleich für diesen Rentenverlust kann die Mutter leider nicht geltend machen. Die Mütterrente soll aber genau diese Einkommenslücke in der Rente schließen.
Was versteht man eigentlich genau unter „Versorgungsausgleich“?
Während einer Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft erwerben die Eheleute/ Lebenspartner Versorgungsanrechte für das Alter, wie gesetzliche Rentenansprüche, Pensionsansprüche bei Beamten, Ansprüche aus Betriebsrenten, Rentenleistungen aus Versorgungswerken, private Rentenansprüche aus Rentenversicherung. Diese Ansprüche werden als Teil der gemeinsamen Lebensleistung betrachtet. Der Wertanteil an den während der Ehezeit angesparten Versorgungsrechten gehört den Eheleuten und Lebenspartnern zu gleichen Teilen. Wenn sich die Eheleute scheiden lassen, werden genau diese wechselseitigen Versorgungsansprüche zwischen den geschiedenen Eheleuten oder getrennten Lebenspartnerschaften ausgeglichen. Die Entscheidung über den Versorgungsausgleich trifft immer das Familiengericht.
Was passiert im Falle des Todes meines Ehe-Partners mit seiner Rente? Gehen seine Rentenansprüche automatisch auf mich über?
Nicht zwingend. Wenn es gesetzliche Rentenansprüche sind, muss geprüft werden, ob die Witwe oder der Witwer tatsächlich Anspruch auf die Witwen/er-Rente haben. Wenn dies der Fall ist, erhält der/die Witwe/r in den ersten drei Monaten die vollen Rentenansprüche ausbezahlt und danach, je nach dem wann die Ehe begonnen hat, 55 oder 60 Prozent der Rentenansprüche des verstorbenen Ehepartners/in. Bei privaten Rentenansprüchen des/der verstorbenen Ehegatten/ in oder Partners/in gehen diese Ansprüche nur auf den überlebenden Ehepartner über, wenn dieser entweder gesetzlicher Erbe oder testamentarischer Erbe ist. Bei Betriebsrenten ist meist in den Versorgungsverträgen einen Hinterbliebenenrentenregelung enthalten, so dass es da nicht auf das Erbrecht ankommt, sondern alles vertraglich geregelt ist.
Wie kann ich eigentlich meine Rentenlücke ausrechnen?
Das geht recht einfach. Man erhält ja regelmäßig eine Renteninformation bzw. Rentenauskunft. Dort ist die Höhe der Regelaltersrente prognostiziert. Es wird allgemein empfohlen, dass das Renteneinkommen rund 70 bis 80 Prozent des letzten Nettoeinkommens ausmachen sollte. Man vergleicht also einfach die Rentenprognose und das letzte Nettoeinkommen. Dann sieht man die sogenannte Rentenlücke.
Wie lässt sich diese Lücke ausgleichen?
Auf Grund der aktuellen Niedrigzinsphase wird es schwierig werden, die Rentenlücke auszugleichen. Aktuell lässt sich Geld zu extrem niedrigen Zinsen anlegen oder aber man investiert in sogenannte ETF-Aktienfonds mit breiter Streuung, um das Verlustrisiko zu verringern. Und nach wie halte ich ein Haus oder eine Wohnung, also die eigenen vier Wände, für die beste Geldanlage.
Hab vielen Dank, Peter, für diese ausführliche Aufklärung!
Titelfoto: Hector Reyes