Was ich noch kurz vor dem 3. Geburtstag von meinem Sohn gelernt habe

Bald feiern wir Geburtstag – der dritte schon! Natürlich bin ich voller Vorfreude, auch ein kleines bisschen wehmütig und vor allem überlege ich, wie wir mal eben kurz die Zeit anhalten können. Denn das Leben mit einem fast Dreijährigen ist gerade ganz schön gut.

Der Trotzphasen-Flashback

So kurz vor dem Geburtstag der Kinder guckt man sich ja gerne noch mal alte Fotos und Videos an, und wird ein wenig emotional. Ich habe zusätzlich noch mal meine Texte hier auf Little Years gelesen, die über unser Leben mit Kind erzählen. Der letzte dieser Art war tatsächlich der hier „Terrible Two“ oder wenn der Zweijährige denkt, dass er der Erwachsene ist… Das war im Februar diesen Jahres und meine Zeilen haben mir einen kurzen Flashback verpasst. Was für eine unfassbar anstrengende Zeit. Und das über viele, viele Wochen ohne Kita. Aber wie so oft bei nicht so schönen oder anstrengenden Zeiten: Man vergisst und es bleibt nur noch eine verschleiert Erinnerung. Zum Glück!
Jetzt wo ich mir die Phase aber nochmal zurück ins Gedächtnis rufen konnte, kann ich ziemlich sicher sagen: All das ermahnen, erklären, trösten, gut zureden, ruhig bleiben (meistens zumindest), hat sich doppelt und dreifach gelohnt und trägt tatsächlich langsam Früchte. Halleluja! (Ich hab zwischendurch tatsächlich nicht mehr dran geglaubt…)

Wenn “Erziehung” plötzlich Früchte trägt…

Zum Beispiel das Thema Teilen… Haben sich vor einigen Monaten noch lautstarke Szenarien auf dem Spielplatz mit anderen Kindern abgespielt, werden Konflikte nun verbal und meist friedlich geklärt. “Darf ich auch mal mit dem Bagger spielen?” “Du kannst ihn haben, wenn ich fertig bin, ok?” “Ja ok, danke!” Wir Eltern stehen manchmal mit großen Augen daneben und bekommen den Mund vor lauter Staunen nicht mehr zu. Haben die das gerade wirklich alleine geklärt? War das so was wie ein Kompromiss? Momentchen mal, keiner weint?
Klar, natürlich spielt hier auch eine große Rolle, dass die Kids mit ihren fast drei Jahren nun auch alle besser sprechen können und ziemlich deutlich sagen können, was sie möchten – oder eben nicht möchten. Und trotzdem fühlt es sich ein bisschen so an, als hätte sie selber keine Lust mehr auf das ständige Streiten und Weinen.

Genauso wie das leidige Thema Anziehen. Großer Fan ist unser Sohn davon immer noch nicht, schließlich stört das enorm bei seinem nächsten Feuerwehreinsatz, den er gerade plant. Aber wenn wir in Ruhe darüber reden, finden wir meist eine Lösung, die für uns beide funktioniert. Wir bekommen tatsächlich auch mal was zurück. Nämlich Verständnis dafür, dass wir auch Bedürfnisse und Gefühle haben. Das tut so wahnsinnig gut. Zum Beispiel neulich morgens, als ich schlimme Bauchschmerzen hatte, wir beide alleine waren und ich ihm erklärt habe, dass ich Unterstützung brauche, weil ich “Aua” habe und wir heute ein Team sein müssen. “Ok Mama, ich helfe dir! Sollen wir den Bauch kühlen? Oder soll ich pusten? Ich ziehe die Schuhe schon mal alleine an.”
Wir funktionieren gerade so richtig toll als Gemeinschaft, wir drei, und jeder kommt auf seine Kosten. “Bitte, Danke und Entschuldigung” gehören ganz normal in den alltäglichen Austausch, genauso wie auch “Ich hab euch lieb” und “Mama, du bist toll”. Es fühlt sich gerade so irre schön an, dass ich ein bisschen Angst habe, dass es bald wieder anders sein könnte bzw. die Zeit nun doch viel zu schnell rennt, als mir lieb ist.

Den eigenen Kompass justieren

Ich war nie ein großer Baby-Fan, das wusste ich schon, bevor ich Mutter wurde, und spätestens mit Säugling im Gepäck. War natürlich alles süß und wunderbar, aber ich hab mich immer doll auf die Zeit gefreut, einen richtigen kleinen Menschen um mich rum zu haben, mit dem man über alles reden kann und coole Sachen unternehmen kann. Das ist jetzt schon eine ganze Weile so und ich liebe es SEHR. So sehr, dass mir halt eben jetzt, kurz vor dem nächsten Geburtstag, Bange wird, dass wir uns zu schnell Richtung Selbstständigkeit entwickeln. Dabei geht mir wirklich ein bisschen die Pumpe. Schon ganz schön paradox: Da arbeitet man so lange darauf hin, dass die Kinder selbstständig werden und sich alleine anziehen, auf die Toilette gehen und anständig essen können und doch wird einem etwas mulmig bei dem Gedanken, dass sie einen in ein paar Jahren kaum noch brauchen. Stimmt so natürlich nicht, aber hier bei uns zu Hause wird sich gerade das erste mal bewusst abgegrenzt und an der Außenwirkung gearbeitet. Wenn wir bei schlechtem Wetter morgens die Tram zur Kita nehmen, dann möchte mein Sohn ganz schnell aus dem Kinderwagen steigen und sich alleine irgendwo hinsetzen. Ich soll woanders stehen oder sitzen, “die anderen sollen sehen, dass ich alleine fahre!”. Okaaay….alles klar.
Sowieso dürfen wir eigentlich keinen Handgriff zu Hause mehr machen, ohne nicht vorher noch mal zu fragen, ob er das nicht selber machen möchte. So ersparen wir uns jede Menge Ärger und Frust. Und dadurch, dass wir ihm offensichtlich zeigen, dass wir ihm das Meiste zutrauen, fühlt unser Sohn sich gesehen und ist so viel umgänglicher geworden, als noch vor einigen Monaten. Die Wut kommt nicht mehr so abrupt und kann viel besser kanalisiert werden. Genauso wie das Sprechen über Gefühle. Es ist natürlich alles so viel einfacher, wenn ein kleiner Mensch sagen kann, was ihn ärgert oder traurig macht.
Wie neulich mal, als wir gerade umgezogen waren und wir als Eltern ein bisschen ungeduldiger waren, als sonst und mit dem Kopf oft woanders. Wir haben mehr gemeckert und waren ein paar Tage am Stück alle irgendwie unzufrieden. Bis unser Sohn dann unter Tränen sagte, dass wir ihn so viel ärgern würden. Da hat es Klick gemacht. Wir dachten, er würde uns “ärgern”, aber bei dem kleinen Mensch kam das Gefühl genau andersrum an. Und dann auch noch Zwei gegen Einen – das kann nicht besonders schön gewesen sein. Das hat uns noch mal gezeigt, dass nicht nur die Kinder ab und zu “eine schwierige Phase” haben, sondern auch wir Eltern uns immer wieder neu justieren müssen, Gewohnheiten brechen und dass auch wir den Blick von außen brauchen. Und das kann dann auch schon mal der Blick von einem Kleinkind sein. Deshalb werden wir in Zukunft, wenn es mal wieder holprig läuft, erstmal checken, wie wir gerade drauf sind und was wir an uns für den Moment ändern können, bevor das Kind “anstrengend” oder “schwierig” ist.

Man denkt ja immer, als Eltern, dass man genau gerade jetzt im Moment, die schönste Zeit mit seinem Kind erlebt. Aber ich bin mir wirklich sicher, dass wir wirklich gerade die ALLERSCHÖNSTE Zeit mit unserem Sohn erleben. Wir sprechen uns dann einfach in ein paar Monaten noch mal ;-)