Familienfreundliche Vorbild-Unternehmen: Archimedes
Gesagt, getan und bald kam eine ehemalige Kollegin auf mich zu, die jetzt sehr glücklich als Mama bei Archimedes arbeitet. Archimedes ist eine Agentur, die weltweit Ausstellungen und Kommunikationsräume entwirft und umsetzt. Die Firma ist ein typischer mittelständischer Betrieb, der aber eher als Familienbetrieb geführt wird, sie hat ein unheimlich breitgefächertes und interessantes Portfolio und: viele Mitarbeiter haben Kinder. Vor allem fühlen sich hier auch Papas als solche, und es gibt (ob das wohl an der Familienfreundlichkeit liegt?) mittlerweile auch richtig viele Dual Career Mitarbeiter, also Beziehungen zwischen Kollegen.
Ich habe drei Mitarbeiter befragt, jeder hat seine eigene Geschichte, zuletzt kommt auch noch der Geschäftsführer zu Wort und der ist – klar!- auch vor drei Monaten Vater geworden.
Sibylle Schmidtsiefen, 45, Leiterin Wettbewerbsabteilung, Mutter von Richard (15), Konrad (13) und Silvester (11)
Sibylle ist bereits seit 1998 eng mit Archimedes verbunden, zuerst als Praktikantin, aus dieser Mitarbeit ergab sich dann der Entschluss zum Studienfach. Während des Studiums hat sie drei Söhne bekommen und stieg anschließend mit abgeschlossenem Diplom wieder ein. Mittlerweile arbeitet sie in der Regel 30 Stunden pro Woche, in Hochdruck-Phasen aber auch mal 40.
Deine Kinder hast du während des Studiums bekommen, war das damals gut vereinbar? Würdest du sagen, dass das generell ein guter Zeitpunkt (wenn es den denn gibt) zum Kinderkriegen ist?
Ich weiß, ich sage da nichts Neues: den perfekten Zeitpunkt fürs Kinderkriegen gibt es nicht! Ich wünsche mir mehr Mut und weniger Optimierungswillen. Kinder sind eine so große Bereicherung und man sollte sich nicht von – manchmal nur scheinbar – wideren Umständen abhalten lassen. Für mich war die Studienzeit insofern günstig, als es klare Präsenszeiten gab. Am Abend konnte ich Studien und Referate erledigen – zu kurz kam natürlich das allgemeine Studentenleben. Aber ich habe erst mit Ende Zwanzig angefangen zu studieren, da musste ich eben zwei “Projekte” gleichzeitig in diese Lebensphase stecken.
Inwieweit war und ist dein Partner in die Kindererziehung involviert?
Die Erziehung ist gemeinsame Sache, das schafft für die Kinder Sicherheit und Geborgenheit. Als die Kinder klein waren, hat mein Mann morgens das Bringen zum Kindergarten übernommen und mindestens einmal die Woche das Abholen. Das Wochenende ist nach wie vor für uns wichtige Familienzeit – die Jungs kommen am Wochenende auch heute noch gerne mit aufs Land. Meistens zumindest!
Wie viel arbeitest du und wie sind die Kinder während dieser Zeit betreut?
Seit zwei Jahren arbeite ich 30 Stunden die Woche. Bei guter Organisation bin ich so parallel zur Unterrichtszeit auf Arbeit, ich kann mir meine Präsenzzeiten im Büro selber einteilen. In den Jahren zuvor – mit weniger Arbeitsstunden – konnte ich am Nachmittag die Hausaufgaben begleiten. Heute mache ich einen Tag in der Woche Home Office, das mögen die Jungs, mich “rund ums Haus” zu wissen – mehr braucht’s meist nicht. Überstunden kann ich zeitnah wieder “abbummeln”.
Wie hast du den Wiedereinstieg nach der Elternzeit erlebt?
Der Widereinstieg nach der Elternzeit, immer nach einem Jahr, fiel noch in meine Studienzeit. Das war sehr anstrengend, ließ sich aber organisieren. Das Diplom schrieb ich, als die Jungs in Klasse 1 und 3 waren, der Jüngste noch im Kindergarten. So waren die Tage streng nach Bibliothek, Schreibzeit und Spielplatzbesuch getaktet. Deshalb habe ich im Anschluss noch zwei Jahre Erziehungszeit genommen. Der Wiedereinstieg in den Job erfolgte mit einer Halbtagsstelle, das ließ sich gut mit den Schul- und Hortzeiten der Kinder vereinbaren. Hinzu kommt die Nähe vom Wohnort zum Arbeitsplatz – diesen Luxus schätze ich außerordentlich! So haben die Jungs Gewissheit, wenn was sein sollte, bin ich nicht weit.
Was schätzt du besonders an deinem Arbeitgeber?
Die freundliche und inspirierende Arbeitsatmosphäre, die sympathischen Kollegen mit so unterschiedlichem Hintergrund und, dass man immer wieder herausgefordert wird!
Sind Kind und Job vereinbar?
Ich lebe es! Denn nur die Kinder im Fokus zu haben, würde mir – und ihnen sicher auch – den Verstand rauben! Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass es ihnen ab dem Schuleintritt mehr schadet, als nützt. So wie Geschwisterkinder von der nicht ungeteilten Aufmerksamkeit der Mutter profitieren, profitieren Mütter, wenn sie auch außerhalb der Familie Bestätigung, Anerkennung und Inspiration erfahren. Mutter zu sein ist ein sehr wichtiger Teil meiner Persönlichkeit, aber eben nicht alles!
Danke, Sibylle!
Jan Regett, 31, Produktdesigner, Vater von Ella, 3,5 Monate
Jan war von 2013-2014 Freelancer bei Archimedes, seit Oktober 2014 arbeitet er in Vollzeit als Festangestellter. Nach der Geburt hat er einen Monat Elternzeit genommen, und im Januar und Februar 2016 wir er weitere zwei Monate Elternzeit antreten und dann auch die Eingewöhnung in der Kita übernehmen. Er hat immer flexibel gearbeitet und wird das jetzt wohl auch so beinehalten und seine Partnerin ist übrigens ebenfalls erfolgreiche Produktdesignerin, die beiden haben die Abmachung über 50/50 Aufteilung bei der künftigen Betreuung.
Wie viel arbeitest du und wie stellst du dir deine Work-Life-Balance in Zukunft vor?
Ich arbeite derzeit 40 Stunden pro Woche mit flexiblen Arbeitszeiten. In Zukunft sehe ich Work und Life ausgewogen. Meine Arbeit macht mir Spaß und ich erledige sie gewissenhaft. Mein Fokus liegt jetzt aber natürlich auf der Familie. Nach 8 Stunden freue ich mich dann auch über unsere Freizeit!
Wie wird dein Engagement als „aktiver Vater“ in der Firma angesehen?
Ich werde hierbei gut unterstützt. Es gibt ja auch eine große “Väter-Lobby” im Hause Archimedes. In Sachen flexible Arbeitszeiten und Freiraum für die Familie habe ich bis jetzt nur Gutes erfahren.
Was schätzt du besonders an deinem Arbeitgeber?
Das Realisieren von spannenden Projekten im professionellem Umfeld, die Arbeit in interdisziplinären Teams und nicht zuletzt die oben angesprochenen Freiheiten.
Inwieweit will deine Freundin wieder ins Berufsleben einsteigen?
Meine Freundin wird voll wieder einsteigen. Sie ist ebenfalls Produktdesignerin und arbeitet leidenschaftlich gern. Ich versuche, sie dabei nach Möglichkeiten zu unterstützen.
Wäre ein „klassisches Modell“, in dem der Mann die Kinder nur wenig sieht, für dich überhaupt denkbar?
Nein!
Glaubst du, dass Väter sich mehr trauen müssen?
Sicher könnten Väter mehr einfordern. Wer nicht fragt, dem wird selten etwas herangetragen im Berufsleben. Väter freuen sich aber auch über freiwillige Zugeständnisse seitens des Arbeitgebers! Das schätze ich so an unserer Firma.
Danke, Jan!
Katharina Loderstädt, 32, Interaktionsdesignerin, Mutter von Milla, 19 Monate
Katharina arbeitet seit sechs Jahren für Archimedes, zuerst nur als Interaction Designer in Vollzeit, seit der Geburt von Milla ist sie mit 30 Stunden wöchentlich außerdem zu 70% an der Konzeption beteiligt. Sie gibt Workshops, hält Präsentationen, erstellt die Wettbewerbsbeiträge etc. Sie hat neun Monate Elternzeit genommen, ihr Partner zwei Monate, er hat die Eingewöhnung bei der Tagesmutter übernommen.
Wie viel arbeitest du seit der Geburt deiner Tochter und wie ist die Kinderbetreuung organisiert?
Nach der Elternzeit habe ich meine Arbeitszeit auf 30 Stunden die Woche reduziert. Laut Plan komme ich drei Mal die Woche für sechs Stunden ins Büro und ein Mal acht Stunden. Einen Tag kann ich vier Stunden im Home Office arbeiten, was aber nicht funktioniert, wenn ich an wichtigen Präsentationen oder Meetings teilnehmen muss. Meine Tochter Milla ist während meiner Arbeitszeit bei einer Tagesmutter ganz in der Nähe. Das fühlt sich für mich gut an. So kann ich im Notfall schnell da sein.
Inwieweit ist dein Partner involviert?
Wir haben ein ganz gut organisiertes Familiennetzwerk. Meine Schwiegermutter wohnt in der Stadt – Glück gehabt! Millas Papa arbeitet Vollzeit und bringt sie 2x die Woche morgens zur Tagesmutter, wo ich sie abhole. Ein Mal wöchentlich betreut die Oma sie am Nachmittag, an dem Tag bleibe ich länger im Büro. Es gibt allerdings keine feste Wochenplanung. Wir organisieren viel herum.
Was passiert, wenn Milla krank ist?
Fieber messen, Mail an die Arbeit schreiben, vorlesen, auf baldige Besserung hoffen! Wenn Milla richtig krank ist, kann ich nur während sie schläft arbeiten. Mittags rufe ich im Büro an und frage nach laufenden Projekten. Abends versuche ich das Wichtigste aufzuholen. Ich bleibe meistens die ersten zwei Tage zu Hause, dann organisieren wir Oma, Großtante oder Millas Papa übernimmt.
Was schätzt du besonders an deinem Arbeitgeber?
Ich habe das Gefühl, dass mir Vertrauen in mich und meine Kompetenz entgegengebracht wird, auch wenn ich meine Arbeit jetzt nicht immer im Büro erledigen kann, sondern auch von zu Hause arbeite. Außerdem bin ich froh, dass ich den gleichen Aufgabenbereich wie vor der Geburt habe und neue verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen kann. Was mir sehr wichtig war und ist!
Sind Kind und Job vereinbar?
Meine Kleine ist mit 9 Monaten zur Tagesmutter gekommen, das mögen manche als sehr früh empfinden. Für unsere Familie war die Zeit reif dafür. In Zukunft muss sowieso beides klappen, also Kind und Job, warum also nicht früh ausprobieren und hineinwachsen? Nach knapp einem Jahr wieder am Arbeitsplatz empfinde ich es aber schon so, dass man ganz schön über sich hinaus wachsen muss, um alle Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten…
Danke, Katharina!
Und noch ein Statement von Gunnar Behrens, 37, Geschäftsführer und Vater von Olivia, 3 Monate
Gunnar ist gerade vor 3 Monaten zum ersten Mal stolzer Papa von Olivia geworden. Seine Frau arbeitet auch bei Archimedes und will im nächsten Jahr mit 30 Stunden wieder einsteigen. Seit der Geburt arbeitet Gunnar flexibel, die beiden machen zum Beispiel alle Arztbesuche, Hebammenbesuche, Kindergartenplatzbesichtigungen etc. zusammen.
Wie wichtig ist die Work-Life-Balance bei Archimedes?
Archimedes ist sicher besonders mitarbeiterfreundlich, was auch der Gründungsgeschichte geschuldet ist: aus einer kleinen, familiären Studentenbude wurde ungeplant ein mittelständisches Unternehmen, der Ursprungsgedanke aber ist geblieben. Wir empfinden es als Bereicherung, wenn Mitarbeiter nebenbei Musik, eigene Projekte, Weltreisen machen, an Universitäten unterrichten – das alles sind Beispiele, die hier gerade stattfinden. Und sich ausreichend Zeit für die Familie nehmen! Wir in der Geschäftsführung sind selber alle Väter. Ich möchte mein Kind auch erleben. Warum sollte ich andere Ansprüche an die Mitarbeiter stellen?
Inwieweit kommt ihr den Eltern entgegen?
Wir sind flexibel. Jeder, der Mutter oder Vater wird, soll mit seinen Wünschen zu uns kommen, wir finden gemeinsam eine Lösung, wie sich die veränderte Arbeitsrealität mit laufenden Projekten vereinbaren lässt. Gleitende Arbeitszeiten und Home Office sind gängige Praxis. Ist ein Kind krank, muss es betreut werden. Dafür haben wir Verständnis und finden in der Regel eine Arbeitsform, die dem angemessen ist und für beide Seiten gut funktionieren kann.
Warum tun sich andere Unternehmen so schwer damit?
Ich könnte mir vorstellen, dass es eher eine Ausnahme darstellt, wie viel Vertrauen wir unseren Kollegen entgegen bringen. Da sie aber meistens lange bei uns arbeiten und sich sehr mit Archimedes identifizieren, fällt uns dieses Vertrauen leichter. Außerdem haben wir das Glück, in der Kreativbranche tätig zu sein, das heißt, Freude am Job und Eigenständigkeit zählen bei uns deutlich mehr als zum Beispiel strikt geregelte Arbeitszeiten.
Ihr habt viele Dual Career Mitarbeiter, Zufall?
Bei Archimedes sind im Laufe der Jahre zum einen schon Ehen entstanden, was sehr schön ist. Zum anderen sind auch Partner von Mitarbeitern nach der Elternzeit von ihrem ehemaligen Betrieb nicht wieder übernommen worden oder waren unzufrieden mit ihrer bisherigen Arbeitssituation. Wenn sie gerne bei uns arbeiten wollen und es von der Qualifikation passt, freuen wir uns.
Ist eine interne Kita geplant?
Tja… Wir haben tatsächlich darüber nachgedacht, da seit Ende 2013 ein regelrechter Babyboom über uns kam. Jetzt haben wir den Fokus auf eine Kooperation mit einer benachbarten Betreuungseinrichtung gerichtet, die “unsere” Kinder während der Kitaschließzeiten aufnehmen kann. Das ist aber gar nicht so einfach, wir freuen uns über Hinweise, wenn jemand Interesse an Firmenkooperationen hat.
Danke, Gunnar und danke an das ganze Team von Archimedes!
Was sagt ihr? Ich finde, das ist ein sowas von sympathisches, erfolgreiches UND vorbildliches Unernehmen! Und der Clou schein einfach zu sein, dass alle Kinder haben und ungefähr die gleiche Einstellung dazu teilen, oder? Wenn alle Chefs ihre Kinder auch sehen wollen, erledigt sich das mit der Präsenzzeit doch fast von selbst. Und Vertrauen muss man eben haben, das scheint leider nicht in der deutschen Mentalität verwurzelt zu sein…
Wenn ihr auch Vorbild-Unternehmen kennt, oder gar in einem solchen arbeitet.. macht mit! Und schreibt an: hello@littleyears.de
Alle Fotos: Michael Feser