Über starke PMS und PMDS

Manche Leser:innen kennen es bestimmt: Bevor die Periode anfängt, verwandelt frau sich in einen Zombie. Auch hier ist das öfters so, meistens in der zweiten Zyklushälfte. Meine PMS bestimmt mein Leben. Aber ist diese schlechte Laune nur PMS? Ein Artikel über Wut, PMDS und was mir in der zweiten Zyklushälfte hilft…

Seit einiger Zeit, genauer gesagt seit dem dritten Kind, wird die Zeit vor meiner Periode schwieriger. Was die letzten Jahre eher ein Mürrischsein oder Gereiztheit zwei Tage vor der Periode war, wird nun zu einer Zeit, in der ich mir Mühe geben muss zu funktionieren. Zusammen mit meinem Eisprung nämlich, oder kurz danach, ist es, als ob ein Schalter umgelegt werden würde.  Eine Kleinigkeit irriert mich total, ich frage mich kurz was los ist – schaue auf meine Zyklus-App und da steht es: In 15 Tagen beginnt ihre Periode.

Plötzlich gehts bergab

Ich werde angespannt. In mir fängt es an zu brodeln. Kleinigkeiten stressen mich unverhältnismäßig. Die eine unerwartete Rechnung, die ich sonst locker hingenommen hätte, fühlt sich wie eine mittlere Katastrophe an. Ich werde ungeduldig mit den Kindern, dem Partner.

Eine Bekannte, der es ähnlich ging und bei der es im Winter einmal besonders intensiv wurde (sicherlich halfen Dunkelheit und Kälte auch nicht gerade), sprach ihrer Therapeutin, die sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte, auf den AB. Die Therapeutin rief prompt zurück und bat ihr einen Termin an. Dort sagte sie: Wenn sie wütend werden, ist das ihre Verantwortung. Bäm. Hart, oder? Sind WIR also an allem schuld?! Dass man selbst die Verantwortung trägt, heißt aber auch, dass man etwas ändern kann. Handlungsspielraum zurückgeben nennt man das. Verhaltenstherapie Einmal Eins.

Was ist PMDS?

Circa 75% aller Menschen mit Gebärmutter und im gebärfähigen Alter erleben in den Tagen vor ihrer Periode körperliche und psychische Veränderungen. Wenn diese Symptome stärker auftreten, spricht man von PMS. Nur wenige davon entwickeln einen so großen Leidensdruck, dass man von PMDS sprechen würde, also von Prämentstrueller Dysphorischer Störung. Zu den Kernsymptomen gehören: Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit und Wut, Depressivität und Angst oder Anspannung. Vielen kommt das hier wohl bekannt vor, oder? Ob es wirklich schon mehr als PMS ist, kann man feststellen lassen, indem man ein Zyklus-Tagebuch führt. Die Diagnose wird dann von einem Arzt oder einer Ärztin anhand des amerikanischen Klassifikationssystems DSM-5 gestellt, ein Standardwerk zur Diagnose von psychischen Erkrankungen.

Wenn ich mich über die Symptome beklage, liegt oft ein “Wird schon nicht so schlimm sein, is’ eben PMS” in der Luft. Ich weiß, dass die Hormone (beziehungsweise der Hormonwechsel, wie ich gelesen habe) mich so empfinden lassen. Ich weiß rational, dass es einen ganz unaufgeregten Grund dafür gibt. Und trotzdem ist es manchmal nicht einfach damit umzugehen. Das heißt doch, am ersten Tag schon. Ich lenke mich ab. Ich sage mir immer wieder: Das ist jetzt einfach die PMS, die losgeht. Nicht aufregen. Mein Mantra: Alles ist gut. Ich habe keine ernstzunehmenden Probleme. Hab ich ja auch nicht: Partnerschaft, Kinder, Job, Gesundheit – wie viel Glück ich habe! Und ich weiß das wirklich zu schätzen.

Trotzdem kriecht es nach einigen Tagen in mir hoch. Dieses Gefühl aus Verunsicherung, manchmal Angst oder eben Wut. Je nach dem wie stressig der Tag war, je nach dem was so vorgefallen ist, ist es mehr oder weniger intensiv.

Jemand anderes schilderte mir ähnliches: Da käme eine Wut, die sie kaum von sich kenne. Und für die sie sich im Nachhinein schäme. Es gibt diese Anfangsszene in der Netflix-Serie BEEF, in dem ein Auto das andere verfolgt, sie rasen über Vorgärten, zeigen sich den Mittelfinger. Road Rage nennt man das. Wie passend! Ich kenne eher Gehweg-Rage: Wenn die Leute den Kopf schütteln, weil ich mit dem Fahrradanhänger sehr langsam über den Gehweg fahre, weil sonst die tonnenschweren Laster nur wenige Zentimeter an den Köpfen meiner Kinder mit überhöhter Geschwindigkeit vorbei rasen würden, werde ich sauer. Wo soll ich denn hin mit meinen Kindern? Für sie scheint es keinen Platz zu geben. Aber das ist ein anderes Thema.

Die Wassereinlagerungen, der Heißhunger, die Krämpfe oder Kopfschmerzen: Die körperlichen Beschwerden sind mal mehr, mal weniger präsent und taktieren mich eher nicht so sehr. Aber diese Wut? Es gibt Stimmen, die sagen das Weibliche sei auch wütend, kann auch laut und zerstörerisch sein. Ich hatte in meinem Leben schon laut und zerstörerisch. Ich brauche das nicht, das Drama. Wirklich.

Natürlich wurden viele Frauen so sozialisiert und auch so erzogen, angepasst, freundlich und ruhig zu sein. Ein bisschen mehr Lautstärke, ein bisschen mehr Nein, vielleicht ist das gar nicht so schlecht? Sollten wir es eher wie die Gynäkologin Prof. Dr. Mandy Mangler halten, die vor Kurzem in einem Interview etwas in die Richtung sagte: Sie möge eigentlich ihre PMS. Da würde sie auch mal nein sagen können, sagen können, was sie stört und nicht immer alles weglächeln.

Und, zumindest bei mir, gibt es auch die andere Seite der Hormone: Die, die mich weicher, emotionaler, mitfühlender macht. Oft schwanke ich in dieser Zeit zwischen Berührt- und Glücklichsein, und Überreiztsein.

Und ganz vielleicht hat die Intensität auch mit wenigen bis keinen Rückzugsmöglichkeiten zu tun, eine Situation, die sich automatisch mit kleinen Kindern im Haushalt ergibt. Die Symptome verstärken sich wohl auch typischerweise bei Frauen, die Richtung Menopause gehen, also ab Mitte 30. Und dann haben eben diese Frauen gerade in diesem Alter kleine Kinder. Ein Zufall?

Ich stimme mein Leben mit meinem Zyklus-Kalender ab – so weit es halt geht

Bekannte, denen es ähnlich geht, versuchen mittlerweile wichtige Termine eher in die Zeit der ersten Zyklus-Hälfte zu legen. Aber klar, vieles lässt sich auch nicht anpassen. Was mir hilft: Ich versuche sanft mit mir zu sein. Ich versuche den Druck rauszunehmen, versuche mir Ruhephasen zu gönnen. Was auch hilft: Sich informieren, mit Freundinnen darüber sprechen (vielen geht es ähnlich!) und das Gefühl des Ausgeliefertseins vermeiden. Aktiv werden, in dem man in sich hinein hört. Was tut mir gut? Manchen hilft auch Mönchspfeffer, oder eine Umstellung der Ernährung. Wenn der Leidensdruck besonders groß ist, sollte man tatsächlich einmal abklären lassen, ob es sich nicht doch um eine PMDS handelt.

Hier lohnt sich die Lektüre des Buches “PMDS – Als Herausforderung”. Es gibt noch nicht viele Ärzt:innen, die sich damit auskennen. Lest dazu gern auch unser Interview mit Meggy, die von besonders schwerer PMDS betroffen ist.