Mein Leben mit PMDS

Während PMS den Allermeisten etwas sagt, haben nur wenige wahrscheinlich den Begriff “PMDS” schon einmal gehört. Das steht für “prämenstruelle dysphorische Störung” und man kann sie als die schwerste Form von PMS bezeichnen. Mittlerweile gibt es allgemein anerkannte Diagnosekriterien für diese schwerste Form von PMS.

Dysphorisch bedeutet in diesem Kontext „gereizt/missgestimmt/angespannt“ – da klingelt es wahrscheinlich bei Vielen, oder? Etwa 75% aller Frauen im gebärfähigen Alter nehmen in der zweiten Zyklushälfte und besonders in den Tagen vor Beginn der Menstruation körperliche und/oder psychische Veränderungen wahr. Der Schweregrad ist aber sehr unterschiedlich, und nicht alle Frauen fühlen sich dadurch beeinträchtigt. Das ist bei der Prämenstruellen dysphorischen Störung (PMDS) anders. Hier haben die Betroffenen oft einen immensen Leidensdruck, der sich meist auch auf ihr direktes Umfeld, Partner und Kinder auswirkt. Besonders schlimm ist es dabei für viele, gerade in Bezug auf ihre Kinder die Kontrolle zu verlieren. Schwere depressive Verstimmungen bis hin zu regelmäßig wiederkehrenden lebensmüden Gedanken kommen ebenfalls vor (Quelle: Universitätsklinikum Bonn). Was die Problematik oft noch verschärft ist, dass die Krankheit nicht nur in der Allgemeinheit wenig bekannt ist, sondern auch teils bei Ärzt*innen kein ausreichendes Wissen vorhanden ist. Das bedeutet für die Betroffenen oft einen schweren und langen Leidensweg bis zur Diagnose und Therapie.

Meggy ist DJ, Sängerin und Producerin und außerdem Studentin der Linguistik. Mit ihrem vier Monate alten Sohn ist sie gerade in Elternzeit. Bei ihr wurde PMDS diagnostiziert – heute erzählt sie uns, wie es überhaupt zu der Diagnose kam und warum es ihr so wichtig ist, Aufklärungsarbeit zu diesem Thema zu leisten!

Liebe Meggy, bei dir wurde PMDS diagnostiziert. Wie kamst du darauf, dass bei dir diesbezüglich etwas „nicht stimmt“? 

Die Diagnose bekam ich vor etwa drei Jahren. Davor habe ich geglaubt, die typischen PMDS-Symptome gehören zu meiner Persönlichkeit. Mich haben kleinste Dinge völlig aus der Bahn geworfen. Teilweise habe ich tagelang geweint, habe nicht richtig essen können, bin meinen Partnern gegenüber aggressiv, ja sogar handgreiflich geworden. Auch mich selbst habe ich gelegentlich verletzt. Ich war überhaupt nicht in der Lage, meine Emotionen zu kontrollieren. Jegliches rationales Denken war wie ausgeschaltet. Als ich dann mit meinem jetzigen Partner zusammen kam, bemerkte er, dass diese „Ausfälle“ in sehr genauen zeitlichen Abständen auftraten und ich in der Woche vor der Periode zu einem anderen Menschen wurde. Nach kurzer Recherche kamen wir auf das Prämenstruelle Dysphorische Syndrom, kurz PMDS.

Und wie war der Weg bis zur Diagnose?

Die erste Anlaufstelle war logischerweise die Gynäkologin. Sie schien von der Krankheit aber noch nichts gehört oder gewusst zu haben, da sie die ganze Zeit von PMS sprach, obwohl ich sie nochmals darauf hinwies, dass ich PMDS meine. Sie meinte, dass ja „die meisten Frauen an PMS litten, die einen eben stärker als die anderen“. So ähnlich lief das dann noch in zwei weiteren Praxen für Frauenheilkunde ab. Zeitgleich bin ich auf das Zentrum für seelische Frauengesundheit gestoßen. Eine Einrichtung der Vivantes, die sich auf körperliche und vor allem psychische Beschwerden bei Frauen bzw. menstruierenden Personen konzentriert. PMDS steht ganz oben auf deren Schwerpunktliste, was mich erstmal wieder hoffen ließ. Sonst war damals in Deutschland nämlich noch kaum jemand zu finden, der über das Thema Bescheid wusste.

Inwieweit hat dich deine PMDS konkret in deinem Alltag und deinem Berufsleben eingeschränkt?

Retrospektiv betrachtet: enorm. Mit Beginn der zweiten Zyklushälfte habe ich mich meist sozial isoliert. Eine Zeit lang habe ich Gras geraucht, um mich zu betäuben und die schlimmen Tage einfach zu verschlafen. Wenn ich Gigs oder wichtige Termine in dieser Phase hatte, konnte ich für die kurze Dauer funktionieren und die Fassade wahren. Das hat immer extrem viel Kraft gekostet und sich meist an anderer Stelle wieder entladen. Mein derzeitiger Partner und enge Familienmitglieder haben das dann abbekommen. Absurderweise hat sich meine Wut aber auch öfter auf mir eher fremde Menschen projiziert, wahrscheinlich weil ich mich in meinen Episoden immer total wertlos gefühlt habe.

Wie war das für dein Umfeld und deinen Partner?

Dass mein jetziger Freund das alles mitgemacht hat, grenzt an ein Wunder. Es muss so anstrengend gewesen sein, sich immer wieder zu erinnern, dass das Teil dieser Krankheit ist. Die verbale und physische Gewalt, die ich ihm und mir zugefügt habe…Er ist krass an seine Grenzen gekommen, da bin ich mir sicher. Aber er hat eben immer daran geglaubt, dass ich so nicht bin, und dass wir das irgendwann in den Griff kriegen würden. Freunde, Familie, Kollegen usw. haben das erst später mitbekommen, als wir die Thematik selbst endlich begriffen hatten.

Wie wurdest du dann schließlich therapiert?

Es war ein, gelinde gesagt, ziemlich holpriger Weg bis zu dem Punkt, an dem ich jetzt bin. Nach der Diagnose im Zentrum für seelische Frauengesundheit probierten wir Mönchspfeffer, ohne Erfolg. Dann schlug mir die Psychiaterin vor, es mit Progesteron zu versuchen; einem Sexualhormon, das vor allem den Menstruationszyklus reguliert. Zu diesem Zeitpunkt kannte ich die Studienlage dazu noch nicht, ich hab ihr also vertraut und mich auf den Therapieansatz eingelassen. Was folgte war die schlimmste Zeit meines Lebens: die typischen PMDS-Symptome hörten nicht mehr auf, ich hatte keinen Tag mehr, an dem ich mal hätte durchatmen können. Ich dachte, vielleicht muss es sich erst einpegeln, wie es oft mit Hormonen ist. War aber nicht so und ich schottete mich mehr und mehr ab, auch von meinem Partner. Ich hatte starke suizidale Gedanken, fing in der Hinsicht an, zu planen. Es war das Einzige, das mich irgendwie mal kurz beruhigte. Nach ca. drei oder vier Monaten mit emotionalem Dauerterror, ich kann es ehrlich gesagt nicht mehr genau einschätzen, die Erinnerungen sind ziemlich verschwommen, packte ich meine Tasche und lief los zur Notaufnahme des Urban-Krankenhauses. Dort nahm man mich sofort auf und ich bekam quasi zwei Wochen Akut-Betreuung. Die Zeit dort nutzte ich dann, um weiter zu recherchieren, und fand heraus, dass Ärzte und Forschung davon ausgehen, dass PMDS durch eine Überempfindlichkeit des Gehirns auf Sexualhormone ausgelöst wird, was auch Studien belegen, in denen Frauen mit PMDS Progesteron gegeben wurde. Auch hier verschlimmerten sich die Symptome extrem. Ich war total geschockt darüber, dass mir so etwas kommentarlos verschrieben wurde. Auch im Krankenhaus nahm man die Krankheit übrigens nicht ernst, was dazu führte, dass es mir nicht wirklich besser ging, als ich dieses wieder verließ. Am gleichen Tag suchte ich eine Psychologin auf, schilderte ihr alles und sie empfahl mir, mich zuallererst einmal zu stabilisieren. Sie schlug vor, es mit Citalopram, einem sehr gängigen Antidepressivum zu versuchen. Ich wusste, dass Citalopram international ein bewährtes Mittel bei der Behandlung von PMDS ist und folgte ihrem Vorschlag. Seither nehme ich es jeden Tag in geringer Dosis – und habe ein weitestgehend beschwerdefreies Leben in dem Sinne, dass ich es jeden Tag schaffe, meinen Alltag zu bewältigen.

Du bist mittlerweile Mutter eines vier Monate alten Sohnes. Wie hast du die Schwangerschaft hinsichtlich deiner Erkrankung erlebt?

Ohne Symptome, einerseits weil durch die ausbleibende Periode der extreme Hormonabfall und -anstieg ausbleiben, andererseits da ich weiterhin die Tabletten eingenommen habe. Auch jetzt noch, in der Stillzeit. Citalopram ist ein bei Schwangeren und Stillenden lang erprobtes Medikament, das kaum Nebenwirkungen oder Risiken birgt. Und so war es auch bei mir bis jetzt. Frauen mit PMDS neigen auch sehr viel stärker zur Wochenbettdepression. Davor hatte ich echt Bammel. Bis auf einen kleinen Baby-Blues war aber alles entspannt.

Was würdest du anderen Frauen raten, die vermuten, dass sie von PMDS betroffen sind?

Zuallererst: Zyklustagebuch führen. Und das am besten über mindestens drei Zyklen. Denn danach wird jeder wissende Arzt fragen. PMDS kann (bis jetzt) nicht medizinisch festgestellt werden, lässt sich aber durch Ausschlussverfahren ganz gut erfassen. Es gibt einige Hauptsymptome, ausschlaggebend ist jedoch vor allem der zeitliche Abstand. Das ist mit einem unregelmäßigen Zyklus oft schwieriger einzuschätzen, man könnte es dann mit einer Hormonspiegelmessung in den einzelnen Zyklusphasen probieren. Es gibt inzwischen ein paar Spezis auf dem Gebiet in ganz Deutschland: Neben den Zentren für seelische Frauengesundheit in Berlin, von denen ich sprach, gibt es die Abteilung der gynäkologischen Psychosomatik der Uniklinik Bonn als Anlaufstelle. Sogar einen Ratgeber (PMDS als Herausforderung, 2022) gibt es seit diesem Jahr. Leider sind es immer noch zu wenige Experten, das liegt vor allem daran, dass PMDS nicht eindeutig einem Fachgebiet zuzuordnen ist. Es überschneiden sich hier die Bereiche der Gynäkologie, Endokrinologie, Psychosomatik und Neurologie. Vor kurzem wurde PMDS ins ICD-11 (International Classification of Diseases) aufgenommen, was hoffen lässt, dass sich die Versorgungslage endlich verbessert. Außerdem kann ich die amerikanische Seite iampd empfehlen. Man kann dort einen ersten Test absolvieren, der einem sagt, ob man an PMDS leiden könnte oder nicht. Und man hat die Möglichkeit, mit sogenannten Peers zu chatten, die meist selbst betroffen sind. Oder mit Menschen, die die Erkrankung zumindest verstehen, was mir in meiner schweren Zeit sehr geholfen hat. Hier finden sich zudem Infos über ähnliche gynäkologische Krankheiten.

PMDS ist ja tatsächlich vielen noch kein Begriff. Glaubst du, dass das Thema (noch) tabuisiert/stigmatisiert ist, ähnlich wie auch die Wechseljahre, Endometriose bzw. andere „typische Frauenbeschwerden”?

100%. Auch die Medizin ist heute noch so stark von patriarchalischen Strukturen durchzogen. Krankheiten, die nur Frauen bzw. Menstruierende betreffen, werden, von Männern UND Frauen, weniger ernst genommen, sprich ihre Erforschung weniger bezuschusst. Medikamente zum Beispiel müssten viel mehr geschlechtersensibel entwickelt werden. Ich habe erst vor kurzem einen Artikel darüber gelesen, dass Medikamente oft ausschließlich an Männern getestet wurden und trotzdem die gleiche Dosis für alle gilt. Das sagt schon viel aus, wie ich finde. Die Ursache dafür, dass Arzneimittel bei Frauen und Männern unterschiedlich wirken, liegt in unserer Genetik. Und das müssen wir anfangen, zu verstehen.

Neben der medikamentösen Therapie: Was hat dir persönlich geholfen, besser mit PMDS umzugehen?

Ich bin vor anderthalb Jahren nochmals den Schritt gegangen, mich stationär in eine Klinik zu begeben. Das war glaube ich eine sehr wichtige Erfahrung für mich. Man muss verstehen, dass die eigene Biographie zusätzlich in die Symptomatik mit rein spielt. Deshalb hat mir Einzel- und auch Gruppentherapie sehr geholfen, zu verstehen, wo einzelne Emotionen und Reaktionen, die dann immer sehr verstärkt auftraten, überhaupt herrühren. Dazu erlaube ich mir öfter Pausen und „Nein“ sagen, sobald ich merke, heute könnte es schwierig werden. Ich hab so tägliche Rituale wie Yoga, Atemübungen und morgendliches Spazierengehen, während denen man schnell checkt, wie es einem innen drin so geht … falls das nicht schon mit dem ersten Augenöffnen sofort klar ist. Seit ich, beziehungsweise wir, die Störung klar kommuniziert haben, ist jeder in meinem persönlichen Umfeld super verständnisvoll. Das sollte allerdings jeder bei jedem sein, der mal „nein“ sagt, egal ob PMDS, PMS, oder einfach keine Lust. Traurigerweise sieht die Realität oft anders aus. Als letzter Punkt wäre noch Ernährung zu nennen: Der Verzicht auf Koffein, Fleisch (auch der Hormone wegen) und industriell hoch verarbeiteten Lebensmitteln waren irgendwann unvermeidlich. Zusammenfassend lässt sich vereinfacht sagen: man sollte im Ganzen viel achtsamer mit sich und dem eigenen Körper sein.

Abschließend will ich noch hinzufügen, dass ich lange den Wunsch hatte, meine Geschichte stärker nach außen zu tragen, und mehr Aufklärung über PMDS zu betreiben. Mir hat nur irgendwie ein richtiger Plan für die Umsetzung gefehlt. Den hat nun die liebe Dani: Die hat nämlich mit Unterstützung von Freundinnen, die eine Marketing-Agentur führen, angefangen, auf ihrem Instagram Account wideawakeartquake Info-Slides und Q&As zum Thema zu machen, um so nach und nach immer mehr Leute für die Problematik zu sensibilisieren. Geplant sind zum Beispiel noch Info-Sheets mit wichtigen Anlaufstellen. Wir sind inzwischen in engem Kontakt und ich werde mich natürlich so gut es geht einbringen, damit PMDS endlich als eigenständige Erkrankung berücksichtigt wird.

Vielen lieben Dank Meggy, dass du so offen mit uns über deine Krankheit gesprochen hast und damit auch wichtige Aufklärungsarbeit leistest. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Gute!

Wenn Du selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Suizidgedanken leidest oder jemanden kennst, der/die daran leidet, kannst du dich an die folgenden Anlaufstellen wenden:

Telefonseelsorge 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 www.telefonseelsorge.de.
Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.

Hilfsangebote-Finder der Initiative Freunde fürs Leben.

Du denkst, du könntest konkret an PMDS erkrankt sein?
Dann kannst du dich an die folgenden Anlaufstellen wenden:

Berlin: Vivantes Zentrum für Seelische Frauengesundheit

Universitätsklinikum Bonn (Hier gibt es auch eine regelmäßige Telefonsprechstunde)

PMDS Selbsthilfegruppen international/auf englisch per Zoom.

Picture Credits: Sophie Louisa