50/50 Paare: Rahel und Felix

Rahel und Felix haben drei Kinder: 11 Monate, 4 und 7 Jahre sind diese alt -auf dem Bild sehen wir nur zwei davon, denn es gibt noch keins zu fünft, ihr kennt das. Die Familie lebt  seit ein paar Monaten in einer Genossenschaftswohnung im Südwesten Berlins und Gleichberechtigung war immer ihr Ziel, Teilzeitarbeit aber auch. Auf dem Papier arbeiten die beiden heute insgesamt 40 Stunden, nicht beide gleich viele Stunden, Rahel verdient aber dafür etwas mehr. Die beiden sagen: "Im Moment schweben wir die allermeiste Zeit tatsächlich auf einer "Krass, unser Leben ist genauso wie wir das wollten" Wolke... Hausarbeit und Mental Load sind auch aufgeteilt und bei den Finanzen haben die beiden eine ganz besonders gerechte Regelung, wie ich finde. Kein Wunder, Felix arbeitet bei der Deutschen Rentenversicherung und weiß besser als jeder andere, was es für Frauen für ihre Rente bedeuten kann, wenn sie nicht aufpassen. Mehr im Interview!

Was und wieviel arbeitet ihr beide?
Felix: Ich arbeite als wissenschaftlicher Referent bei der Deutschen Rentenversicherung, bin fest angestellt und arbeite in Teilzeit.
Rahel: Ich bin Lehrerin an einer evangelischen Schule und arbeite, seitdem unsere Tochter Henni 9 Monate ist, ca. 20 Prozent (6 Unterrichtsstunden pro Woche, als Lehrerin schwankt saisonbedingt die tatsächliche Arbeitszeit). Zusätzlich beziehe ich noch Elterngeld Plus bis Mai. Ab August werde ich wieder 50 Prozent arbeiten, dann wird Henni 18 Monate alt sein. Der Plan ist, dass wir auch nach der Elternzeit weiter beide Teilzeit arbeiten. Unsere Arbeitgeber ermöglichen eine flexible und immer wieder neu verhandelbare Stundenanzahl und ich kann, wenn natürlich auch nicht immer, viel von zu Hause aus arbeiten, vor- und nachbereiten. Insgesamt würde ich beide Arbeitgeber als familienfreundlich einstufen.
Felix: Home Office wäre bei mir aber schwierig… Dafür habe ich Gleitzeit – und kann meinen Arbeitsbeginn also ein wenig an den Bedürfnissen der Familie ausrichten. Leider kommen aber regelmäßig auch auswärtige Dienstgeschäfte vor, die den Familienalltag machmal vor organisatorische Probleme stellen.

Wie habt ihr eure Woche aufgeteilt?
Rahel: Außer am Montag, dem freien Tag von Felix, bringe ich die Kinder zur Kita und hole sie ab. Wenn ich einen Termin habe, springt Felix morgens oder nachmittags unkompliziert ein. Nachts gibt es, nach 10 Monaten Stillen und danach Abstillen mit Hilfe von Papa, nicht mehr so viel zu tun. Wenn, dann steht der auf, der weniger müde ist. Morgens hat sich eine gewisse Routine eingespielt: Ich wickele Henni und ziehe sie an, währenddessen bereitet Felix den Frühstückstisch vor und schmiert die Schulbrote. Dann füttert Felix die Kleine und ich kann mich für den Tag fertig machen. Die kleinste Tochter bringe ich meist abends ins Bett, mein Mann kümmert sich um die Jungs, die sich mit dem nötigen Ansporn selbstständig fertig machen fürs Bett. So braucht es auf jeden Fall den ein oder anderen Hinweis oder Anschubser („bitte leg jetzt den Comic weg, bitte“….“Los jetzt, ab Marsch“ …etc.) Da unsere Kleine abends oft schon quengelig und müde ist, macht Felix die Vorbereitungen fürs Abendbrot und die Kinder helfen meist beim Abräumen.

Organisiert ihr euch spontan oder macht ihr einen Plan?
Felix: Großereignisse und besondere Sachen tragen wir in einen Onlinekalender und in der Küche oldschool in den Familienplaner ein. Ansonsten leben wir noch ziemlich von Wochenende zu Wochenende. Wir reden viel miteinander, generell reden wir glaube ich unheimlich viel alle, und besprechen so nach und nach, was so ansteht.

Welche Tools nutzt ihr?
Felix: Einen gemeinsamen Onlinekalender. Für dringende Sachen über den Tag dann auch mal den Messenger.

Würdet ihr sagen, dass die Organisation des Alltags sehr zeitaufwendig ist und klappt sie gut?
Rahel: Bei drei Kindern kommt schon Einiges zusammen, bedingt durch eigene Schusseligkeit geht auch ab und zu mal ein Termin („wie, schon wieder U-Untersuchung?“ Hups.) verloren, aber im Großen und Ganzen empfinden wir es nicht als dramatisch. Gemessen an unserem „Vorkinderstandard“ ist es absolut okay. Nervig ist manchmal die Häufung von Terminen in den drei unterschiedlichen Einrichtungen. Da verkommen manchmal selbst gesellige Termine zu einer nervigen Pflichtaufgabe.

Habt ihr einzeln Hobbies, oder macht Sport?
Rahel: Felix spielt Freizeitfußball, ich habe immer Musik gemacht oder Chöre geleitet. Durch unseren Umzug nach Berlin liegen diese Dinge leider momentan brach, wir werden uns aber bemühen, diese Aktivitäten wieder in unser Leben einzubauen. Jetzt ist Henni ja schon kein ganz kleines Baby mehr, wird nicht mehr gestillt und schläft gut, so dass man seine Fühler wieder ausstrecken kann. Unsere Jungs spielen beide Eishockey im Verein, ich habe begonnen, dort „als Hobby“ ein bisschen die Öffentlichkeitsarbeit mitzugestalten. Ansonsten fahren wir alle gerne Fahrrad oder gehen in die Natur, diese Hobbies lassen sich super mit den Kindern kombinieren.

Was ist mit Paar-Zeit, wann bekommt ihr die unter?
Rahel: Abends, wenn die Kinder schlafen (glücklicherweise alle gegen 20 Uhr, der Große liest dann einfach), wenn die Kinder spielen und gerade unter sich sind, und neuerdings hätten wir auch eine Babysitterin. Jetzt müssen wir uns nur noch aufraffen. Aber momentan ist in Berlin Nieselregenjanuar, so dass es uns nicht richtig rauslockt…kommt aber wieder, bestimmt.
Felix: die Sitterin haben wir über eine Anzeige im Ecksupermarkt kennengelernt, bisher haben wir sie aber erst einmal „gebucht“. Ich schätze, wir könnten so einmal pro Monat losziehen. Ich habe noch Familie in relativer Nähe, die gelegentlich auch die Kinder betreuen können. Für unseren Hund haben wir zwei ganz tolle „Pflegetanten“, die ihn ab und zu am Wochenende betreuen und ihn nach Strich und Faden verwöhnen, wie es uns nicht möglich wäre. Das ist eine tolle Entlastung, auch, wenn wir Ausflüge machen, die nicht unbedingt hundetauglich sind.

Habt ihr das Gefühl, genug (Quality) Zeit mit euren Kids zu verbringen?
Beide: Haben wir. Absolut. Wir sind um vier, halb fünf spätestens alle vereint, die Kinder werden oft mittags einfach mal abgeholt, wir haben Zeit für spontane Ausflüge an den See oder in den Wald, und dank des freien Montags von Felix startet die Woche oft recht entspannt.
Wir hätten beide die Chance gehabt, Vollzeitstellen zu bekommen oder karriereorientierter unterwegs zu sein. Wir lieben unsere Jobs und gehen darin auf. Aber wir haben uns dennoch mehr oder weniger bewusst gegen diese Optionen entschieden und sind damit glücklich. Da wir noch relaiv jung (hust) sind, 3. Kind mit 32 bekommen, ist jetzt die Zeit für die kleinen Kinder und es bleibt ja vielleicht noch Zeit für den ein oder anderen Karriereschritt.

Sprechen wir über den Haushalt: wie teilt ihr euch hier auf?
Rahel: Wir teilen uns auf, gefühlt macht Felix sogar mehr, auf jeden Fall aber die Sachen meist gründlicher. Ich gebe mein Bestes und denke, wir kommen insgesamt ganz gut zurecht. Die Kinder haben auch ihren Teil (Spülmaschine ausräumen, saugen, Wäsche einsortieren, aufhängen, ausfegen, Kinderzimmer aufräumen) und samstags ist schön traditionell gemeinsames Putzen angesagt. Bei der Motivationsarbeit der Kinder ist Felix etwas mehr hinterher. Es gilt: alle Hände werden gebraucht und jeder macht, so gut er oder sie es kann.

Gibt es Aufgaben, die einer von beiden typischerweise immer übernimmt?
Rahel: Kochen machen wir beide, Wäsche waschen und abwaschen komplett Felix, Reparaturaufgaben fallen meist in Felix‘ Ressort, das tägliche Aufräumen und grobes Putzen, Einkaufen erledige ich, wenn ich daheim bin, beim Wochenendputz , wie wischen usw. ist Felix aktiver. In der Zeit kümmere ich mich darum, dass Henni nicht im Wischeimer badet und der Hund rauskommt. Generell hat sich alles mit jedem Kind mehr und mehr (meine Aufgaben, deine Aufgaben) verschoben. Das ist ein bisschen schade, aber vor allem eben eine Sache der Effizienz und in gewisser Hinsicht hat auch jeder seine Neigungen, was er besonders hasst oder eigentlich gerne macht. Deswegen sitze ich in sämtlichen Elternabenden… während Felix die Arbeitsplatte auf Hochglanz bringt. Generell kann ich mich durch Felix‘ Tatkraft im Haushalt oft aufs „Mamasein“ konzentrieren, was ich super finde. Für mich sind „Haushalt“ und „Mama“ zwei sich nur bedingt überschneidende Berufsfelder, zweiteres ist für mich schon eher Berufung, ersteres ein Job, den wir an der Backe haben.

Wer hat die Orga in der Hand?
Rahel: Den „mental load“ trage ich zum großen Teil für alle Kinder, kaufe Geschenke, plane Geburtstage, kümmere mich um alle „Bildungsangelegenheiten“, aber binde Felix mit ein. Er übernimmt dann auch Arzttermine oder plant den Urlaub, wenn ich daran verzweifle.

Seid ihr beide zufrieden mit eurem Haushaltssystem?
Rahel: prinzipiell auf jeden Fall, auch wenn das Chaos uns manchmal doch erwischt. Ich erhoffe mir vor allem von mir selbst noch etwas mehr Ordnung, weil es mich ärgert, wenn wir etwas nicht finden. Rückblickend denke ich aber, wir haben uns schon ziemlich verbessert.
Ansonsten ist die gefühlte Unorganisiertheit eine zweischneidige Sache. Oft entlastet sie, weil nicht alles nur seiner Ordnung wegen gemacht werden muss und im nächsten Moment nervt sie dann wieder, weil doch wieder nur ein Handschuh zu finden ist, wenn man dringend los muss…

Habt ihr hier Hilfe?
Beide: Nein.

Wie habt ihr die Finanzen geregelt?
Felix: Wir haben getrennte Konten, teilen aber die unterschiedlichen Arbeitseinkommen so auf, dass nach Abzug der Fixkosten jeder am Monatsanfang den gleichen Betrag zur Verfügung hat. Wir haben den großen Luxus, dass in der Regel mehr Geld auf dem Konto landet, als ausgegeben wird. Das versuchen wir durch eine gewisse Sparsamkeit auch so beizubehalten. Deshalb sind Geldfragen bei uns eigentlich nie Streitthema, Einschränkungen müssen wir nicht machen. Die Geldanlage und Organisation der Altersvorsorge habe ich in die Hand genommen, es gibt dann eine schöne Excelliste, wo über alles Buch geführt wird.

Wie seid ihr selbst aufgewachsen?
Rahel: Ich war, bis zum 10. Lebensjahr, mit meiner Mama und meiner Oma (beide berufstätig, dann in Rente) alleine, dann in einer Patchworkfamilie, wobei Mama weiter arbeitete in Teilzeit.
Felix: Auch bei mir haben beide Eltern gearbeitet. Ich habe noch zwei Brüder, die beide ebenso mit im Haushalt anpacken und mithelfen, auch mein Vater hat im Haushalt seine Frau schon „damals“ unterstützt. Das passiert deshalb alles mit einer völligen Selbstverständlichkeit. Diese Sozialisation hat wahrscheinlich deutlich auf mich abgefärbt.

Findet ihr euer System gerecht, seid ihr glücklich damit?
Felix: Ja, so gerecht, wie man ein System eben findet, wenn man sich darin eingerichtet hat und es nicht anders kennt. Sicher hat man hier und da etwas zu meckern, aber ernsthafte Probleme haben wir nicht.

Was würdet ihr euch vom Staat, von eurem Umfeld, vom Arbeitgeber wünschen?
Rahel: Hier in Berlin ist es grundsätzlich schon mal super, dass die Kinderbetreuung ab einem Jahr kostenfrei ist. Auch die Hortbetreuungsmöglichkeiten sind gut. Super wäre es, wenn dann auch genügend Kitabetreuungsplätze zur Verfügung stünden und die Erzieher*innen für ihre Arbeit gerecht entlohnt und gewertschätzt würden. Ich habe 7 Monate lang meinen 3,5 jährigen und mein Baby daheim gleichzeitig betreut, weil wir für ihn keinen Kitaplatz bekommen haben. Das war eine intensive Zeit. Dank des Babies hatte ich auch Zeit dafür und war daheim, ingesamt hat uns die Suche nach Kitaplätzen massiv gestresst und unter Druck gesetzt. Glücklicherweise mussten wir aber nicht, wie viele andere Eltern, unsere Wohnlage und Arbeitsstätte den vorhandenen Kinderbetreuungsmöglichkeiten unterordnen. Da der Staat hier in Berlin wenig zuverlässig ist, hätte der Arbeitgeber auch durchaus hilfreicher sein können. Elterngeld Plus ist hingegen eine ganz feine Sache, die wir zum ersten Mal so nutzen konnten, wie es wahrscheinlich gedacht war. In Kombination mit dem Arbeitgeber ist mir so ein sehr sanfter Einstieg zurück in den Job gelungen. Dadurch, dass auch Felix nicht voll arbeitet, konnten wir auch die Eingewöhnung in die Tagespflege ganz langsam und behutsam gestalten. Eine grundsätzliche Erfahrung, die man auch mit einem Ausbau von Kitakapazitäten und Elterngeld nicht wegbekommt, ist natürlich, dass Kinder in einer derart stark auf den Arbeitsmarkt ausgerichteten Gesellschaft für Arbeitgeber immer ein „Organisationsproblem“ sind. Zum Thema Elterngeld denke ich, dass es fairer wäre, es nur in vollem Betrag auszuzahlen, wenn eine „echte“ Teilung (mind.40/60) erkennbar ist. Vom Umfeld her bin ich oft noch geschockt, wie sehr Felix mit seinem Teilzeitwunsch oft fragende Blicke bekommen hat.

Wie habt ihr die Elternzeit(en) aufgeteilt?
Rahel: 1. Kasimir: 8 Monate ich, 6 Monate Felix; 2. Bojan: 10 Monate ich, 4 Monate Felix; 3. Henni: 12 Monate ich, 2 Monate Felix, davon 2 Monate parallel. Das liest sich jetzt ja wie eine „Abwärtsbewegung“ hin zum traditionellen Modell. In unserem Fall war die letzte Elternzeit aber vor allem dem Umzug und Jobwechsel Felix‘ geschuldet, der dann aber gleich „zu Beginn“ seines Jobs erstmal zwei Monate in Elternzeit mit uns war. Dadurch, dass er Teilzeit arbeitet, hat er dennoch enorm zu Hause unterstützt und ich habe, als Henni 9 Monate alt war, wieder begonnen, zu arbeiten. Deswegen fühlt es sich für mich nicht so an wie eine „Verschiebung“. Trotzdem waren die ersten 7 Monate zu Hause hier in Berlin mit 2 Kindern und ohne Anschluss eine ziemliche „Hardcore“ Elternzeit, das möchte ich nicht verschweigen.

Was kommt immer zu kurz?
Felix: Immer kommt glücklicherweise gerade nichts zu kurz. Ansonsten wahrscheinlich das Ausschlafen, für alle… und die Pflege von Freundschaften.

Und was klappt aber eigentlich ziemlich gut?
Rahel: Das Familienleben, die Kinder sind trotz des Umzugs nach Berlin und dem Verlust ihres Zuhauses hier gut angekommen und sind „einfach glücklich.“

Was stresst euch im Alltag am meisten?
Rahel: Unordentlichkeit, Dinge nicht zu finden, wenn man sie braucht. Liebe Hauptstadt, nimm es nicht persönlich, aber du stresst uns auch ordentlich (ja, ja auch wenn du so wunderbar bist….).

Und was macht am meisten Freude?
Rahel: Mit dieser wilden, lebensfrohen, lustigen Bande an Menschen zusammenzuleben und die Kinder aufwachsen zu sehen. Dass die Rahmenbedingungen so gut sind für uns, dass wir uns der Zuckerwattewolke bewusst sind, auf der wir leben.

Danke, ihr beiden!