Sie Vollzeit, ich Teilzeit – die Angst vor dem Maschinenraum
Meine Freundin arbeitet ab jetzt Vollzeit und ehrlicherweise habe ich ein Problem damit. Ich bin Freiberufler mit maximal 13 Schichtdiensten im Monat. Und ich will gar nicht mehr arbeiten. Denn so habe ich habe viel Zeit für unsere vierjährige Tochter. Das tut uns beiden gut. Und das passt auch zu meinem Selbstverständnis als „moderner“ Vater. Es gibt so viele deprimierende Statistiken und Studien zu den wenigen Vätern in Teilzeit (nicht mal sechs Prozent im Vergleich zu 66 Prozent der Mütter) und ich bilde mir gerne etwas darauf ein, dass ich es anders mache.
So weit, so leicht, so bequem
Für uns hieß das bis jetzt: Die ganze Hintergrundarbeit: einkaufen, Wäsche waschen, putzen, kochen, Verabredungen mit anderen Kindern, die Arzttermine und, und, und – ich nenne es den Maschinenraum des Familienlebens, andere nennen es Mental Load – das haben meine Freundin und ich zusammen erledigt. Und schon da haben wir regelmäßig gestritten, wer eigentlich mehr macht.
Und jetzt wechselt sie von Teilzeit in Vollzeit. Unser neues Modell ist ziemlich selten in Deutschland. Laut dem Statistischen Bundesamt arbeitet bei gerade mal knapp zwei Prozent aller Paare mit minderjährigen Kindern die Mutter Vollzeit während der Vater in Teilzeit ist. Dass wir jetzt dazugehören, ist ein wichtiger und richtiger Schritt für meine Freundin.
Aber es stresst mich. Denn unser Gleichgewicht wird kippen. Sie wird viel mehr im Büro sein. Ihr Job hat das Potential für viele Überstunden. Und ich habe Angst davor, quasi alleine im Maschinenraum zurück zu bleiben. Da wo es keinen Familienglamour, keinen Familienspaß, sondern nur harte Arbeit gibt. Und deswegen stelle ich mir Fragen, von denen ich glaube, dass ich sie mir als ach so „moderner“ Mann und Vater eigentlich nicht stellen sollte: Ist das jetzt alles nur noch meine Sache? Das Kind, die Wohnung, die Wäsche, der Einkauf, die Arzttermine? Zu Ende gedacht: Bin ich auf dem Weg zum Hausmann?
In meinem Kopf bin ich nicht so weit, wie ich gerne wäre
Davor habe ich Panik und das liegt an den alten Rollenbildern, die fest in meinem Kopf verankert sind. Ich gefalle mir oft in dem Gedanken, dass ich die natürlich überwunden hätte. Aber das habe ich natürlich nicht: Ich bin der „Familienvater“. (Wieso gibt es eigentlich nicht das Wort „Familienmutter“?). Ich bin „der Ernährer“. Ich bringe das Geld nach Hause. Das sind die Impulse, mit denen ich mich selber nicht identifizieren will und von denen ich mich doch nicht wirklich lösen kann. Da reicht schon eine Vollzeitstelle für meine Freundin, um mich als Teilzeitler in Aufregung zu versetzen.
Dazu kommt: Teilzeit war für mich bisher auch immer Freizeit. Zeit für mich, während unsere Tochter in der Kita ist. Kurzurlaub, nicht nur vom Maschinenraum, sondern auch von den Strapazen und dem Verzicht, den Kinder mit sich bringen. Ich bin auch froh darüber, wenn ich mal nicht für die Betreuung am Nachmittag verantwortlich bin. Auch diese Nachmittage werden jetzt weniger werden.
In guten Momenten denke ich: „Das krieg ich hin, kein Problem. Ich optimiere hier und da ein paar Dinge und alles bleibt zumindest so ähnlich wie bisher.“ In schlechten Momenten mache ich mir Sorgen, wie sich unser neues Modell auf unsere Tochter auswirkt, weil Papa jetzt gestresster ist als vorher. In ganz schlechten Momenten bin ich sauer: „Sie treibt jetzt ihre Karriere voran und ich darf es ausbaden. Herzlichen Dank.“ Das ist natürlich selbstgerecht. Aber die Gedanken kann ich mir auch nicht wegwünschen.
Eine gute Freundin meinte zu mir, mit etwas Mitleid und ordentlich Sarkasmus in der Stimme: „Willkommen in meinem Leben. Willkommen in der Welt der allermeisten Mütter.“ Das stimmt. Das wusste ich auch. Aber ich glaube, erst in den vergangenen Wochen wirklich verstanden zu haben, wie sich das im Alltag anfühlt. Dabei geht es gerade erst los bei uns. Wie fortschrittlich ich wirklich bin, wird sich in den kommenden Monaten zeigen und ich noch nicht überzeugt davon, dass mir die Antwort gefallen wird.