Let’s talk about: Warum Mütter keine Heiligen sind
Es ist nicht egal, wie wir über uns Mütter sprechen. Was in den sozialen Medien besprochen wird, prägt uns. Natürlich sind die ersten Monate Mama-Sein verdammt anstrengend, und ja, zeitweise fühlt man sich auch wie ein Märtyrer – der Körper ist quasi erst mal enteignet, und hauptsächlich zur Versorgung des Babys umfunktioniert. Wenn man vielen Postings auf Instagram glaubt, dann ist Mutter-Sein irgendwas zwischen absoluter Überforderung und Chaos. Ich kenne dieses Chaos auch, auch die Überforderung. Nur die Selbstüberforderung, die kann ich nicht nachvollziehen. Das Immer-alles-richtig-machen. Ich weiß noch, wie ich unsicher und eigentlich überfordert den ersten Geburtstag meines Sohnes plante. Ich mir viel zu viel vorgenommen hatte, alles perfekt werden sollte. Damals war Instagram ja sogar noch gar nicht so präsent. Es gab noch keine überperfekten Instagram-Mums, die Mutterschaft als etwas Reines, Pures und zu jeder Tageszeit als etwas ganz Wunderbares darstellten (ganz ambivalent eigentlich: Gleichzeitig gibt es ja auch das Bild des Chaos und der Grenzerfahrungen). Der Druck war trotzdem schon da. So jammerte ich auf einer Job-Veranstaltung meiner Bekannten vor, dass ich gar keine Zeit hätte noch einzukaufen und einen Kuchen zu backen … und überhaupt. Sie schaute mich an und meinte nur: “Backmischung, Marie!” Seitdem gibt es Backmischungen. Oder einen Schokomuffin mit Kerze vom Bäcker. Ich glaube, mein Kind freut sich trotzdem.
Mutterschaft als Märtyrertum
Denn Muttersein muss nicht sakrales Leiden bedeuten. Wenn das Stillen nicht klappt oder man es schlicht weg nicht möchte, dann gibts halt Pulvermilch. Man muss nicht leiden und sich aufopfern, um Mama zu sein. Man muss nicht über sich selbst hinauswachsen. Und die Heilige sein. Natürlich hat man etwas sehr Starkes vollbracht: Einen neuen Menschen produziert. Und man ist herausgefordert und denkt sich manchmal: Was ich alles schaffe!
Und obwohl Frauen in all ihrer weiblichen Reproduktionsfähigkeit etwas ganz Tolles sein können, glaube ich, dass uns die Glorifizierung von Mutterschaft nicht weiterbringt. Natürlich sind wir die Mama. Aber der Vater, wenn er denn präsent ist, ist eben auch der Vater. Und wie Susanne erst vor Kurzem so schön schrieb, kann der genauso das Kind beruhigen und Schlafrituale mit dem Baby entwickeln, wie Mama.
Deshalb fällt mir ein gewisser Ton – die Selbstbeweihräucherung, der Wettbewerb, wer sich mehr aufopfert – in manchen Online-Sphären auf und ich bekomme Bauchschmerzen. Was nicht heißen soll, dass ist es nicht schön und wichtig sei, dass wir uns als Mamas gegenseitig unterstützen, uns auch mal Mut zusprechen, wenn wir uns sagen, “du machst das super”. Denn viel wird einfach gesellschaftlich von uns erwartet. Kitas rufen meist erst die Mama an, wenn mal was ist. Dafür sind Väter, die sich einbringen dann auch gleich “Mega-Väter”. Aber wenn wir uns in aller Selbstaufgabe noch als Supermoms gratulieren – wer gewinnt da eigentlich? Und welches Bild von Mutterschaft reproduziert sich? Vielleicht wollte meine Mutter deshalb auch nie etwas zum Muttertag geschenkt bekommen, einfach weil sie dem Druck der Mutterrolle nicht standhielt, sie überfordert war? Da waren dann die Blumen zum Muttertag vielleicht eher Hohn. Beziehungsweise ein Teil des Korsetts, das einem eng geschnürt kaum Luft zum Atmen ließ.
Gleichzeitig kann mir bei aller Superness und Aufopferung keiner erzählen, dass es da nicht irgendwo mehr oder minder schlecht versteckte Aggressionen gibt. Die dann gern gegen andere Mütter gerichtet werden, die den eigenen Lebensentwurf schon mit ihrer reinen Anwesenheit infrage stellen. Nicht nur deshalb wird so gern verurteilt, werden die Schubladen besonders weit aufgemacht. Das hat wohl auch mit dem speziell deutschen Mutterbild zu tun, das immer noch erschreckend viel mit “Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind” gemein hat. Aber auch in den USA: Die ersten schicken Lifestyle-Mama-Influencer waren vor einigen Jahren amerikanische Accounts. Wenn man da genauer hinschaute, offenbarte sich Folgendes: Zu einem sehr großen Anteil waren das Mormonen. Also Frauen, die sehr sehr konservativ ausgerichtet waren.
Keine Frage, Mama-Sein kann unglaublich schwer und herausfordernd sein. Es verändert das Leben. Genauso ist es aber auch, Papa zu sein oder einen Verwandten zu pflegen, oder, oder, oder… Ich finde, wir sind alle erwachsen. Wir haben den Weg der Mutterschaft gewählt. Dazu muss man sich nicht aufgeben, sondern kann es als Bereicherung und als einen weiteren Lebensabschnitt sehen.
Oder ist man eine Supermom, weil man auf so “viel” verzichtet? Die perfekte Karriere, den perfekten Body, die perfekten Dinnerpartys? Ist man deshalb schon so “super”, weil man den normalsten Weg der Welt geht, sich nämlich aus dem individualistischen und egozentrischen Leben herauszuschälen und ein Kind zu bekommen?
Die mediale Selbstbeweihräucherung läuft zwangsläufig nämlich auf Folgendes hinaus: Wir glorifizieren das Muttersein. Wir bewegen uns in dieser glossy Instagram-Bubble, raunen uns gegenseitig zu, was für Supermoms wir sind, verherrlichen die Aufopferung und verfallen in ganz alte Rollenbilder (Stichwort Hausfrau), mit einem pastellfarbenen Lifestyle-Anstrich und gefährlicher Pseudo-Ironie (“ist doch alles ironisch gemeint!”). Dabei macht das durchaus auch mal Spaß. Auch ich bin gern auf Instagram. Besonders wenn das Baby klein ist, ist es schön, sich nicht isoliert zu fühlen und zu schauen, wie es andere machen. Ich glaube nur, dass man ein wenig aufpassen muss. Dass man sich nicht in einer Mutterrolle einrichtet, von der wir uns doch eigentlich schon längst emanzipiert gesehen haben. (Es sei denn man möchte genau das.) Denn wollten wir unseren Töchtern und Söhnen nicht doch etwas ganz anderes vorleben, nämlich was Parität heißt? Und vielleicht muss man auch gar keine Super-Mutter sein, vielleicht ist man auch einfach nur Mama, hinreichend gut, ohne hübsche Lunchbox. Aber dafür authentisch und bei sich.