Little Tipps: Weniger Essen wegwerfen

Es sind diese Fakten, die einfach weh tun: Fast ein Drittel der produzierten Lebensmittel in Deutschland landet im Müll. Und daran sind nicht etwa nur die Supermärkte schuld, 40% davon wird in Privathaushalten weggeworfen. Wir sind es. Wir werfen täglich zu viel Essen weg: Obst, Gemüse, Joghurt, Milch - ihr wisst schon.

Gerade in Familien ist die Verschwendung groß. Denn es wird viel eingekauft, weil viele Münder satt werden wollen. Volle Kühlschränke sind für eine Menge Eltern ein Symbol für Geborgenheit, Sattheit, Zuhause. Aber: Diese Verschwendung zieht enorme ökologische Folgekosten nach sich. Ganz abgesehen davon, dass Essen wegwerfen auch einfach irgendwie pervers ist. Klar ist hier auch die Politik gefragt, aber die ist erfahrungsgemäß laaaangsaaaam. Wir alle können unseren Beitrag leisten, damit weniger Essen weggeworfen wird. Zuhause, in unserem Kopf und auch mit Hilfe von Apps und Angeboten.

Zusammen mit Sophia Hoffmann haben wir heute mal einige Tipps zusammengetragen, mit denen man die eigene Bilanz verbessern kann. Sophia ist Köchin, Kochbuchautorin, Journalistin, bekennende Feministin und Unternehmerin. Sie hat mit Hilfe von Kreativität, Leidenschaft und Intiuition ihre Liebe zum Kochen zum Beruf gemacht. Ohne Dogmatismus möchte sie Menschen motivieren weniger tierische Produkte zu konsumieren und vor allem eine bewusstere Wahl zu treffen. Und Sophia ist sowas von inspirierend! Los geht’s:

  1. WERTSCHÄTZUNG

Sophia sagt: “Ich bin mit einem großen Werteschatz für Lebensmittel ganz natürlich sozialisiert worden. Wenn ich einen angeschlagenen Apfel sehe, denke ich nicht über die braune Stelle nach, sondern über die 80 % intaktes Fruchtfleisch und was ich damit noch alles anstellen kann. Ich sehe keine Mängel, sondern Möglichkeiten.” Reste verwerten, Lebensmittel lagern und bewusst nachhaltig einkaufen ist für ganz viele Menschen aber keineswegs selbstverständlich. Im Gegenteil: in unserer Überflussgesellschaft herrscht eher die Meinung vor, Lebensmittel müssten vor allem billig und jederzeit im Überfluss vorhanden sein. “Brot ist hier das perfekte Beispiel”, so Sophia: “Von einem der historisch bedeutendsten Über-Lebensmittel der Menschheit wurde es zu einem Wegwerfprodukt minderer Qualität. Jede fünfte Backware landet hierzulande im Müll. Das sind 1,7 Millionen Tonnen und entspricht der Ernte eines Ackers größer als die Fläche von Mallorca!” Verrückt, oder?

Prägung spielt hier eine wichtige Rolle: Wer in einem Haushalt aufgewachsen ist, in dem Essen wegwerfen als Sünde gilt, wo vielleicht sogar noch der Mangel der Nachkriegszeit thematisiert wird, der wird ganz anders an das Thema rangehen. In Familien, in denen Überfluss als Wohlstandssignal gilt, hält man es dagegen lockerer. Sich dessen bewusst zu sein, wie man selbst aufgewachsen ist, ist der erste Schritt. Und dann kann man einfach mal anfangen, sich mit den Lebensmitteln zu befassen und bewusster einzukaufen: “Wer bewusst auswählt, schmeißt auch weniger leicht Essen weg.” sagt Sophia. Ich kann das bestätigen: Zum Markt gehen, gutes Gemüse auswählen, besondere Produkte im Bio-Laden einkaufen – das ist ein guter, erster Schritt für mehr Wertschätzung von Essen.

2. WENIGER EINKAUFEN

Apropos: Wir kaufen generell alle zu viel und haben immer Angst, dass uns das Essen ausgeht. Sophias Tipp: Pro Person nur so viel kaufen, wie ihr alleine tragen könnt, das bedeutet eine gut gefüllte Stofftasche. Nach dem Einkauf darauf achten, was zuerst verzehrt werden muss. Beeren? Sofort waschen, sortieren und die angeschlagenen pürieren (im Kühlschrank sind sie haltbar für Müsli/Smoothies…). Salate? Leicht welkende Pflücksalate tagesfrisch verzehren, länger haltbare (Endiviensalat, Chinakohl, Römersalat) im Laufe der Woche. Und so weiter. Sich bewusst Zeit nehmen Speisen zuzubereiten und Essen haltbar zu machen, ist eine tolle Sache: Einlegen, Einkochen, Trocknen, Verwerten – da kann man auch toll seine Kinder mit einbeziehen. “Ich profitiere bis heute davon, diese Dinge zuhause gelernt zu haben! ” sagt Sophia. “Apfelmus kochen, Schokoladenpudding aus alten Osterhasen, bei uns wurde alles verwertet.”

Zudem ist es einfach sinnvoll, uneingeschränkt Lebensmittel in Bio-Qualität zu kaufen, da die Belastungen mit Pestiziden und Antibiotika bei konventionellem Essen enorm sind und außerdem der Umwelt schaden. Wer auf dem Markt oder im Bioladen einkauft, minimiert auch die Plastik-Umverpackungen. Und wenn man regional-saisonal einkauft und ein bisschen plant, kann man das auch mit kleinem Budget umsetzen. Bio Lebensmittel sind nicht per se teurer, und selbst kochen ist immer günstiger (und natürlich VIEL besser), als verarbeitete Fertiggerichte.

3. MEAL PREP UND GUTE PLANUNG

Meal Prep! Laura ist ein Fan, und so viele andere auch. Im Buch Einfach Familie leben gibt es ein ganzes Kapitel darüber, wie eine vernünftige Essensplanung und Essen-vorbereiten a.k.a. Meal Prep das Leben als Familie erleichtern – und ganz nebenbei Müll vermeiden. Susanne von Geborgen Wachsen hat hier schon mal aufgeschrieben, wie Meal Prep für Anfänger funktionieren kann. Es ist an sich nicht schwer: Planen, was man die Woche über essen möchte, nur diese Zutaten kaufen und dann, sofern möglich, vorkochen. Ich kann aus Erfahrung sagen, dass vorgekochte Kartoffeln, eine gute, eingefrorene Tomatensoße und vorbereitete Linsensuppe für die ganze Woche mir schon oft das Leben gerettet haben. Außerdem kann man so wunderbar Lunchpakete packen und geht automatisch weniger essen, spart also auch Geld. Es macht so viel Sinn und gar nicht wirklich viel Arbeit. Probiert es aus!

4. INVENTUR

Diesen Tipp von Sophia finde ich großartig. Fast jede Familie, die ich kenne, hat einen großen Vorratsschrank voll mit Trockenprodukten. Hier einfach öfter durchchecken: Mehl? Wie wärs mit Kuchen, Pfannkuchen, Fladenbrot, Pizza, Pasta, Strudel? Reispapier? Wie wärs mit Sommerrollen oder knusprigem Reispapier-Bacon? “Versucht einmal im Jahr einen Monat keine Trockenprodukte zu kaufen und alles aufzubrauchen, was ihr zuhause habt!” Das ist doch mal ein Tipp. Wir haben so viele angebrochene Linsen-, Nudeln-, Hirsepackungen und so weiter zuhause…

Was auch gut ist: den Kühlschrank täglich aufräumen. Hier bei Babyccino Kids gab es mal einen schönen Artikel darüber. Vorbereitete Sachen nach vorne, ebenso Dinge, die bald aufgebraucht werden. Immer wieder nachsehen, was noch da ist, damit man nicht drei Mal Sahne kauft (passiert bei uns oft). Und: Alles in Glasbehältern aufbewahren, damit man sieht, was drin ist. Toller Tipp: Käse in Weck-Gläser packen. Machen wir immer, sieht hübsch aus und man braucht überhaupt keine Frischhaltefolie mehr. Wenn euer Kühlschrank dann irgendwann aussieht wie der von David Frenkiel und Luise Vindahl, Autoren der Green Kitchen Bücher, und absolute Food-Vorbilder, dann habt ihr es geschafft. Sieht das nicht lecker aus? Deren neues Buch Die grüne Familienküche: Das vegetarische Familienkochbuch für jeden Tag ist übrigens total zu empfehlen und passt auch zum Thema.


5. MYTHOS MINDESTHALTBARKEITSDATUM

Gehört natürlich auch dazu. Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist meistens Humbug. Sophia erzählt, dass eine deutsche Familie vor kurzem, unter wissenschaftlicher Aufsicht, einen 18 Monate alten Joghurt verspeist hat –  er war einwandfrei. Lebensmittel wie Senf, Ketchup und Co. halten jahrzehntelang, viele andere Dinge auch. “Wir haben verlernt, unserem Bauchgefühl zu vertrauen und glauben blind, was auf der Verpackung steht, obwohl es sich hier lediglich um eine Qualitätsempfehlung handelt”, so Sophia. Sie sagt: einfach probieren. “In den meisten Fällen merken wir sehr schnell, wann Essen noch gut ist und wann wir es lieber kompostieren sollten.” Gute Challenge: Das Datum einfach ignorieren. Ist nicht leicht, aber man wird immer besser!

6. KEINE RESTE

Eine Reise steht bevor, doch der Kühlschrank ist voll? Verschenkt die Lebensmittel im Freundeskreis/ an Nachbarn oder über Foodsharing, verwendet sie als Reiseproviant oder macht sie haltbar. “Blanchiert und eingefroren habt ihr nach eurer Rückkehr dann zum Beispiel Obst- und Gemüse-Vorräte, aus denen sich schnell eine Suppe, eine Nudelsauce oder ein süßes Frühstück bereiten lässt. Viele pflanzliche Milchprodukte, Tofu und tierische Produkte lassen sich auch super einfrieren.” Und für die Profis: Mehr über Einwecken, Einkochen, Einlegen, Vergären und so weiter, erfahrt ihr in Sophias Buch!

7. IMPROVISATION

Wer Lebensmittel als Werkstoff begreift, lernt, etwas daraus zu kreieren. “Haltet euch nicht dogmatisch an Rezepte”, sagt Sophia. Ein herzhafter Eintopf schmeckt mit Zwiebeln genauso gut wie mit Lauch. Pommes kann man aus Kartoffeln, Süßkartoffeln, Sellerie und Steckrübe selbst machen. Paprika lassen sich mit Reisresten genauso lecker füllen wie mit gekochter Hirse. Statt Zitronensaft funktioniert auch Apfelessig zum Abschmecken. Tauscht aus, experimentiert, traut euch!

Meine liebsten Reste-Rezepte sind: Bananenbrot (braune Bananen), Chips aus Kartoffelschalen und in einem Risotto, einer Frittata oder in einem Omelette kann man auch immer wunderbar Gemüsereste verkochen.

8. ALLES VERWENDEN

“Leaf to Root” lautet das Schlagwort. Ich bin immer noch baff, wenn Menschen einen ganzen Apfel essen, aber warum eigentlich? Wenn man sich ein bisschen auskennt, merkt man erst, was man alles verwerten kann. “Die Blätter vieler Gemüsearten lassen sich nicht nur hervorragend verzehren, sie sind sogar besonders nährstoffreich und lecker,” erklärt Sophia. “Ob von Karotte, Bete, Kohlrabi oder Radieschen – als Pesto, Gemüse oder Salat – zu schade zum Wegschmeißen. Getriebene Zwiebeln? Besonders gesund und lecker. Das Grüne vom Lauch und Frühlingszwiebeln: Fein geschnitten herrlich auf der Stulle.” Wenn man mal anfängt, sich damit auseinanderzusetzen, ist es so so spannend und macht richtig Spaß.

UND SONST SO?

Noch mehr Lager- und Einkauftipps, Verwertungsideen und konkrete Rezepten, sowie einen spannenden Informationsteil über Lebensmittel, findet ihr in Sophias Buch: Zero Waste Küche

Toll finden wir außerdem diese beiden Ideen: die App Too Good To Go kann man gastronomische Betriebe finden, die regelmäßig überschüssiges Essen haben. Zum Beispiel in der Bäckerei, beim Mittagsbuffet oder im Supermarkt. Über die App kann man genau dieses Essen, in einer Wundertüte kaufen. So entsteht eine Win-Win-Win-Situation: Leckeres Essen zum reduzierten Preis für die Kundschaft, weniger Verschwendung für die Betriebe und Ressourcenschonung für die Umwelt!

Ein erheblicher Teil einer Ernte bleibt ausschließlich aufgrund seines Aussehens auf dem Feld liegen, wird vernichtet oder zur Energiegewinnung zweckentfremdet. In der Etepetete Gemüsekiste landet genau dieses extravagant aussehendes Obst und Gemüse! Krumm und schief manchmal, aber einwandfrei lecker.

Habt ihr noch weitere Tipps? Seid ihr mit eurer Essen-Wegwerfen-Bilanz happy?