Liebe Inke… Was, wenn ich die Kinder meiner Freunde nicht mag?

Letzte Woche hat ein Gastbeitrag auf Instagram hohe Wellen geschlagen (evtl. auch, weil wir ein etwas aus dem Kontext gezogenes Zitat für den Post verwendet haben…), nun wollten wir den Inhalt dieses Texts noch mal professionell einordnen. Von Inke natürlich!

Hallo liebes LY Team und liebe Inke!

Der Artikel von heute schlägt ja ganz schön Wellen und auch ich musste erstmal schlucken.
Aber auch, weil ich die Situation selbst kenne. Es gibt ein Kind, das ich echt richtig anstrengend finde. Von guten Freunden, mit denen wir auch schon im Urlaub waren, und so weiter. Dieses Kind triggert mich enorm.

Und wie die Eltern damit umgehen auch. Ebenso wie die Autorin schaffe ich es nicht, mit den Eltern dazu ins Gespräch zu gehen. Zudem frage ich mich immer: Was ist wirklich dieses Kind, was ist meine eigene Geschichte, warum beschäftigt mich das so?
Vielleicht könnt ihr darauf ja nochmal anders eingehen. Denn der Artikel ist zwar für mich ein bisschen erleichternd (anderen geht es auch so!) Aber hilft mir nicht wirklich weiter.

Viele Grüße, Anne

Das rät Inke:

Danke für Deine Nachricht und Deine Gedanken!

Ich finde es unglaublich wichtig, dass wir ehrlich miteinander sind und vor allem auch offen über die Themen sprechen, die an Familie wehtun: Einsamkeit mit Baby, Bevorzugung eines Geschwisterkindes, Reue rund ums Elternsein. Die Themen gehen ja nicht weg, nur weil man sie totschweigt. Das ist wie mit Gefühlen: Wut, Trauer, Scham oder Eifersucht müssen raus und brauchen Beachtung, sonst tut das den kleinen und großen Menschen nicht gut. Daher habe ich den Artikel auch begrüßt, denn ich kenne das Thema aus meinen Beratungen, aber auch persönlich. 

Meine Beratungseltern sitzen mal auf der einen, mal auf der anderen Seite: Entweder mögen sie das Kind von Freunden nicht oder aber haben den Eindruck, ihr Kind wird nicht gemocht. Das tut weh, aber es ist doch im Grunde ganz normal. Wie viele Erwachsene mögen wir nicht? Wie oft gibt es sogar Phasen, wo wir unser eigenes Kind ein wenig fremd oder aber sehr herausfordernd finden? Nur weil das Gegenüber ein Kind ist, das natürlich mehr Schutz braucht als andere, ist es trotzdem okay, solche Gefühle zu haben. Dafür muss sich niemand schämen.

Wichtig ist der Umgang damit: Ist dein Kind das, das deine beste Freundin nicht mag? Dann triff sie ohne dein Kind. Und manchmal ist es auch so, dass sich solche Freundschaften dann auseinanderentwickeln. Der Begriff „Lebensabschnittsgefährten“ kommt eben nicht von ungefähr. Das kann man dann betrauern, aber eben nicht immer ändern. Es wird andere Menschen geben, die dich und dein Kind mögen. Das ist auch meine persönliche Erfahrung mit einem herausfordernden Kind: Irgendwann begegnet man einer anderen Familie, die das gleiche erlebt und wo die Eltern dein Kind zu nehmen wissen. Daraus können dann neue, enge Freundschaften entstehen.

Bist du diejenige, die das andere Kind nicht ertragen kann? Ich finde toll, dass hier auch hinterfragt wird: Liegt das vielleicht an mir und nicht an dem herausfordernden Kind? Das ist ein wichtiger Blick, denn eigentlich ist das ja immer so. Das Kind ist wie es ist, so wie Erwachsene auch sind, wie sie sind. Und ob wir damit zurechtkommen, liegt an unseren Ressourcen, Erfahrungen und Vorlieben. Und das ist alles ziemlich wertfrei – solange ich nicht Erzieherin bin und mit dem Kind arbeiten muss. 

Bleibt die Frage: Wie geht man damit um? In meinem Buch „Nicht zu streng, nicht zu eng“ sind viele Denkanstöße dazu, wie man mit anderen Menschen ins Gespräch kommen kann, die eine andere erzieherische Haltung haben. Ebenso wird im Buch aufgeschlüsselt, welche Faktoren neben dem Erziehungsstil noch für herausforderndes Verhalten verantwortlich sein können. Vielleicht ist das Inspiration, um mit den Eltern des herausfordernden Kindes zu sprechen. Die wichtigste Frage für solche Gespräche ist in meinen Augen immer: „Was versprichst du dir davon, wie du es machst?“ So kommt man nicht ins Vorwerfen oder in ein „Ich weiß es aber besser als du!“, sondern bemüht sich, sein Gegenüber erst einmal zu verstehen. Vielleicht gibt es ja etwas, das man zu der Familie noch nicht weiß.

Aber natürlich muss man solch ein Gespräch nicht suchen. Es ist auch okay zu sagen, wir treffen uns nur noch ohne Kinder, oder aber irgendwann: „Ich glaube, es passt nicht mehr zwischen uns.“ Die erzieherische Haltung macht einen großen Teil eines Menschen aus und ich finde, es ist legitim, wenn man irgendwann sagt, wir passen nicht mehr zusammen. Je nach politischer oder persönlicher Entwicklung einer Person kann es ja auch dadurch passieren, dass man sich lieber auf den Weg zu neuen Ufern machen möchte. Kein Grund sich zu schämen. 

Foto: Caleb Woods.