Ich mag das Kind meiner engen Freundin nicht

„Habt ihr schon mal etwas darüber geschrieben, dass man die Kinder von Freunden nicht ausstehen kann?“ schrieb uns Elisa. Und wir haben zwar schon über viele Gefühle, die einem eher unangenehm sind, geschrieben, aber darüber tatsächlich noch nicht. In der Intensität kannten wir das Thema auch weder persönlich, noch aus dem Freundeskreis (zumindest wissentlich!). Also baten wir Elisa, ihre Gefühle aufzuschreiben. Das Ergebnis könnt ihr heute lesen.

Meine Freundin und ich waren fast gleichzeitig schwanger. Ihr Sohn ist ein bisschen älter als meine Tochter und ich habe mich darauf gefreut, dass wir das alles zusammen machen. Irgendwie dachte ich auch, unsere Kinder würden wie Geschwister werden, nun ist das aber gar nicht so. Im Gegenteil. Wir haben uns in den letzten Jahren (beide Kinder sind jetzt 8 Jahre alt) eher auseinander gelebt. Was ganz sicher mit unseren unterschiedlichen Erziehungsstilen zu tun hat. Auch damit, dass ich nach 2 Jahren noch mal ein Kind bekam, sie nicht. Es ist ja schon ein anderes Leben mit 2 Kindern.

Aber wahrscheinlich vor allem damit, dass ich ihr Kind nicht mag. Wirklich gar nicht. Ich denke, ich konnte das immer einigermaßen verstecken. Aber eben auch nicht zu hundert Prozent.

Schon als Baby war er aggressiv. 

Es begann schon im Babyalter. Ihr Sohn war frech. Ungestüm. Schrie als Baby viel, als Krabbelkind zog er meiner Tochter schon regelmäßig eins über. Beim Pekip, bei “Play-Dates”, immer gab es irgendeinen Vorfall, meine Tochter weinte ungestüm, ich tröstete, meine Freundin schien etwas hilflos, ich ärgerte mich darüber, dass sie ihrem Kind keine Ansage machte. Andere Kinder hauen ist nicht okay. Das kann man auch schon einem 11-Monate alten Kind klar machen, finde ich.

Richtig schlimm wurde es im Kindergarten-Alter. Beide waren in einer Kita. Ich hatte immer das Gefühl, ihr Sohn will meiner Tochter – und überhaupt allen Kindern – etwas Böses. Er spielte die Kids gegeneinander aus, er schlug und biss nach wie vor viel. Meine Freundin und ihr Mann verteidigten ihn. Er sei “so sensibel”, “reizüberflutet”, er meine das nicht so. Die Kita war auch überfordert. Ich dachte damals schon heimlich: “Arschloch-Kind”. Er wirkte so berechnend, schon mit vier Jahren. Mich flirtete er immer förmlich an, zu meiner Tochter sagte er Gemeinheiten. Unsere Treffen wurden damals schon seltener, ich hatte auch nicht den Eindruck, dass der Junge viele Freunde hatte. Darum kümmerten sich immer die Eltern, die suchten die Freunde aus, waren mit den Eltern plötzlich ganz dick, suchten Musik- und Sport-Kurse heraus und sorgten so dafür, dass es nicht so auffiel, dass ihr Sohn eigentlich ein Außenseiter war,  den in der Kita alle meideten.

Sicher war das auch eine Sache, die mich irgendwie gestört hat. Ich merkte, dass meine Freundin so ganz anders an Sachen ranging. Ich habe mich nie bewusst mit Eltern angefreundet, um die Kinder zusammenzubringen. Sie machte das gefühlt ständig und biederte sich richtig an. Das war mir unangenehm, ich war froh, dass meine Tochter sich mittlerweile selbst neue Freund:innen gesucht hatte.

Dieses Kind, ihr Sohn, ist für mich ein richtiges “Einzelkind”. Unsozial, egoistisch, verwöhnt. Zum Geburtstag gibt es immer Tonnen von Geschenken, zur Einschulung gab es zwei voll bepackte Schultüten (von jedem Großeltern-Paar eine…), das Kind hat immer die neuesten Schuhe, die angesagtesten Spielsachen und dann gleich in zigfacher Ausführung. Das könnte mir egal sein, aber im Alltag betrifft dieses Überverwöhnen eben auch manchmal mich. Denn damit wird angegeben, das setzt ungute Standards. Wenn wir auf dem Spielplatz sind, bequatscht das Kind meine Freundin oder ihren Mann oft so lange, dass es das zweite Eis bekommt, oder zwei Euro für Süßigkeiten. Und dann geht es bei meiner Tochter und anderen Kindern natürlich los. “Warum bekommen wir kein zweites Eis?” Ich bleibe dann immer hartnäckig und ärgere mich. Ein, zwei Mal habe ich mich getraut und gesagt: Das ist doch echt doof für die Gruppe, wenn ein Kind so verwöhnt wird! Da bekam ich immer eine rotzige Antwort zurück, sowas wie “Choose your battles”, “Stell dich nicht so an”, oder “Man mischt sich nicht in die Erziehung anderer ein”. Natürlich sage ich jetzt nichts mehr. Und bin einfach nur genervt, wenn es wieder heißt: Warum kann ich keine Switch/kein Handy/keine Air Jordans haben. Der hat es doch auch.”

Dieses eine Kind, das immer stört.

Dieser Junge ist auch immer das EINE Kind, das die Gruppe, Geburtstage, Feste, etc. stört. Das irgendjemanden schlägt, etwas kaputt macht, beim Film nicht still sitzen kann und alle nervt. Ich habe Verständnis für solche Kinder, finde aber auch, die Eltern gehen komplett falsch damit um. Es wird immer nur aus der Situation herausgenommen, abgelenkt. Nie mal besprochen oder gar ermahnt, dass man sich in Gruppen eben auch mal zusammenreißen muss. Das Kind bekommt meiner Meinung nach viel zu viel Zucker und zu wenig Bewegung. Jetzt, mit acht, sitzt es natürlich auch immer vor dem Handy, wenn wir mal essen gehen oder so. Darf schon Youtube schauen und Minecraft spielen. Die Eltern gehen gefühlt immer den Weg des geringsten Widerstandes und das kann es doch einfach nicht sein, ihr Kind ist ein kleiner Terrorist!

Was mich auch stört, ist wie oft meine Freundin und ihr Mann Babysitter haben oder das Kind übers Wochenende zu den Großeltern schicken. Man hat immer das Gefühl, der Junge wird “ausquartiert”, damit die Eltern in Ruhe arbeiten, ausgehen und ausschlafen können. Da spricht vielleicht auch der Neid aus mir, wir haben keine Großeltern in der Stadt. Aber ich denke auch, die fehlende Kontinuität, die tut gerade so einem Kind doch einfach nicht gut. Er ist sicher jedes zweite Wocheneden bei den Großeltern, meine Freundin erzählt mir sogar lachend: “Na, bei denen darf er immer Fernsehen, Zocken und Süßkram ohne Ende, aber ist ja auch okay, Großeltern halt!” Ich denke mir nur meinen Teil.

Zum Glück sind unsere Kinder vor zwei Jahren auf unterschiedliche Schulen gekommen. Seitdem sehen wir uns seltener, ab und zu am Wochenende, oder auf Geburtstagen. Zum letzten Geburtstag wollte meine Tochter ihren Babyfreund aber schon nicht mehr einladen und ich verstehe das komplett. Auf den letzten Partys hat er regelmäßig alles durcheinander gebracht, weil ihm ein Spiel nicht passte, weil er sauer war, dass er keine Geschenke bekommen hat – und so weiter….

Manchmal treffe ich meine Freundin noch alleine. Dann merke ich, wieviele Gemeinsamkeiten wir außerhalb der Kinder haben. Aber das Thema steht immer zwischen uns. Ich finde einfach wirklich, sie und ihr Mann sind ziemlich schlimme Eltern – und das Kind, das dabei rausgekommen ist… Ich mag es einfach wirklich nicht.